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TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL 1 Ertragsteuern wts journal Juli 2023 # 02/23 Mandanteninformation wts.com/de TAX Referentenentwurf eines Wachstumschancengesetzes Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Novellierung eines GrEStG Keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen für Messestände bei Produktionsunternehmen Personengesellschaft als umsatzsteuerliche Organgesellschaft Kursverluste bei Fremdwährungsdarlehen nicht von § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG a.F. erfasst Veröffentlichung der Verwaltungsgrund sätze Verrechnungspreise 2023 Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission für ein EU weites vereinfachtes Quellensteuerverfahren LEGAL 5 jähriges Jubiläum der DSGVO – Auswirkung auf die arbeitsrechtliche Praxis ADVISORY Der Einfluss von „Managerial Overconfidence“ auf M&A Transaktionen Sustainable Corporate Governance – Neue Pflichten für den Aufsichtsrat DIGITAL Digitalisierung als Chance für die Zollfunktion im Unternehmen

Inhalt TAX Steuerpolitik a Referentenentwurf eines Wachstumschancengesetzes b Referentenentwurf eines Mindestbesteuerungsrichtlinie Umsetzungsgesetzes („Pillar Two“) c Referentenentwurf eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes( ZuFinG) d Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Novellierung des GrEStG (GrEStNG) 1 Ertragsteuern a Keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen für Messestände bei Produktionsunternehmen b Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Leistungen im Rahmen eines Sponsoringvertrags c Anforderungen an Gutachten in Sachen kürzere AfA bei Gebäuden d Handelsbilanzielles Beibehaltungswahlrecht gilt auch für die steuerbilanzielle Rückstellungsbewertung e Ertragsteuerliche Behandlung von Genussrechtskapital f Aussetzung der Vollziehung von auf § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG gestützten Bescheiden g Wegfall der Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten – Anwendung für noch offene Veranlagungszeiträume h Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Mietaufwendungen bei Messe , Ausstellungs und Kongressveranstalterbetrieben i BMF Entwurf zur Einzelwertberichtigung (EWB) von Kundenforderungen bei Kreditinstituten j Verlustausgleichs und abzugsbeschränkung bei Zins Währungsswaps k Steuerschädliche Vorbehalte in Bezug auf eine Pensionszusage 2 Umsatzsteuer a Personengesellschaft als umsatzsteuerliche Organgesellschaft Seite 6 12 14 16 17 18 19 20 22 24 24 25 26 26 27 28 b Rs. C‑282/22 – Aufladen von Elektrofahrzeugen als umsatzsteuerrechtliche Lieferung von Strom c Keine Bankenhaftung nach § 13c UStG bei innerhalb der Kreditlinie geführtem Kontokorrentkonto d Umsatzsteuerliche Behandlung von Reihengeschäften e Rs. C-516/21 – Steuerbefreiung der Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen Themenspecial Obligatorische elektronische Rechnung für inländische B2B-Umsätze und deren Erfassung in einem transaktionalen Meldesystem 3 Grunderwerbsteuer a Ländererlasse zur Anwendung von § 6a GrEStG b Zurechnung von Grundstücken inländischer GmbHs zu einer US-amerikanischen Muttergesellschaft c Zurechnung von Grundstücken bei Vereinbarungstreuhand mit Verwertungsbefugnis des Auftraggebers 4 Erbschaft-/Schenkungsteuer a Geleistete Anzahlungen gehören grundsätzlich nicht zu den Finanzmitteln b Erbfallkostenpauschale bei Vor- und Nacherbschaft 5 Lohnsteuer/Sozialversicherung a Einheitliche Entschädigung bei mehreren Teilleistungen aufgrund Arbeitsplatzverlusts b Weiträumiges Tätigkeitsgebiet – Vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer festgelegten Fläche c Aktualisierte FAQ zur Energiepreispauschale d FAQ zur Inflationsausgleichsprämie e Pflegereform beschlossen f Geänderte Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug ab dem 01.07.2023 (Entwürfe) Seite 29 30 32 33 34 37 38 40 41 42 43 44 45 46 47 47 wts journal | # 2 | Juli 2023 2

6 Abgabenordnung Anzeigen über die Erwerbstätigkeit nach § 138 Abs. 1 und 1b AO – Steuerliche Erfassung von Betreiberinnen und Betreibern bestimmter kleiner Photovoltaikanlagen 7 Energiesteuer a Einführung des CBAM – Was Unternehmen beachten sollten b Stromsteuer und PV-Anlagen – Neues Informationsschreiben der Generalzolldirektion 8 Zoll Entwurf für die umfassendste Reform der Zollunion seit ihrer Gründung in 1968 9 Internationales a Deutschland: Kursverluste bei Fremdwährungsdarlehen nicht von § 8b Abs. 3 Satz 4 KStG a.F. erfasst b Deutschland: Veröffentlichung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 c Deutschland: Entfallen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG bei nur vorübergehender Abwesenheit unabhängig von Rückkehrabsicht d Deutschland: Bedeutung des OECDMusterkommentars für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen Themenspecial Pillar Two – Weitere Guidance der OECD e EU: Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission für ein EU-weites vereinfachtes Quellensteuerverfahren f Indien: Erhöhung der Quellensteuer auf Vergütungen für technische Dienstleistungen g Mexiko: Ratifizierung Mexikos zum OECD-Multilateralen Instrument (MLI) h Österreich: Highlights aus der Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2023 i Österreich: Progressionsvorbehalt für Nicht-Ansässige ab Veranlagung 2023 Seite 48 48 50 51 53 55 57 59 60 66 68 68 69 70 LEGAL Arbeitsrecht a 5-jähriges Jubiläum der DSGVO – Auswirkung auf die arbeitsrechtliche Praxis b Entgelttransparenzgesetz und Lohntransparenzrichtlinie – Auswirkung auf die arbeitsrechtliche Praxis ADVISORY 1 Financial Advisory a Der Einfluss von „Managerial Overconfidence“ auf M&A-Transaktionen b IASB führt temporäre Ausnahme bei latenten Steuern im Zusammenhang mit Ertragsteuern der OECD-Pillar Two-­ Regeln ein c Aktuelle Aspekte zu Fairness Opinions für die Absicherung unternehmerischer Entscheidungen durch Vorstände und Aufsichtsräte d Die Rolle von ESG im Sanierungsgutachten e IDW Stellungnahme zum Diskussionsentwurf des Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (MinStG-E) f Die formelle Prüfung der Angaben zur Frauenquote als Bestandteil der Erklärung zur Unternehmensführung (IDW EPS 351 (02.2023)) g IDW-Prüfungsstandard zur Prüfung von KI-Systemen (IDW PS 861 (03.2023)) h Country by Country Reporting (CbCR) zur Schaffung von Transparenz über Ertragsteuerinformationen 2 Risk & Compliance a Sustainable Corporate Governance – Neue Pflichten für den Aufsichtsrat b ISSB arbeitet an der internationalen Anwendbarkeit der SASB Standards DIGITAL a Digitalisierung als Chance für die Zollfunktion im Unternehmen b Technische Anforderungen an einen systemgestützten Pillar Two-Prozess Seite 71 72 73 74 75 76 77 78 80 81 82 83 84 86 wts journal | # 2 | Juli 2023 3

