Auch unentgeltliche Vermögensübertragungen können den Wezugsbesteuerungstatbestand erfüllen. Vorsicht ist dabei ebenso für die steuerlichen Folgen im "Zuzugsstaat" geboten.
Wegzugsbesteuerung im betrieblichen Bereich
Kommt es durch einen „Wegzug“ im Betriebsvermögen (bei der Überführung von Wirtschaftsgütern oder Verlegung von Betrieben/Betriebsstätten ins Ausland) zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechts Österreichs, greifen besondere Regelungen. Generell sieht die Wegzugsbesteuerung die Erfassung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Einschränkung des österreichischen Besteuerungsrechts vor. Jedoch besteht die Möglichkeit auf Antrag bei Wegzug in einen EU/EWR-Staat die Steuerschuld für Wirtschaftsgüter gleichmäßig über einen Zeitraum von fünf Jahren (seit 1.1.2019, davor sieben Jahre; für zum Umlaufvermögen gehörige Wirtschaftsgüter zwei Jahre) zu entrichten (sogenanntes „Ratenzahlungskonzept“). Es handelt sich bloß um die Verschiebung der Fälligkeit; somit fallen keine Stundungszinsen an. Scheiden die Wirtschaftsgüter (bzw. der Betrieb/die Betriebsstätte) vor Ablauf des Verteilungszeitraumes aus (z.B. durch Veräußerung, Überführung in einen Drittstaat), sind die noch offenen Raten sofort fällig. Dies gilt allerdings nur für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Der Steuerpflichtige muss diesen Umstand der zuständigen Abgabenbehörde innerhalb von drei Monaten ab Eintritt anzeigen.
Ratenzahlungs- und Nichtfestsetzungskonzept im außerbetrieblichen Bereich
Das Konzept der Ratenzahlung wurde mit Einschränkungen auch auf den außerbetrieblichen Bereich (Kapitalvermögen) erstreckt. Im außerbetrieblichen Bereich besteht allerdings für den tatsächlichen Wegzug einer natürlichen Person (Ansässigkeitswechsel) sowie für unentgeltliche Übertragungen (z.B. Erbschaft, Vermächtnis, Schenkung) an eine andere natürliche (!) Person antragsgebunden die Möglichkeit die Steuerschuld bis zur tatsächlichen Veräußerung nicht festzusetzen (sogenanntes „Nichtfestsetzungskonzept“). Die Nichtfestsetzung ist nur möglich, soweit die Einschränkung des Besteuerungsrechts gegenüber einem EU/EWR-Staat erfolgt. Der tatsächlichen Veräußerung gleichgestellt ist ein Wegzug des Steuerpflichtigen oder eine unentgeltliche Übertragung in einen Staat, der außerhalb des EU/EWR-Raumes liegt.
In allen anderen Fällen, in denen es hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu EU/EWR-Staaten kommt (z.B. unentgeltliche Übertragung auf eine juristische Person, bspw. ausländische Stiftung), gelangt auf Antrag das für betriebliche Entstrickungsfälle vorgesehene Ratenzahlungskonzept (Festsetzung der Steuerschuld und Verteilung auf fünf Jahre) zur Anwendung. In der Praxis sind oftmals unentgeltliche Übertragungen auf Stiftungen/Trusts innerhalb des EU/EWR-Raumes (zB Liechtenstein) erfasst.
Praxisfall Erbschaft
Eine in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person verstirbt. Im Testament wird der in Deutschland ansässige Sohn (kein Wohnsitz in Österreich) als Alleinerbe eingesetzt. Zum Nachlassvermögen zählt auch eine Beteiligung an einer deutschen Kapitalgesellschaft. Der in Deutschland ansässige Sohn ist in Österreich nur beschränkt steuerpflichtig.
Steuerfolgen Österreich
Die Erbschaft löst in Österreich zwar keine Erbschaftsteuer aus. Dennoch ist zu beurteilen, ob mit dieser Erbschaft einkommensteuerliche Folgen verbunden sind. Eine Einschränkung des Besteuerungsrechts kann grundsätzlich auch bei Tod eines in Österreich unbeschränkten Steuerpflichtigen eintreten. Da der Erblasser in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig war und Österreich das Besteuerungsrecht an dem deutschen Kapitalanteil hatte (27,5% besonderer Steuersatz im Falle der Veräußerung), welcher im Zuge der Erbschaft auf einen in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen übertragen wird, geht das Besteuerungsrecht Österreichs dem Grunde nach verloren.
