Die Beschwerdeführerin ist eine in Österreich ansässige und daher unbeschränkt steuerpflichtige GmbH, welche in den Streitjahren in Indien technische Leistungen erbracht hat, für welche in Indien Quellensteuer einbehalten und abgeführt wurde.
Unstrittig war, dass Österreich als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht gem Art 12 Abs 1 DBA-Indien zustand, Indien hingegen als Quellenstaat gem Art 12 Abs 2 DBA-Indien Quellensteuer iHv max 10% des Bruttobetrages dieser Entgelte einbehalten durfte.
Strittig war hingegen, ob eine über die festgesetzte Körperschaftsteuer eines Jahres hinausgehende ausländische Quellensteuer auf Folgejahre - analog zu § 10 Abs 6 KStG idF vor JStG 2018 (siehe zur aktuellen Rechtslage nunmehr § 10a Abs 9 KStG) - vortragbar wäre. (Anmerkung: Die Bestimmung sieht nur einen Anrechnungsvortrag für ausländische Steuern auf bestimmte steuerpflichtige ausländische Beteiligungserträge und hinzugerechnete Passiveinkünfte vor.) Die Beschwerdeführerin wandte ein, dass zwar kein Anwendungsfall des § 10 Abs 4 oder 5 KStG idF vor JStG 2018 vorliege, aber um eine gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen, auch in diesen Fällen analog ein Anrechnungsvortrag möglich sein müsste, anderenfalls ein Verstoß gegen den durch die Verfassung gewährleisteten Gleichheitsgrundsatz vorliegen würde.
Die Finanzverwaltung wies die Beschwerde unter Bezugnahme auf die herrschende Literatur und die Rechtsprechung ab, woraufhin die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag an das BFG stellte.
Das BFG (18.8.2022, RV/1100034/2021) stützte sich in seiner Begründung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes v 7.11.2014, 2021/15/0002, und zitierte auch wichtige Aussagen dieser Entscheidung, wonach sich aus der österreichischen Rechtsordnung kein Anrechnungsvortrag für ausländische Quellensteuern ergibt. Es sei aus dem Grundsatz der Periodenbesteuerung und aus der Bestimmung der Doppelbesteuerungsabkommen abzuleiten, dass die Quellensteuern nur in jenem Jahr anzurechnen sind, in welchem diese Einkünfte steuerlich erfasst werden.
Es sei dabei nicht relevant, ob der Wortlaut der jeweiligen DBA-Bestimmung eine auf die Höhe der auf „diese“ Einkünfte ermittelten Steuer begrenzte Anrechnung auf die von „diesen“ Einkünften erhobene Steuer vorsieht oder ob die Anrechnung, mit einer auf die Höhe der auf „die“ ausländischen Einkünfte ermittelten Steuer begrenzt sei. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die unterschiedlichen Formulierungen eine bewusste Differenzierung herbeiführen sollen. Vielmehr ist auch bei Formulierungen, deren Wortlaut nicht auf „diese“ Einkünfte ausdrücklich abstellt, von einer Identität der Einkünfte auszugehen, wobei diese Ansicht auch durch die französische Fassung des OECD-MA – eine der beiden Originalfassungen des Musterabkommens - bestätigt wird.
In anderen Staaten sei weiters ein Anrechnungsvortrag für ausländische Quellensteuern auch nur möglich, wenn er gesetzlich explizit im nationalen Steuerrecht verankert wurde. Ein solcher ist in Österreich jedoch eben nicht vorgesehen. Die Notwendigkeit eines Anrechnungsvortrages oder eine Verpflichtung, einen solchen gesetzlich zu normieren, lässt sich aus dem DBA-Recht nicht ableiten. Vielmehr ist es den Vertragsstaaten selbst überlassen, bis zu welchem Ausmaß eine Vermeidung der Doppelbesteuerung gewährt wird. Ein Anrechnungsvortrag bedürft daher einer (ausdrücklichen) Regelung im nationalen Steuerrecht und kann nicht analog zu § 10 Abs 6 KStG idF vor JStG 2018 abgeleitet werden.
Aus unionsrechtlicher Sicht ergibt sich zudem auch keine Verpflichtung zur gesetzlichen Verankerung eines Anrechnungsvortrags. Der EuGH (10.2.2011, Haribo und Österreichische Salinen, C-436/08 & C-437/08) hält fest, dass eine diskriminierungsfreie internationale Doppelbesteuerung nicht gegen Unionsrecht verstoßen würde. Ein Mitgliedstaat ist daher nicht verpflichtet, Nachteile, die sich aus der parallelen Ausübung der Besteuerungsbefugnisse zweier Mitgliedstaaten ergeben können, zu beseitigen, insofern eine solche Ausübung nicht diskriminierend ist. Fehlt somit ein Anrechnungsvortrag für ausländische Quellensteuern im nationalen Steuerrecht, steht dies auch im Einklang mit dem Unionsrecht.
Das BFG kam daher zu dem Schluss, dass auch für die vorliegende indische Quellensteuer nichts Anderes gelten kann und ein Anrechnungsvortrag daher mangels fehlender gesetzlicher Verankerung im österreichischen Steuerrecht nicht möglich sei.
Mit diesem Erkenntnis bestätigt das BFG die bisherige Rechtsprechung zur Nicht-Anerkennung von Anrechnungsvorträgen in Zusammenhang mit ausländischen Quellensteuern. Können folglich ausländische Quellensteuern mangels ausreichender inländischer Steuer auf die entsprechenden Einkünfte nicht im vollen Ausmaß angerechnet werden, stellen diese einen Kostenfaktor dar. Da es EU-Staaten gibt, welche einen Anrechnungsvortrag zulassen, ist in der Versagung eines solchen Vortrags ein Wettbewerbsnachteil für die österreichische Wirtschaft zu sehen. Durch die erst kürzlich ergangene Entscheidung ist eine zeitnahe Beseitigung dieses Wettbewerbsnachteils jedoch nicht zu erwarten.
Sie haben Fragen zu unseren Services oder der WTS? Lassen Sie es uns wissen. Füllen Sie dazu unser kurzes Kontaktformular aus. Wir werden uns so schnell wie möglich bei Ihnen melden.