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL 1 Ertragsteuern ViDA – Modernisierung & Digitalisierung der Umsatzsteuer Nils Bleckmann → RA/StB WTS Partner ← Martin Keuschnik WTS Partner 1. Welle ViDA › Wegfall Zustimmungserfordernis zur elektronischen Rechnungsstellung › Möglichkeit, die Ausstellung elektronischer Rechnungen in bestimmten Fällen vorzusehen 2. Welle ViDA › Signifikante weitere Änderungen, z. B.: − Erweiterung der Meldemöglichkeiten mittels der One-Stop-ShopRegelungen, − Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger in einer Vielzahl von Fällen, − Erweiterte Einbeziehung von Online-Marktplätzen in die Steuererhebung 3. Welle ViDA › Verpflichtende elektronische Rechnungsstellung › Abschaffung der Möglichkeit, Sammelrechnungen zu erstellen › Erweiterte digitale Meldepflichten bei innergemeinschaftlichen Umsätzen › Optionale Meldepflichten für nationale Geschäftsvorfälle 2024 2025 2028

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL 1 Ertragsteuern Liebe Leserinnen, liebe Leser, am 08.12.2022 hat die Europäische Kommission eine Reihe von Vorschlägen zur Reform des Mehrwertsteuersystems vorgestellt. Der Gesetzesvorschlag trägt den Namen „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“, geläufiger aber ist die englische Bezeichnung „ViDA“ (VAT in the Digital Age). Ziel ist es, das Mehrwertsteuersystem effizienter und betrugsresistenter zu machen und hierfür grundlegend auf die Digitalisierung zu setzen. Der Richtlinienentwurf sieht drei zentrale Maßnahmenbereiche („Säulen“) vor: › Die zwingende Einführung der elektronischen Rechnungsstellung für bestimmte Geschäftsvorfälle und damit einhergehend die Einführung digitaler Meldepflichten gegenüber der Steuerverwaltung, › das Konzept einer sog. „einzigen MwStRegistrierung“ zur Vermeidung einer Vielzahl lokaler Registrierungen in den Mitgliedstaaten, sowie › die Ausweitung der Lieferkettenfiktion bei Online-Marktplätzen, u.a. im Bereich der kurzzeitigen Vermietung von Übernachtungsmöglichkeiten oder bei der Erbringung von Personenbeförderungsleistungen. Einerseits können die ab dem Jahr 2025 beginnenden Maßnahmen im Zusammenhang mit der Vermeidung bzw. Reduzierung von umsatzsteuerrechtlichen Registrierungen im EU-Ausland für Unternehmen tatsächlich zu Erleichterungen und Kosteneinsparungen führen. Kernelemente sind die Ausweitung des sog. Reverse-Charge-Verfahrens sowie die Erweiterung der bestehenden Meldesysteme der einzigen Anlaufstelle (sog. One-Stop-Shops). Diese Änderungen sollen u.a. auch die Erfüllung der Meldepflichten angesichts der europaweit zum 31.12.2025 endgültig auslaufenden Konsignationslagerregelung (Art. 17a MwStSystRL bzw. § 6b UStG) vereinfachen. Die Komplexität der vorgeschlagenen Änderungen erfordert jedoch eine detaillierte Analyse der Geschäftsvorfälle, um festzustellen, ob die Möglichkeit besteht, in den Genuss dieser Vereinfachungen zu kommen, und wie sich dies im Hinblick auf anderweitige Geschäftsaktivitäten vor Ort auswirkt, z.B. im Hinblick auf die Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen. Andererseits wird sich aus der Ausweitung der Digitalisierung auch erheblicher Umstellungsbedarf ergeben. Ab 2024 könnten die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Rechnungen elektronisch auszustellen sind. Ab dem Jahr 2028 soll die elektronische Rechnungsstellung den Standard und andere Rechnungsformen nur noch die Ausnahme bilden. Eine Zustimmung des Kunden zum Erhalt einer elektronischen Rechnung wäre bereits ab dem Jahr 2024 entbehrlich. Ferner sollen ab dem Jahr 2028 die Rechnungen für innergemeinschaftliche Lieferungen und sonstige grenzüberschreitende B2B-Umsätze, die dem Übergang der Steuerschuldnerschaft unterliegen, innerhalb von zwei Werktagen nach Ausführung des Umsatzes auszustellen sein. Zu diesem Zeitpunkt soll auch die Zusammenfassende Meldung durch ein digitales Meldeverfahren ersetzt werden: Spätestens vier Werktage nach Ausführung des Umsatzes wäre sodann u.a. jede einzelne innergemeinschaftliche Lieferung und grenzüberschreitende Dienstleistung gesondert an die Steuerbehörden zu melden. Die Meldepflichten treffen aber nicht nur den Leistenden, sondern können zusätzlich auch für dessen Kunden gelten. Insbesondere in Deutschland käme es neben der weitreichenden Einführung von elektronischen Rechnungen und verkürzten Fristen für deren Ausstellung auch zu extrem kurzfristigen Meldepflichten gegenüber den Finanzbehörden. Die Finanzverwaltung hat aber auch bereits den klaren Willen geäußert, über den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Mindestumfang hinauszugehen: Ab dem 01.01.2025 soll für im Inland steuerpflichtige Geschäftsvorfälle zwischen Unternehmern die elektronische Rechnungsstellung verpflichtend vorgesehen werden und bereits avisiert wurde ein transaktionales Meldeverfahren auch für inländische Umsätze. Die geplanten Änderungen bei der Rechnungsstellung haben zwischenzeitlich bereits Eingang in einen Referentenentwurf des sog. Wachstumschancengesetz gefunden. Für den Großteil der Unternehmen wäre der Umstellungsbedarf signifikant. Unternehmen müssten u.a. sicherstellen, dass ihre Datenlage eine derart kurzfristige Rechnungsstellung erlaubt und diese in ihren IT-Systemen in elektronischer Form erstellt werden kann. Ferner wäre auch die erforderliche Empfangsbereitschaft für eingehende elektronische Rechnungen sicherzustellen. Zusätzlich müsste dann noch die IT-seitige Anpassung für die Übermittlung der digitalen Meldungen an die Finanzverwaltung sichergestellt werden. Für einen „ViDA readiness check“ stehen wir Ihnen mit unseren Spezialisten von Indirect Tax und WTS Digital gerne zur Seite. Sprechen Sie uns gerne darauf an! Ihr Nils Bleckmann, Ihr Martin Keuschnik wts journal | # 2 | Juli 2023 5

