Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2015 (AbgÄG 2015) wurde das bisherige „Wegzugsbesteuerungskonzept“ aufgrund der jüngsten Entwicklungen in der EuGH-Rechtsprechung mit Wirkung ab 1.1.2016 neu geregelt. Die Neuregelungen betreffen sowohl den betrieblichen als auch außerbetrieblichen Bereich.
Betrieblicher Bereich
Nach alter Rechtslage wurde bei der Überführung von Wirtschaftsgütern oder der Verlegung eines Betriebes (bzw Betriebsstätte) desselben Steuerpflichtigen in einen anderen EU/EWR-Staat mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe die Steuerschuld hinsichtlich der stillen Reserven nicht sofort festgesetzt, sondern auf Antrag bis zur tatsächlichen Veräußerung (oder bis zum sonstigen Ausscheiden) aufgeschoben („Nichtfestsetzungskonzept“).
Wie bisher kommt es in den oben angeführten Fällen grundsätzlich zur sofortigen Festsetzung der Steuerschuld im Wegzugszeitpunkt. Zudem führen auch sonstige Umstände (zB Geschäftsleitungsverlegungen von Körperschaften, Änderungen von DBA), die zu einer Einschränkung des österreichischen Besteuerungsrechtes führen, zu einer sofortigen Festsetzung der Steuerschuld. Allerdings kann der Steuerpflichtige nach neuer Rechtslage auf Antrag die Steuerschuld der betroffenen Wirtschaftsgüter gleichmäßig über einen gesetzlich vorgesehenen Verteilungszeitraum strecken („Ratenzahlungskonzept“). Der Verteilungszeitraum beträgt für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sieben Jahre und für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens zwei Jahre. Bei Ausübung des Wahlrechtes wird über die einzelnen Fälligkeitstermine der Raten im Abgabenbescheid abgesprochen, wobei die erste Rate einen Monat nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides und die Folgeraten aus Vereinfachungsgründen jeweils am 30. 9. der Folgejahre fällig werden. Scheiden die Wirtschaftsgüter (bzw der Betrieb/die Betriebsstätte) vor Ablauf des Verteilungszeitraumes aus (zB durch Veräußerung, Überführung in einen Drittstaat), sind die noch offenen Raten sofort fällig zu stellen. Dies gilt allerdings nur für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Der Steuerpflichtige muss diesen Umstand der zuständigen Abgabenbehörde innerhalb von drei Monaten ab Eintritt anzeigen.
Wird das „wegziehende“ Vermögen, für welches das Ratenzahlungskonzept in Anspruch genommen worden ist, in späteren Jahren wieder nach Österreich rücküberführt, erfolgt eine Bewertung mit dem Verkehrswert („Fremdvergleichswert“). Noch offene Raten aus dem vormaligen Wegzug laufen unverändert weiter. Ein Ansatz mit den fortgeschriebenen Buchwerten ist lediglich auf jene Fälle eingeschränkt, in denen es in der Vergangenheit (somit vor dem 1.1.2016) zur Anwendung des Nichtfestsetzungskonzeptes nach alter Rechtslage kam. Weist der Steuerpflichtige bei späterer Veräußerung nach, dass Wertsteigerungen im EU/EWR-Raum eingetreten sind, sind diese vom Veräußerungserlös abzuziehen, anderenfalls es aufgrund des Ansatzes mit den fortgeschriebenen Buchwerten zu einer Doppelbesteuerung kommen könnte.
Hinzuweisen ist darauf, dass das neue Ratenzahlungskonzept auch bei umgründungsbedingten Einschränkungen des österreichischen Besteuerungsrechts grundsätzlich anzuwenden ist (Ausnahme: Einbringung von Kapitalanteilen gem Art III UmgrStG).
Außerbetrieblicher Bereich
Das Konzept der Ratenzahlung wurde mit Einschränkungen auch auf den außerbetrieblichen Bereich (Kapitalvermögen) erstreckt. Das bisherige antragsgebundene Nichtfestsetzungskonzept (Aufschub der Besteuerung bis zur tatsächlichen Veräußerung) wurde für den tatsächlichen Wegzug einer natürlichen Person (Ansässigkeitswechsel) sowie für unentgeltliche Übertragungen an eine andere natürliche Person (zB Erbschaft, Vermächtnis, Schenkung) beibehalten, soweit die Einschränkung des Besteuerungsrechts gegenüber einem EU/EWR-Staat mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe erfolgt. Zur Festsetzung der Abgabenschuld kommt es beim „Nichtfestsetzungskonzept“ erst bei tatsächlicher Veräußerung. Der tatsächlichen Veräußerung gleichgestellt ist ein Wegzug des Steuerpflichtigen oder eine unentgeltliche Übertragung in einen Staat, der außerhalb des EU/EWR-Raumes mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe liegt.
In allen anderen Fällen, in denen es hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu EU/EWR-Staaten mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe kommt, gelangt auf Antrag künftig ebenfalls das für betriebliche Entstrickungsfälle vorgesehene Ratenzahlungskonzept (Festsetzung der Steuerschuld und Verteilung auf sieben Jahre) zur Anwendung. In der Praxis werden oftmals unentgeltliche Übertragungen auf Stiftungen/Trusts innerhalb des EU/EWR-Raumes (zB Liechtenstein) zukünftig vom Ratenzahlungskonzept erfasst sein. Erfolgt eine Veräußerung innerhalb des Ratenzahlungszeitraumes oder scheidet das Wirtschaftsgut auf sonstige Art aus dem EU/EWR-Raum mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe später aus sind noch offene Raten sofort fällig zu stellen.
In Fällen des Wiedereintrittes in das österreichische Besteuerungsrecht ist zwischen dem Nichtfestsetzungs- und Ratenzahlungskonzept zu differenzieren. Beim Nichtfestsetzungskonzept sind die Wirtschaftsgüter mit den ursprünglichen Anschaffungskosten anzusetzen, höchstens aber mit dem gemeinen Wert im Zuzugszeitpunkt (ein Import von im Ausland tatsächlich berücksichtigen Wertverlusten ist daher nicht möglich). Wurde das Ratenzahlungskonzept in Anspruch genommen ist das entsprechende Wirtschaftsgut mit dem gemeinen Wert anzusetzen („step-up“).