Da ein unentgeltlicher Erwerb zwischen natürlichen Personen und die Einschränkung des Besteuerungsrechts gegenüber einem EU-Staat (Deutschland) vorliegt, kann in der Einkommensteuererklärung des Verstorbenen/Erblassers ein Besteuerungsaufschub (Nichtfestsetzung) bis zur tatsächlichen Veräußerung oder Wegzug aus Deutschland in ein Drittland beantragt werden. Das Vorliegen der Voraussetzungen der unentgeltlichen Übertragung an eine natürliche Person im Ausland ist durch eine Ansässigkeitsbescheinigung nachzuweisen. Als Folge der Nichtfestsetzung wird anlässlich der unentgeltlichen Übertragung, durch die das Besteuerungsrecht Österreichs eingeschränkt wird, der Wertzuwachs (Bewertungsmaßstab: gemeiner Wert abzüglich Anschaffungskosten) festgestellt, aber der Anfall der darauf entfallenden Steuerbelastung bis zu einer späteren Realisierung aufgeschoben. Eine spätere Veräußerung (oder Wegzug in einen Drittstaat) durch den Erben bewirkt bei der Verlassenschaft ein rückwirkendes Ereignis und damit die Besteuerung der entstandenen Steuerschuld im Zeitpunkt des Wegzugs.
Steuerfolgen Deutschland
Die Erbschaft löst in Deutschland zunächst einmal das Anfallen einer Erbschaftsteuer auf den Verkehrswert der Beteiligung im Todeszeitpunkt aus. Ggf. können dabei aber persönliche Freibeträge und Betriebsvermögensvergünstigungen in Anspruch genommen werden. Sollte der in Deutschland ansässige Sohn die Beteiligung dann später veräußern, stellt sich schon aus rein deutscher Sicht die Frage, ob die bereits zum Todeszeitpunkt existenten stillen Reserven, die jetzt der Besteuerung unterworfen werden, zu einer Steuerermäßigung führen. Das deutsche Einkommensteuerrecht sieht hier in engen Grenzen aufgrund einer Vorbelastung mit Erbschaftsteuer eine Steuerermäßigung bei der Einkommensteuer vor, wenn der Veräußerungsvorgang innerhalb von vier Veranlagungszeiträumen nach dem Erbfall erfolgt. Fraglich ist insoweit aber, ob der allein zur Ermäßigung berechtigende Wertzuwachs bis zum Erbfall der deutschen Einkommensteuer unterliegt. Nach nationalen Vorschriften wäre dies der Fall, da das deutsche Steuerrecht grundsätzlich den Unterschied zwischen den historischen Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers und dem Veräußerungspreis der Besteuerung unterwirft. Im vorliegenden Fall käme aber ggf. das DBA mit Österreich zur Hilfe, welches dann, wenn Österreich den Wertzuwachs im Wegzugszeitpunkt der Besteuerung unterwirft, vorsieht, dass der Zuzugsstaat (hier: Deutschland) bei der späteren Ermittlung eines Veräußerungsgewinns als Anschaffungskosten den Betrag zugrunde legt, den Österreich im Zeitpunkt des Wegzugs als Erlös angenommen hat. Das DBA spricht aber ausdrücklich von Wegzugsfällen und außerdem müsste der Wegziehende mindestens fünf Jahre im Wegzugsstaat ansässig gewesen sein. Jedenfalls ist somit zweifelhaft, ob der deutsche Fiskus diesen „Step Up“ auch im vorliegenden Erbfall tatsächlich nachvollzieht. Es droht also eine echte Dreifachbesteuerung mit österreichischer und deutscher Einkommen- sowie Erbschaftsteuer. Lichtblicke könnten sein, dass die potentielle Ermäßigung bei der deutschen Einkommensteuer aufgrund der Erbschaftsteuervorbelastung und ggf. die Abziehbarkeit der österreichischen Wegzugssteuer bei der deutschen Erbschaftsteuer, wenn man die Wegzugssteuer als Steuerschuld des Erblassers betrachtet.
Die beschriebenen potentiellen Steuerfolgen in derlei Konstellationen machen deutlich, dass eine vorausschauende Nachfolgeplanung sehr wichtig sein kann, will man steuerlich keine „Überraschung“ erleben.