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL Steuerpolitik Am Abend des 14.07.2023 hat das BMF den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) veröffentlicht und an die Verbände geschickt. Zwei Tage zuvor hatte bereits ein nahezu inhaltsgleicher Entwurf dazu die Runde gemacht. Um den Herausforderungen der deutschen Wirtschaft durch aktuelle Krisen, der Dekarbonisierung und dem demographischen Wandel begegnen zu können, müssten laut BMF auch aus steuerlicher Sicht die Rahmenbedingungen für mehr Wachstum, Investitionen und Innovationen verbessert werden. Mit dem Gesetz sollen zielgerichtete Maßnahmen ergriffen werden, die die Liquiditätssituation der Unternehmen verbessern und Impulse setzen, damit Unternehmen dauerhaft mehr investieren und mit unternehmerischem Mut Innovationen wagen können. Dies sei wichtig, um die Transformation der Wirtschaft zu begleiten sowie die Wettbewerbsfähigkeit, die Wachstumschancen und den Standort Deutschland zu stärken. Daneben würden Maßnahmen ergriffen, um das Steuersystem an zentralen Stellen zu vereinfachen und durch Anhebung von Schwellenwerten und Pauschalen vor allem kleine Betriebe von Bürokratie zu entlasten. Zudem würden Maßnahmen umgesetzt, die dazu beitragen, unerwünschte Steuergestaltungen aufzudecken und abzustellen und damit das Vertrauen in den Staat stärken. Darüber hinaus werde das Steuerrecht im Rahmen des im Koalitionsvertrag Vereinbarten weiter modernisiert. Inhaltlich sollen Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumschancen der Wirtschaft u.a. durch folgende Maßnahmen gestärkt werden: › Einführung einer gewinnunabhängigen steuerlichen Investitionsprämie in Ergänzung zu den bestehenden Projektförderungen für begünstigte Klimaschutz-Investitionen i.S.v. Energieeffizienz-Investitionen in Höhe von 15 % der begünstigten Aufwendungen (Gesetz zur steuerlichen Förderung von Investitionen in den Klimaschutz). Gefördert werden Investitionen in neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sowie in bestehende bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die zu nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen. Voraussetzung ist, dass diese in einem Energiesparkonzept oder Energiemanagementsystem enthalten sind. Die Bemessungsgrundlage ist auf € 200 Mio. begrenzt. Die Investitionsprämie beträgt daher insgesamt höchstens € 30 Mio. im Förderzeitraum. Die Investition ist begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem Tag der Verkündung des Gesetzes und vor dem 01.01.2028 begonnen und abgeschlossen hat oder nach dem 31.12.2027 abschließt, soweit vor dem 01.01.2028 Teilherstellungskosten entstanden oder Anzahlungen auf Anschaffungskosten geleistet werden. Solche Teilherstellungskosten oder Anzahlungen sind noch förderfähig. Ab dem Zeitpunkt der Festsetzung der Investitionsprämie sind die Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG von den insoweit um die Investitionsprämie geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzunehmen. Ein weiterer Ausbau der Investitionsprämie soll geprüft werden. Referentenentwurf eines Wachstumschancengesetzes vom 14.07.2023 Hintergrund a | Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) | Autor: RA/StB Dr. Martin Bartelt, München Key Facts › Das BMF hat den Referentenentwurf eines Wachstumschancengesetzes veröffentlicht und an die Verbände geschickt. › Darin enthalten sind zahlreiche und umfangreiche steuerliche Maßnahmen, die den Zielen „Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumschancen“, „Vereinfachung“, „Modernisierung“ sowie der „Steuerfairness“ zugeordnet werden. › Zeitlich wird ein Beschluss im Bundeskabinett am 16.08.2023 angestrebt. Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumschancen Investitionsprämie wts journal | # 2 | Juli 2023 6

› Stärkung der steuerlichen Forschungsförderung, insbesondere durch Ausweitung der förderfähigen Aufwendungen auf für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben erforderliche und unerlässliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Erhöhung des förderfähigen Anteils der Kosten von Auftragsforschung auf 70 %. Die maximal förderfähige Bemessungsgrundlage von bisher € 4 Mio. wird verdreifacht auf € 12 Mio. ab dem 01.01.2024 (§ 3 FZulG-E). Vorgesehen ist auch die Möglichkeit der Berücksichtigung der Forschungszulage im Rahmen des Vorauszahlungsverfahrens ab dem 01.01.2024 (§ 10 FZulG-E). › Verbesserung des steuerlichen Verlustabzugs, d.h. zum einen durch die Erweiterung des Verlustrücktrags bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf drei Jahre sowie die dauerhafte Beibehaltung des Höchstbetrags von € 10 Mio. bzw. € 20 Mio. bei Zusammenveranlagung ab dem VZ 2024 (§ 10d EStG-E) und zum anderen – unter Einbezug auch der gewerbesteuerlichen Regelung – durch eine befristete Aussetzung der sog. Mindestgewinnbesteuerung von 2024 bis 2027 und ab 2028 eine Anhebung des Sockelbetrags beim Verlustvortrag auf € 10 Mio. bzw. € 20 Mio. bei Zusammenveranlagung (§ 10d EStGE und § 10a GewStG-E). Zur Aussetzung der Mindestgewinnbesteuerung enthält der Referentenentwurf den Hinweis, dass die konkrete Höhe der verbesserten Verlustverrechnung in der Ressortabstimmung noch geeint werden müsse. › Verbesserungen bei den Sofortabschreibungen geringwertiger Wirtschaftsgüter und den Abschreibungsmöglichkeiten zu den Sammelposten durch Anhebung der Betragsgrenzen für geringwertige Wirtschaftsgüter von € 800 auf € 1.000 und für Sammelposten von € 1.000 auf € 5.000 sowie Senkung der Auflösungsdauer der Sammelposten auf drei Jahre für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden (§ 6 Abs. 2 und Abs. 2a EStG-E). › Anhebung der Sonderabschreibung nach § 7g EStG-E für Betriebe, die die Gewinngrenze von € 200.000 im Jahr vor der Investition nicht überschreiten, von derzeit 20 % der Investitionskosten auf 50 % der Investitionskosten für nach dem 31.12.2023 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter. › Maßnahmen zur Verbesserung der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG-E) ab dem VZ 2025. Insbesondere wird die Thesaurierungsbegünstigung durch eine Reihe von Maßnahmen auch für diejenigen Unternehmer eröffnet, deren Einkünfte nicht dem Spitzensteuersatz unterliegen: Der begünstigungsfähige Gewinn wird um die gezahlte Gewerbesteuer und die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer nach § 34a Abs. 1 EStG-E entnommen werden, erhöht. Damit soll künftig ein höheres Thesaurierungsvolumen zur Verfügung stehen. Die Verwendungsreihenfolge wird verbessert, so Forschungsförderung Verlustverrechnung Sofortabschreibungen/ Sammelposten Sonderabschreibung nach § 7g EStG Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL Steuerpolitik wts journal | # 2 | Juli 2023 7

