In einer unlängst ergangenen Entscheidung hat das Bundesfinanzgericht (BFG) wesentliche Aussagen für die M&A-Praxis bezüglich eines Dividendenvorbehalts zugunsten des Verkäufers im Rahmen eines Share Deals getätigt. Gegenständlich wurde die vorbehaltene Dividende als steuerfreie Gewinnausschüttung, wobei auch die Kriterien für diese Einstufung vom BFG näher erläutert wurden.
1. Dividendenvorbehalt beim Share Deal
Beim Share Deal handelt es sich um eine Form einer M&A-Transaktion, bei der eine Beteiligung an einer Zielgesellschaft (zB GmbH, AG) übertragen wird. Im Gegensatz zum Asset Deal wird nicht das Unternehmen selbst (also die einzelnen Aktiva und Passiva) durch Einzelrechtsnachfolge erworben, sondern vielmehr ein Kapitalanteil. Aus wirtschaftlicher Sicht stellt sich beim Share Deal häufig die Frage, ob ausschüttungsfähige Gewinne mitverkauft werden sollen oder ob der Verkäufer (soweit gesellschaftsrechtlich zulässig) noch vor Übertragung der Beteiligung eine Gewinnausschüttung durchführt und die Beteiligung zu einem niedrigeren Kaufpreis veräußert. Häufig wird in der M&A-Praxis ein sogenannter Dividendenvorbehalt vereinbart, wonach dem Verkäufer noch eine Dividende zukommen soll.
2. Steuerliche Problemstellung
Aus österreichischer steuerrechtlicher Perspektive ist entscheidend, ob eine solche vorbehaltene Dividende an den Verkäufer steuerlich als Gewinnausschüttung oder in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Kaufpreisbestandteil anzusehen ist. Die Frage ist vor allem dann relevant, wenn der Verkäufer eine Kapitalgesellschaft ist. Eine Gewinnausschüttung fällt grundsätzlich unter die Beteiligungsertragsbefreiung nach § 10 öKStG, während ein Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf einer Beteiligung an einer österreichischen Kapitalgesellschaft – im Gegensatz zum deutschen Steuerrecht – als Betriebseinnahme in vollem Umfang einer KöSt iHv 25% unterliegt.
3. Neues BFG-Erkenntnis zum Dividendenvorbehalt (BFG 26.08.2021, RV/4100568/2016)
a) Sachverhalt und Streitfrage
Dem BFG-Erk lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 19.03.2011 („Signing“) wurde ein Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag (Share Purchase Agreement, „SPA“) über den Verkauf aller Geschäftsanteile an der J-GmbH abgeschlossen. Dazu wurde unter anderem vereinbart:
- Vollzug des SPA („Closing“) ist von der Erfüllung mehrerer aufschiebender Bedingungen abhängig. Closing Date ist der 01.04.2011.
- Verkäufer haben sicherzustellen, dass die Gesellschaft ohne Zustimmung der Käufer zwischen Signing und Closing keine Handlungen außerhalb des üblichen Geschäftsverlaufs der Gesellschaft setzt.
- Dividendenvorbehalt zugunsten der Verkäufer iHv rund € 1.000.000.
Mit Gesellschaftsbeschluss vom 28.03.2011 (also zwischen Signing und Closing Date) wurde die Ausschüttung des vorhandenen Bilanzgewinns iHv rund € 1.000.000 zugunsten der Verkäufer beschlossen.
Während die Außenprüfung der Ansicht war, dass die Ausschüttung in wirtschaftlicher Betrachtung als steuerpflichtiger Teil des Kaufpreises anzusehen sei, ging die verkaufende GmbH vom Vorliegen einer steuerfreien Gewinnausschüttung aus.
b) Gewinnausschüttung vs. Veräußerungsgewinn
Das BFG sah die Lösung der Frage damit zusammenhängend, wem im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Ausschüttung das wirtschaftliche Eigentum am Kapitalanteil zusteht. Hat der Veräußerer im Zuge der Beschlussfassung noch das wirtschaftliche Eigentum an den Kapitalanteilen, stehen diesem grundsätzlich auch noch die steuerlichen Gewinnausschüttungen zu. Können hingegen nach den allgemeinen Grundsätzen über die Einkünftezurechnung die vereinbarten Ausschüttungen steuerlich nicht mehr dem Verkäufer zugerechnet werden (weil etwa bereits der Erwerber die Stimmrechte ausübt), sind Dividendenzahlungen an den Veräußerer nicht als (steuerfreie) Beteiligungserträge zu qualifizieren und bei einem Zusammenhang mit dem Verkauf als Teil des Kaufpreises anzusehen. Der Zeitpunkt der Auszahlung der Dividende ist hingegen nicht maßgeblich.
c) Übergang des wirtschaftlichen Eigentums
Gegenständlich erfolgte der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Kapitalanteilen nach Ansicht der BFG erst mit Closing. Dies entspricht auch dem zivilrechtlichen Übergang der Kapitalanteile. Zwar kann es in bestimmten Fällen auch zu einem Auseinanderfallen von wirtschaftlichem und zivilrechtlichem Eigentum kommen, dies ist aber nur ausnahmsweise der Fall, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die positiven Befugnisse, die Ausdruck des zivilrechtlichen Eigentums sind, wie insbesondere Gebrauch, Verbrauch, Veränderung, Belastung und Veräußerung, auszuüben in der Lage ist und wenn er zugleich den negativen Inhalt des Eigentumsrechts, nämlich den Ausschluss Dritter von der Einwirkung auf die Sache, geltend machen kann. Ein solcher Fall liegt gegenständlich jedoch nicht vor, da der Anteilskauf unter aufschiebender Bedingungen abgeschlossen wurde und die Erwerberin auch keine Möglichkeit hatte, vor Closing wie eine Eigentümerin über die Kapitalanteile zu verfügen.
4. Fazit
Erfolgt die Veräußerung des Geschäftsanteils (die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums) somit zu einem Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss der Gesellschaft bereits erstellt ist und die Gewinnausschüttung bereits beschlossen wurde, stellt die Gewinnausschüttung nach Ansicht des BFG keinen Kaufpreisanteil, sondern einen steuerfreien Beteiligungsertrag iSv § 10 öKStG dar. Dies war gegenständlich der Fall.
Ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Kapitalanteilen vor Closing bei einem Share Deal kann aber dennoch in bestimmten Konstellationen vorliegen, wenn der Erwerber bereits vor Closing wie ein Eigentümer über die Kapitalanteile verfügen kann (zB wenn er diese bedingungsfrei veräußern und belasten, Stimmrechte ausüben und über den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft ohne wesentliche Einschränkung verfügen kann). Auf dies ist im Rahmen der Vertragsgestaltung bei M&A-Transaktionen genau zu achten.