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL Steuerpolitik dass steuerfreie und tarifbesteuerte Gewinne, die im Unternehmen belassen wurden, vorrangig entnommen werden können. Dies soll für solche steuerfreien und tarifbesteuerten Gewinne gelten, die nach dem 31.12.2023 im Unternehmen belassen wurden. Darüber hinaus soll Gestaltungsmodellen entgegengetreten werden, die der Zielsetzung der Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG entgegenlaufen. Ab dem VZ 2025 soll die Berücksichtigung der Thesaurierungsbegünstigung bereits im Vorauszahlungsverfahren möglich sein (§ 37 Abs. 3 EStG-E). › Steigerung der Attraktivität der Option zur Körperschaftsbesteuerung (§ 1a KStG-E). U.a. soll der Anwendungsbereich auf alle Personengesellschaften ausgeweitet werden, damit künftig auch insbesondere GbRs optieren können. Zudem soll die zeitliche Regelung zur Antragstellung angepasst werden, sodass auch in Neugründungsfällen eine Optionsausübung möglich wird. Auch soll die steuerneutrale Ausübung der Option nicht allein dadurch ausgeschlossen werden, dass Sonderbetriebsvermögen in Form einer funktional wesentlichen Beteiligung an einer Komplementärin einer optierenden Kommanditgesellschaft (i.d.R. eine zu Null Prozent beteiligte GmbH) nicht in die optierende Gesellschaft eingebracht wird. Auch in Bezug auf die Ausschüttungsfiktion soll eine Anpassung dahingehend erfolgen, dass thesaurierte Gewinne grundsätzlich so lange nicht als ausgeschüttet gelten, bis sie entnommen werden. Eine besondere zeitliche Anwendungsregelung ist in Bezug auf die Änderungen nicht vorgesehen, so dass sie nach dem bisherigen § 34 Abs. 1 KStG sogar rückwirkend ab dem VZ 2022 gelten könnten. Unter dem Aspekt der Vereinfachung des Steuersystems sollen u.a. folgende Maßnahmen getroffen werden: › Anhebung der Grenzen für die Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger (§ 141 AO-E) sowie der Aufbewahrungspflicht bei Überschusseinkünften (§ 147a AO-E). › Einführung einer Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von € 1.000 ab dem 01.01.2024 (§ 3 Nr. 73 EStG-E). › Anhebung der Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte von aktuell € 600 auf € 1.000 (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG-E). › Erhöhung der Freigrenze für den Quellensteuereinbehalt bei Vergütungen für Rechteüberlassungen von € 5.000 auf € 10.000 (§ 50c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG-E). › Verzicht auf die Besteuerung der Soforthilfe Dezember (ErdgasWärme-Soforthilfegesetz – EWSG) angesichts der Vollzugsaufwände der Finanzverwaltung und der zu erwartenden Steuermehreinnahmen durch ersatzlose Streichung der §§ 123 bis 126 EStG. › Anhebung der Abzugsgrenze für Geschenke von € 35 auf € 50 für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG-E). › Anhebung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen von € 28 auf € 30 und von € 14 auf € 15 ab dem 01.01.2024 (§ 9 Abs. 4a Satz 3 EStG-E). › Anhebung des Freibetrags für Zuwendungen an Arbeitnehmer im Rahmen von Betriebsveranstaltungen ab dem 01.01.2024 von € 110 auf € 150 (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 3 EStG-E). › Vereinfachung der Berechnung der Lohnsteuer im Zusammenhang mit tarifermäßigt zu besteuerndem Arbeitslohn durch Abschaffung der sog. Fünftelregelung im LohnsteuerAbzugsverfahren ab dem 01.01.2024 (Aufhebung von § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG). Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung bleibt die Fünftelregelung weiterhin anwendbar. › Streichung der € 100-Grenze als Voraussetzung für die Pauschalierung der Beiträge für eine Gruppenunfallversicherung mit einem Pauschsteuersatz von 20 % (§ 40b Abs. 3 EStG-E). Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG Vereinfachung des Steuersystems Buchführungs- und Aufbewahrungspflichtgrenzen Freigrenze für Vermietung und Verpachtung Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte Freigrenze für Quellensteuereinbehalt Keine Besteuerung der Soforthilfe Dezember Abzugsgrenze für Geschenke Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen Freibetrag bei Betriebsveranstaltungen Lohnsteuer-Abzugsverfahren ohne sog. Fünftelregelung Pauschalierung für Gruppenunfallversicherung wts journal | # 2 | Juli 2023 8

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TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL Steuerpolitik › Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht von nach Deutschland einpendelnden Arbeitnehmern, die ihre Tätigkeit nicht im Inland, sondern an einem anderen Ort im ausländischen Ansässigkeitsstaat oder einem Drittstaat – typischerweise im Homeoffice oder im Wege des mobilen Arbeitens (Ferienwohnung, Dienstreise) – ausüben, um ggf. abkommensrechtliche Bagatellregelungen nutzbar und eine Aufteilung zwischen Ansässigkeitsstaat und Tätigkeitsstaat (hier: Deutschland) entbehrlich zu machen (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a Satz 2 EStG-E). Die Regelung soll erstmals auf Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit anzuwenden sein, die nach dem 31.12.2023 zufließen. › Anhebung der Grenze für die umsatzsteuerliche Ist-Besteuerung (Möglichkeit der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten statt vereinbarten Entgelten) nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG-E von € 600.000 auf € 800.000 ab dem 01.01.2024. › Befreiung der Kleinunternehmer von umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten (§ 19 Abs. 1 Satz 4 UStG-E). › Erhöhung des Schwellenwerts zur Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und zur Entrichtung von Vorauszahlungen von € 1.000 auf € 2.000 ab dem 01.01.2024 (§ 18 UStG-E). › Vereinfachung des Meldeverfahrens für Kassen (§ 146a Abs. 4 AO-E). › Erhöhung der Nichtaufgriffsgrenze von € 600 auf € 5.000 in § 20 Abs. 7 ErbStG-E. › Vorantreiben der Digitalisierung des Spendenverfahrens durch Anpassung des Zuwendungsempfängerregisters. Unter dem Gesichtspunkt der Modernisierung des Steuerrechts sind u.a. folgende Maßnahmen vorgesehen: › Anpassung der Besteuerung von Renten aus der Basisversorgung durch Streckung des Anstiegs des Besteuerungsanteils je Kohorte, der Abschmelzung des Versorgungsfreibetrags und des Altersentlastungsbetrags ab dem 01.01.2023 (§ 22 Nr. 1 Satz 3, § 19 Abs. 2 Satz 3, § 24a Satz 5 EStG-E). › Anpassung der AO und anderer Steuergesetze an das MoPeG; besonders zu erwähnen ist hier die Änderung von § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO-E zur Klarstellung, dass bei der Besteuerung nach dem Einkommen das Gesamthandsprinzip ungeachtet der neuen Zivilrechtslage (ab 01.01.2024) weiterhin zu beachten ist. › Erweiterung der Vereinfachungsregelung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b Abs. 5 Satz 8 UStG-E). Auch die Förderung von Steuerfairness greift der Entwurf auf und sieht diesbezüglich u.a. folgende Maßnahmen vor: › Einführung einer Mitteilungspflicht bezogen auf innerstaatliche Steuergestaltungen (insbesondere §§ 138l bis 138n AO-E). Die Regelungen lehnen sich eng an die bisherige Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen an. Die den Intermediären neu auferlegten Mitwirkungspflichten sollen aber durch die Begrenzung der relevanten Gestaltungen und die Beschränkung des Kreises potenziell betroffener Nutzer durch § 138l Abs. 5 AO-E (Umsatzschwelle und Einkünfte bzw. Einkommensschwelle) in deutlich weniger Fällen als bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen zur Anwendung kommen. Die Regelungen sollen ab dem 01.01.2025 Anwendung finden; dann allerdings unter Einbeziehung auch solcher Fälle, in denen der erste Schritt einer mitteilungspflichtigen innerstaatlichen Steuergestaltung nach dem Tag nach der Gesetzesverkündung und vor dem erstmaligen Anwendungszeitpunkt umgesetzt wurde. › Verhinderung von Steuergestaltungen bei Immobilienfonds durch die Berücksichtigung von steuerlicher Vorbelastung. Die sog. ImmobilienTeilfreistellung bei Publikumsfonds, eine Steuerbefreiung für Erträge aus Immobilienfonds (60 % bei Inlands-/ 80 % bei Auslandsimmobilienfonds), soll künftig nur noch zur Anwendung Beschränkte Steuerpflicht von nach Deutschland einpendelnden Arbeitnehmern Grenze für umsatzsteuerliche Ist-Besteuerung Kleinunternehmer USt-Voranmeldungen und Vorauszahlungen Meldeverfahrens für Kassen Nichtaufgriffsgrenze in § 20 Abs. 7 ErbStG Digitalisierung des Spendenverfahrens Modernisierung des Steuerrechts Besteuerung von Renten Anpassungen wegen MoPeG Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers Steuerfairness Mitteilungspflicht bezogen auf innerstaatliche Steuergestaltungen Immobilienfonds wts journal | # 2 | Juli 2023 10

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL Steuerpolitik kommen, wenn die betreffenden Einkünfte des Investmentfonds einer steuerlichen Vorbelastung unterlegen haben (§ 20 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 9a InvStG-E). Zudem soll auch die vergleichbare Steuerbefreiung für über Spezial-Investmentfonds bezogene Erträge, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Besteuerung auszunehmen wären (§ 43 Abs. 1 InvStG), von einer steuerlichen Vorbelastung auf Ebene des Investmentfonds abhängig gemacht werden (subjectto-tax). Hintergrund der Gesetzesanpassungen sind – ausweislich der Begründung des Entwurfs – Investitionen in finnische Immobilien, die dort keiner steuerlichen Belastung unterlegen haben. › Verhinderung von weiteren (vermeintlichen) Steuergestaltungen bei Investmentfonds. Auf Ebene von Investmentfonds sollen Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen an Immobiliengesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, die überwiegend in deutsche Immobilien investiert sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. cc EStG), künftig der Steuerpflicht unterliegen. Dabei ist auf Ebene der Investmentfonds keine Steuerbefreiung nach § 8b KStG anwendbar. Da jedoch sowohl die laufenden Mieteinnahmen als auch eine spätere Veräußerung der Immobilie bereits auf Ebene der Immobiliengesellschaft der Besteuerung unterliegen, würde somit eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung erfolgen. Die weitere Entwicklung des Gesetzesvorhabens bleibt abzuwarten. › Einführung einer gesetzlichen Regelung zur verpflichtenden Verwendung von elektronischen Rechnungen ab dem 01.01.2025 (§ 14 UStG-E). Diese Verpflichtung soll allerdings nur in Bezug auf im Inland steuerpflichtige, aber auch bestimmte steuerbefreite Umsätze gelten, bei denen Leistender und Leistungsempfänger im Inland ansässig sind. Bis zum 31.12.2025 soll der leistende Unternehmer aus Vereinfachungsgründen zunächst noch auf andere Rechnungsformen als die elektronische Rechnung ausweichen können. In den Jahren 2026 und 2027 ausgeführte Umsätze sollen bis zum 31.12.2027 – anstelle der elektronischen Rechnungsstellung – auch weiterhin durch die Nutzung des EDI-Verfahrens abgerechnet werden können (§ 27 Abs. 39 UStG-E). › Umfassende Reform und Anpassung der Zinsschranke (§ 4h EStG-E) an die Vorgaben der ATAD-Richtlinie ab dem 01.01.2024. U.a. sollen sowohl die Konzernklausel (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG) als auch die EscapeKlausel für Eigenkapital (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG) gestrichen werden. Darüber hinaus soll die derzeit geltende Freigrenze i.H.v. € 3 Mio. künftig einen Freibetrag bilden. › Einführung einer Zinshöhenschranke (4l EStG-E) ab dem 01.01.2024. Zinsaufwendungen zwischen nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG sollen danach nicht abziehbar sein, soweit der vereinbarte Zinssatz den gesetzlich definierten Höchstzinssatz übersteigt. Flankiert wird diese Abzugsbeschränkung von einer speziellen Gegenbeweismöglichkeit sowie einer Substanzausnahme. Laut Begründung des Entwurfs sollen damit Gestaltungen unter Zwischenschaltung substanzloser Gesellschaften vermieden werden. Darüber hinaus sind noch folgende weitere Maßnahmen zu erwähnen: › Anpassung der sog. Nachspaltungsveräußerungssperre (§ 15 Abs. 2 Satz 2 ff. UmwStG-E). Für künftige Spaltungen sollen die Möglichkeiten zu steuerneutralen Spaltungen in Reaktion auf das BFH-Urteil vom 11.08.2021 (I R 39/18) wieder auf ihren ursprünglich vom Gesetzgeber intendierten Anwendungsbereich zurückgeführt werden. Dabei soll erstmals der Begriff der „außenstehenden Person“ i.S.d. § 15 Abs. 2 UmwStG sowie das Merkmal „Vorbereitung einer Veräußerung“ definiert werden. › Erhöhung der Unschädlichkeitsgrenze in Bezug auf die sog. erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags von Grundstücksunternehmen für bestimmte Einnahmen aus Stromlieferungen (aus dem Betrieb aus Anlagen Investmentfonds Verpflichtende elektronische Rechnungen Reform der Zinsschranke (§ 4h EStG) Neue Zinshöhenschranke (4l EStG-E) Weitere Maßnahmen Nachspaltungsveräußerungssperre bei Spaltungen Erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags wts journal | # 2 | Juli 2023 11

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL Steuerpolitik zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, Betrieb von Ladestationen für E-Fahrzeuge oder E-Fahrräder (§ 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b GewStG-E) von 10 % auf 20 %. Die Erhöhung soll bereits ab dem Erhebungszeitraum 2023 Anwendung finden. › Verbesserung der Investitionsmöglichkeiten von Investmentfonds durch den Betrieb von Anlagen im Bereich der erneuerbaren Energien. Danach sollen Spezial-Investmentfonds künftig bis zu 20 % ihrer Einnahmen aus dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien oder aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge erzielen dürfen, ohne damit gegen die steuerlichen Anlagebestimmungen des § 26 InvStG zu verstoßen. › Schaffung einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage zur Teilnahme an internationalen Risikobewertungsverfahren (§ 89b AO-E). Damit soll sowohl klar zum Ausdruck gebracht werden, dass solche internationalen Risikobewertungsverfahren mit deutscher Beteiligung möglich sind, als auch im Sinne von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ein Rahmen für Voraussetzungen, Abläufe und die rechtliche Einordnung der Ergebnisse gesetzt werden. Die Regelung lehnt sich an die bestehenden Verfahren ICAP und ETACA an, bleibt aber offen für andere Verfahren. › Umsetzung der Vorgaben der EUAmtshilferichtlinie zu Joint Audits (§ 12 EU-Amtshilfegesetz-E „Gleichzeitige Prüfung“ und § 12a EUAmtshilfegesetz-E „Gemeinsame Prüfung“). Die Verbände sind nun zur Stellungnahme bis zum 25.07.2023 aufgerufen. Angesichts des großen Umfangs des Entwurfs sowie der Fülle und Komplexität der Regelungen erscheint diese Frist völlig unangemessen. Hintergrund des Zeitdrucks ist dem Vernehmen nach, dass der 16.08.2023 als Termin für den Beschluss im Bundeskabinett vorgesehen ist. Investmentfonds und erneuerbare Energien Internationale Risikobewertungsverfahren Joint Audits Ihr Kontakt RA/StB Dr. Martin Bartelt, München, martin.bartelt@ wts.de Am 10.07.2023 hat das BMF den seit Wochen erwarteten Referentenentwurf (RefE) – Stand: 07.07.2023 – zum Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (MinBestRL-UmsG) veröffentlicht. Mit dem RefE geht das BMF einen weiteren Schritt in Richtung der Umsetzung der globalen Mindeststeuer („Pillar Two“). Die Verbände haben nun bis zum 21.07.2023 Zeit zur Stellungnahme. Der RefE enthält nicht nur den Entwurf eines Mindeststeuergesetzes (MinStG-E), sondern auch für die Konzernpraxis wichtige Vorschläge zur Begrenzung der Hinzurechnungsbesteuerung und zur Abschaffung der Lizenzschranke. Zunächst bringt der RefE umfangreiche sprachliche Änderungen und Definitionen mit sich, wie beispielsweise die Anpassung der Definition für die Ausgangsgröße zur Ermittlung des Mindeststeuergewinns oder -verlusts nach § 15 Abs. 1 Satz 1 MinStG-RefE. Insbesondere enthält der (gegenüber dem Diskusb | Referentenentwurf eines Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes („Pillar Two“) | Autoren: RA/StB Dr. Ernst-August Baldamus und RAin/StBin Kelly Schulden, LL.M., beide München Key Facts › Das BMF hat den Referentenentwurf eines Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (MinBestRL-UmsG) zur Umsetzung von Pillar Two veröffentlicht. Die Verbände haben bis zum 21.07.2023 Zeit zur Stellung- nahme. › Erweiterung des darin enthaltenen Entwurfs eines Mindeststeuergesetzes (MinStG-E) von 89 auf 95 Paragraphen, Einführung von Ausgleichsansprüchen sowie Vereinfachung bei der Einkommensermittlung. › Erstmals Begleitmaßnahmen, die auch andere Steuergesetze betreffen, u.a. Abschaffung Lizenzschranke (§ 4j EStG) und Absenkung der Niedrigsteuergrenze (§ 8 Abs. 5 AStG). Hintergrund wts journal | # 2 | Juli 2023 12

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL Steuerpolitik sionsentwurf von 89 auf 95 Paragraphen und 286 Seiten angewachsene RefE) aber folgende wichtige Neuerungen: › Die Geschäftseinheiten, deren Ergänzungssteuerbeträge dem Gruppenträger zugerechnet werden, sind der die Mindeststeuer zahlenden Geschäftseinheit gegenüber zum Ausgleich der auf sie entfallenden und von der zahlenden Geschäftseinheit gezahlten Anteile an der Mindeststeuer verpflichtet. Der Gruppenträger ist den Geschäftseinheiten zum Ausgleich der auf sie jeweils entfallenden Steuererstattung verpflichtet. Ausgleichsansprüche erhöhen oder mindern das Einkommen nach dem Einkommensteuergesetz oder Körperschaftsteuergesetz nicht. › Mit den in den §§ 35 und 36 MinStG-E eingeführten Wahlrechten ermöglicht der Gesetzgeber den betroffenen Geschäftseinheiten den Mindeststeuergewinn vereinfacht zu berechnen. In diesem Rahmen kann auf Antrag die Kürzung sowohl von Portfoliodividenden (§ 35 MinStG-E) als auch von sog. qualifizierten Gewinnen oder Verlusten aus Eigenkapitalbeteiligungen (§ 36 MinStG-E) verzichtet werden. Beide Wahlrechte gelten einheitlich für fünf Jahre und sind einheitlich auszuüben. › Weitere Neuerrungen ergeben sich im Rahmen der Übergangsregelungen bei gemischten Hinzurechnungsbesteuerungsregimen, der Vortragsmöglichkeit und Anrechnung des Steuererhöhungsbetrags gem. § 43 MinStG-E sowie bei der Bezifferung der Geldbuße nicht ordnungsgemäßer Übermittlung des Mindeststeuerberichts auf bis zu € 30.000 (§ 92 MinStG-E). Der Referentenentwurf enthält darüber hinaus erstmals wichtige Begleitmaßnahmen, die sich auf andere Steuergesetze beziehen: › Die Niedrigsteuergrenze im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung soll von derzeit 25 % auf 15 % abgesenkt werden. Dadurch soll eine erhebliche Vereinfachung und Entbürokratisierung erreicht werden. Außerdem soll ein Gleichlauf zwischen Hinzurechnungsbesteuerung und globaler effektiver Mindestbesteuerung (15 %) mit Blick auf die Besteuerung ausländischer Tätigkeiten erreicht werden. › Die Hinzurechnungsbesteuerung soll eine Verlagerung von inländischen Einkünften ins niedrig besteuerte Ausland verhindern. Die hinzuzurechnenden niedrig besteuerten passiven Einkünfte von ausländischen Tochtergesellschaften unterliegen nicht nur der ESt/KSt, sondern infolge einer ab VZ 2017 greifenden gesetzlichen Fiktion auch der Gewerbesteuer. § 7 Satz 1 und 7 ff. GewStG war die Reaktion des Gesetzgebers auf ein unliebsames BFH-Urteil vom 11.03.2015 (AZ: I R 10/14). Dort hatte der BFH geurteilt, dass es sich beim Hinzurechnungsbetrag um einen Teil des Gewerbeertrags eines inländischen Unternehmens handele, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfalle und der daher nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG zu kürzen sei. Mit der Einführung der globalen Mindestbesteuerung soll die Gewerbesteuerpflicht des Hinzurechnungsbetrages nun wieder abgeschafft werden, was nur sachgerecht ist. › Die deutsche Lizenzschranke in § 4j EStG war eine isolierte Maßnahme des deutschen Gesetzgebers, um das BEPS-Projekt der OECD mit Wirkung ab VZ 2018 in deutsches Gesetz umzusetzen. Lizenzaufwendungen sind danach ungeachtet eines bestehenden DBA nur dann als Betriebsausgabe abziehbar, wenn die Einnahmen des nahestehenden Lizenzgläubigers nicht niedrig besteuert (25 %) sind. Auch hier überlappt sich der Anwendungsbereich der künftigen Mindeststeuer mit der bestehenden Lizenzschranke und die Abschaffung des § 4j EStG ist nur konsistent in der Sache und zur Begrenzung völlig überbordender Bürokratie geboten. Die Zeitplanung des BMF sieht vor, dass der Entwurf am 16.08.2023 durch das Bundeskabinett beschlossen und damit in den Bundestag eingebracht werden soll. Ausgleichansprüche innerhalb der Mindeststeuergruppe (§ 3 Abs. 6 MinStG-E) Vereinfachungen bei der Einkommensermittlung Sonstiges Begleitmaßnahmen Absenkung der Niedrigsteuergrenze in § 8 Abs. 5 AStG Ihr Kontakt RA/StB Dr. ErnstAugust Baldamus, München, ea.baldamus@ wts.de Abschaffung der Gewerbesteuerpflicht von Hinzurechnungsbeträgen Abschaffung der Lizenzschranke (4j EStG) wts journal | # 2 | Juli 2023 13

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL Steuerpolitik Anfang April 2023 veröffentlichten das BMF und das BMJ den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG). Deutschland benötige Investitionen in nahezu beispiellosem Umfang. Nur so könnten unter den sich verändernden Bedingungen unser Wohlstand gesichert und gleichzeitig Gesellschaft und Wirtschaft zügig auf Digitalisierung und Klimaschutz eingestellt werden. Es sei erforderlich, die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts zu stärken und die Attraktivität des deutschen Finanzstandorts als bedeutenden Teil eines starken Finanzplatzes Europa zu erhöhen. Insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) als Treiber von Innovation solle der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden. Das geplante Gesetz verfolgt hierbei einen umfassenden Ansatz: Neben finanzmarktrechtlichen Anpassungen und der Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts sollen auch die steuerrechtlichen Regelungen geändert werden. Durch verbesserte steuerliche Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung soll es jungen Unternehmen erleichtert werden, Mitarbeiter zu gewinnen und sich im internationalen Wettbewerb um Talente zu behaupten. Zudem soll die sog. dry-incomeProblematik für die Arbeitnehmer weiter entschärft werden. Aus steuerlicher Sicht sind dem Entwurf im Wesentlichen die folgenden Änderungen zu entnehmen, die am 01.01.2024 in Kraft treten sollen: Zu § 3 Nr. 39 EStG: › Anhebung des steuerlichen Freibetrags von € 1.440 auf € 5.000. › Nachversteuerung mit Abgeltungsteuersatz bzw. nach dem Teileinkünfteverfahren (bei Beteiligungen i.S.v. § 17 EStG), wenn Anteile innerhalb von drei Jahren veräußert oder unentgeltlich übertragen werden. › Beschränkung auf Fälle, in denen die Vermögensbeteiligungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden (Ausschluss von Entgeltumwandlungen). Zu § 19a EStG: › Lockerung der Zugangsbeschränkung auf Mitarbeiter von Unternehmen mit bis zu 500 anstatt wie bisher 250 Mitarbeiter, € 100 Mio. anstatt € 50 Mio. Jahresumsatz und € 86 Mio. anstatt € 43 Mio. Jahresbilanzsumme. › Erweiterung auf Fälle, in denen die Gesellschaftsanteile nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern den (Gründungs-)Gesellschaftern gewährt werden, und auf Weitergabe von Anteilen an Mutter-, Tochter- und Schwestergesellschaften. › Ausdehnung des Zeitraums für die unschädliche KMU-SchwellenwertÜberschreitung von zwei auf sieben Jahre. › Ausweitung des maßgeblichen Gründungszeitpunkts des Unternehmens von zwölf Jahren auf 20 Jahre vor dem Beteiligungszeitpunkt. › Finale Besteuerung nicht nach zwölf Jahre, sondern erst nach 20 Jahren. Die Verschiebung des BesteuerungsReferentenentwurf eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes c | Referentenentwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunfts- sichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG) | Autor: RA/StB Dr. Martin Bartelt, München Key Facts › Neben finanzmarktrechtlichen Anpassungen und der Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts sollen auch steuerrechtliche Regelungen geändert werden. › Die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts soll gestärkt und die Attraktivität des deutschen Finanzstandorts als bedeutender Teil eines starken Finanzplatzes Europa erhöht werden. › Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) als Treiber von Innovation soll der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden. › Aus steuerlicher Sicht sollen insbesondere die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung verbessert werden. Enthaltene steuerliche Maßnahmen Einkommensteuer wts journal | # 2 | Juli 2023 14

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL Steuerpolitik zeitpunkts soll auch für Vermögensbeteiligungen gelten, die vor 2024 übertragen werden bzw. wurden. › Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung mit einem Steuersatz von 25 % für alle Besteuerungstatbestände (Verkauf, Beendigung des Dienstverhältnisses, spätestens nach 20 Jahren). › Für die Besteuerungstatbestände „Ablauf von 20 Jahren“ und „Beendigung des Dienstverhältnisses“ soll künftig keine Besteuerung mehr stattfinden, wenn der Arbeitgeber auf freiwilliger Basis unwiderruflich erklärt, dass er die Haftung für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer übernimmt. In diesen Fällen soll erst der spätere Tatbestand „Verkauf“ eine Besteuerung auslösen. › Es soll sichergestellt werden, dass im Falle von sog. Leaver-Events (d. h. Rückerwerb der Anteile bei Verlassen des Unternehmens) für die Versteuerung nur die tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlte Vergütung maßgeblich ist, weil diese i.d.R. nicht den Verkehrswert widerspiegelt. Zu § 4 Nr. 8 UStG: › Ausdehnung der Steuerbefreiung in Buchstabe a („Gewährung und die Vermittlung von Krediten“) um die Verwaltung von Krediten und in Buchstabe g („Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze“) um die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber. › Erweiterung der Steuerbefreiung in Buchstabe h hinsichtlich der Verwaltungsleistungen von alternativen Investmentfonds (AIF) gem. § 1 Abs. 3 Kapitalanlagegesetzbuch. Bislang erfasst die Befreiung nur die Verwaltungsleistungen spezieller AIF, welche hierfür den gleichen Wettbewerbsbedingungen wie Investmentfonds im Sinne der OGAW-Richtlinie unterliegen müssen. In den ursprünglichen Eckpunkten für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz, welche am 29.06.2022 vorgestellt wurden (vgl. WTS Journal 03/2022), waren unter dem Aspekt „Förderung von Aktiensparen“ noch weitere steuerliche Änderungen angekündigt worden, die nun aber offenbar keinen Eingang in den Entwurf gefunden haben. Dies betrifft folgende ursprünglich angekündigte Maßnahmen: › Einführung eines Freibetrags für im Privatvermögen erzielte Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und von Aktienfondsanteilen. › Abschaffung des gesonderten Verlustverrechnungskreises für Aktienveräußerungsverluste. › Wesentliche Vereinfachung im Abgeltungsverfahren durch gleichzeitige Aufhebung des gesonderten Verlustverrechnungskreises für Verluste aus Termingeschäften und aus Forderungsausfällen im Privatvermögen. Die gewährte Frist zur Stellungnahme zu dem Referentenentwurf lief bis zum 10.05.2023. Der Beschluss eines Regierungsentwurfs im Bundeskabinett könnte am 16.08.2023 erfolgen. Aufgrund eines mittlerweile beigelegten Haushaltsstreits hatten alle steuerpolitischen Vorhaben stillgestanden. Umsatzsteuer Vergleich mit den ursprünglichen Eckpunkten für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz Ihr Kontakt RA/StB Dr. Martin Bartelt, München, martin.bartelt@ wts.de wts journal | # 2 | Juli 2023 15

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL Steuerpolitik Ihr Kontakt RA/StB Dr. Andreas Bock, München, andreas.bock@ wts.de Hintergrund Diskussionsentwurf Wesentlicher Inhalt d | Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Novellierung des GrEStG (GrEStNG) | Autor: RA/StB Dr. Andreas Bock, München Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) entfällt zum 01.01.2024 weitgehend die gesamthänderische Vermögensbindung im Bereich der Personengesellschaften. Diese war bislang die maßgebliche Begründung für die unterschiedliche Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften im Grunderwerbsteuerrecht. Das BMF hat die hieraus resultierenden praktischen Folgen zum Anlass genommen, über ein Eckpunktepapier nicht nur eine Diskussion zur Anpassung der §§ 5, 6 GrEStG, sondern darüber hinaus zu einer viel tiefergreifende Reform der grunderwerbsteuerlichen Ergänzungstatbestände anzustoßen. Zwischenzeitlich wurde ein auf dem Eckpunktepapier aufbauender Diskussionsentwurf des BMF von Mitte Juni 2023 für ein Gesetz zur Novellierung des GrEStG (GrEStNG) bekannt. Wesentliche Inhalte des Entwurfs sind: › Rechtsformneutrale Ausgestaltung des GrEStG. › Ablösung der bisherigen Ergänzungstatbestände (§ 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG) durch einen neuen, an § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 GrEStG angelehnten Ergänzungstatbestand, der auf eine 100%ige Vereinigung von Anteilen abstellt. › Gestaltungen unterhalb von 100 % der Anteile sollen künftig nicht mehr über Quoten und Fristen, sondern über das Konzept der „Erwerbergruppe“ (bei abgestimmten Verhalten) erfasst werden. Anteile, die im dienenden Interesse anderer Erwerber gehalten oder erworben werden, werden nicht mitgezählt. › Sondervermögen von offenen Immobilienfonds werden in die Besteuerung mit einbezogen. › Die Zurechnung von Grundstücken wird für den Ergänzungstatbestand gesetzlich geregelt, um Mehrfachbesteuerungen zu vermeiden und Rechtsklarheit zu schaffen. › Die bisherigen Steuervergünstigungen der §§ 5, 6, 6a und 7 Abs. 2 GrEStG entfallen zugunsten einer rechtsformneutral ausgestalteten und auf alle Erwerbsvorgänge erweiterten Steuervergünstigung, wenn sich der bestimmende Einfluss über das Grundstück nicht ändert oder soweit vor oder nach einem Erwerbsvorgang eine Person an einem Grundstück beteiligt bleibt. › Weiter sind flankierende Regelungen zu Steuerschuldner, Haftung der Grundstücksgesellschaft, Anzeigeverpflichtungen, Bestandsschutz in Altfällen sowie im Bereich der Anrechnung (künftig § 1 Abs. 4 GrEStG) vorgesehen. › Die Länder sollen die Befugnis erhalten, für den Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums einen ermäßigten Steuersatz einzuführen. Die Reform soll nach dem Diskussionsentwurf zum 01.01.2024 in Kraft treten und grundsätzlich Erwerbsvorgänge erfassen, die nach dem 31.12.2023 verwirklicht werden. Nach wie vor ist jedoch völlig offen, wie der weitere Abstimmungsprozess verläuft, und ob es aufgrund dessen in diesem Jahr möglicherweise nur zu einer „kleinen“ Lösung im Hinblick auf die Abschaffung des Gesamthandseigentums durch das MoPeG kommt. Kurznews wts journal | # 2 | Juli 2023 16

TAX LEGAL ADVISORY DIGITAL 1 Ertragsteuern Mit Urteil vom 20.10.2022 schließt der BFH an seinen Beschluss vom 23.03.2022 an. In diesem Beschluss hatte der BFH die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Kosten für die Anmietung von Messestandsflächen bei einem ausstellenden Unternehmen mit indirektem Vertriebssystem nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG verneint (vgl. WTS Journal 03/2022). Entscheidend für das Vorliegen von sog. fiktivem Anlagevermögen seien danach der Geschäftszweck sowie die speziellen betrieblichen Verhältnisse wie die Bedeutung der Messepräsenz innerhalb des praktizierten Vertriebssystems – Direktvertrieb versus indirekter Vertrieb durch ein (unternehmensfremdes) stehendes Händlernetz. Nicht ausreichend für die Annahme von fiktivem Anlagevermögen sei es, dass die Messeteilnahme für den Verkauf der Produkte lediglich förderlich sei. Im jetzt entschiedenen Streitfall hat der BFH nunmehr auch bei einer GmbH (Klägerin und Revisionsbeklagte), deren Unternehmensgegenstand die Herstellung und der Vertrieb von Produkten ist, die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen für Messestände und Messestandsflächen abgelehnt. Strittig war die gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Aufwendungen für die Teilnahme an drei Fachmessen im Streitjahr 2016, und zwar einer zweitägigen und zwei viertägigen Fachmessen jeweils an verschiedenen Orten. Bei der Prüfung, ob es sich um sog. fiktives Anlagevermögen handelt, sei der Geschäftsgegenstand des Unternehmens zu berücksichtigen. Insoweit sei im Sinne einer Kontrollfrage darauf abzustellen, ob sich die konkrete Tätigkeit des Steuerpflichtigen wirtschaftlich nur sinnvoll ausüben lässt, wenn das unterstellte Eigentum an den Wirtschaftsgütern langfristig erworben wird. Die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen sei nach den Umständen des Einzelfalls zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige primär ein Produktionsunternehmen unterhalte und auch hinsichtlich des daneben ausgeübten Vertriebs der Produkte unter Berücksichtigung der Häufigkeit und der Dauer der Messeteilnahme für seinen geschäftlichen Erfolg nicht auf das dauerhafte Vorhandensein der angemieteten Wirtschaftsgüter angewiesen sei. Die Vorinstanz habe zutreffend nicht allein die kurze Dauer der einzelnen Anmietungen gewürdigt, sondern alle im Erhebungszeitraum erfolgten Messeteilnahmen und deren Gesamtdauer im Hinblick auf die Frage berücksichtigt, ob die Klägerin die Messestände ständig in ihrem Betrieb hätte vorhalten müssen. BFH vom 20.10.2022 (AZ: III R 35/21) BFH vom 23.03.2022 (AZ: III R 14/21) Urteilsfall 1a | Keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen für Messestände und Messestandsflächen bei Produktionsunternehmen | Autorin: RAin/StBin Agnes Daub-Kienle, München Key Facts › Bei der Prüfung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Aufwendungen für Messestände und Messestandsflächen ist beim Geschäftsgegenstand des Unternehmens zu berücksichtigen, ob es sich um ein Produktionsunternehmen oder eine klassische Vertriebsgesellschaft handelt. › Eine kurze Dauer der einzelnen Anmietungen ist allein nicht ausschlaggebend. › Vielmehr ist auch die Häufigkeit und der Gesamtumfang der Anmietungen im Erhebungszeitraum zu betrachten. Häufigkeit und Gesamtumfang der Anmietungen entscheidend wts journal | # 2 | Juli 2023 17

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