Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin („Bf“) war eine von insgesamt sieben sogenannten „Series“ – das sind eigenständige Teilvermögen – eines in den USA (Delaware) ansässigen Trusts. Nach US-amerikanischem Recht ist der Trust als eigenständige juristische Person aktiv wie passiv klagslegitimiert. Er ist zivilrechtlicher Eigentümer der Teilvermögen der jeweiligen „series“. Jede „series“ bildet einen eigenen Rechnungskreis und ist nach US-Recht eine steuerpflichtige Körperschaft, es erfolgt somit keine Durchgriffsbesteuerung bei den Anteilsinhabern. Es besteht aber eine wesentliche Steuerbegünstigung: Sofern mindestens 90% der steuerpflichtigen Einkünfte (ohne realisierte Wertsteigerungen) an die Anteilsinhaber ausgeschüttet werden, kann die Ausschüttung steuerlich als Aufwand abgesetzt werden. Im Ergebnis kann somit die US-Bundeseinkommensteuer auf bis zu „Null“ reduziert werden
Im gegenständlichen Verfahren ging es um die KESt-Rückerstattung aus Dividendenzahlungen in den Jahren 2013 aus Portfoliobeteiligungen (< 10%) an zwei österreichischen AGs. Einerseits wurde die Rückerstattung auf Basis des DBA AT-USA beantragt (Art 10 Abs 2 lit b), wonach die Quellensteuer auf 15% zu reduzieren ist. Andererseits wurde darüber hinaus die vollständige Rückerstattung der verbleibenden KESt nach nationalem Recht beantragt (§ 21 Abs 1 Z 1a KStG). Das Finanzamt folgte dem Erstattungsantrag bezüglich des DBAs AT-USA und setzte die KESt auf 15% herab. Die verbleibende Rückerstattung nach nationalem Recht wurde jedoch im Wesentlichen mit der Begründung verwehrt, dass der US-Trust als Drittstaatsgesellschaft nicht rückerstattungsberechtigt sei.
Zahlreiche vergleichbare Verfahren
Das vorliegende Erk reiht sich ein in eine Folge zahlreicher Erkenntnisse des BFG wie auch des VwGH zur KESt-Rückerstattung an ausländische Investmentfonds. Zentrale Fragen waren dabei vor allem die erforderlichen Prüfschritte zur Geltendmachung der Rückerstattung sowie auch die Vereinbarkeit des § 21 Abs 1 Z 1a KStG mit der Kapitalverkehrsfreiheit. Ein dem Ausgangsfall vergleichbares Verfahren betraf die Rückerstattungsberechtigung einer irischen „Umbrella-Investmentgesellschaft“ (PLC). Hierzu hat das BFG (23.08.2021, RV/7101805/2021) der Rechtsansicht des Höchstgerichts folgend (VwGH 30.06.2021, Ro 2018/13/0011) entschieden, dass eine KESt-Rückerstattung zu gewähren war, weil sonst eine nicht zu rechtfertigende Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt. Der Fall ist derzeit nach einer außerordentlichen Amtsrevision wieder beim VwGH anhängig.
Auch in einem weiteren vergleichbaren (rechtskräftigen) BFG-Fall zu einer Luxemburger Investmentgesellschaft („open end fund“) in der Rechtsform einer SICAV wurde die Rückerstattung aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit gewährt (BFG 28.04.2021, RV/7100668/2010).
Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht
Im vorliegenden BFG-Erk hielt sich das BFG zunächst streng an das vom VwGH im Vorverfahren (VwGH 13.01.2021, Ro 2018/13/0003) vorgegebene dreistufige Prüfverfahren für die KESt-Rückerstattung nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG: Zunächst hat
(i) ein Typenvergleich des ausländischen Rechtsgebildes zu erfolgen, danach ist
(ii) die Einkünftezurechnung zu prüfen und erst dann stellt sich die Frage
(iii) der Einstufung des ausländischen Gebildes als Investmentfonds und der Anwendbarkeit der Transparenzanordnung des § 188 InvFG.
1. Typenvergleich und Einkünftezurechnung
Im Rahmen des Typenvergleichs ist das konkrete ausländische Rechtsgebilde mit dem Typus jener Körperschaft zu vergleichen, die dem ausländischen Gebilde am nächsten kommt. Nach Durchführung dieses Typenvergleichs bestand für das BFG kein Zweifel, dass der US-Trust mit einer inländischen juristischen Person des privaten Rechts vergleichbar ist und somit grundsätzlich als Körperschaft gilt. Auch die Zurechnung der Einkünfte hat grundsätzlich zum US-Trust zu erfolgen.
2. Investmentfondsbesteuerung und KESt-Rückerstattung
Zentral war schlussendlich die Anwendung der Investmentfondsbesteuerung nach § 188 Investmentfondsgesetz (InvFG) als Prüfschritt 3. Im Falle der Anwendung dieser Bestimmung könnte der US-Trust keine Rückerstattung geltend machen, weil § 188 InvFG eine transparente Besteuerung für ausländische Investmentfonds vorsieht. Betreffend § 188 InvFG in der Fassung bis 2013 hatte der VwGH bereits in Vorerkenntnissen jedoch eine nicht zu rechtfertigende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit erkannt und dementsprechend die nationale Bestimmung als verdrängt angesehen. Daher war für die Ausschüttung 2013 eine vollständige Rückerstattung der KESt zu gewähren.
3. Keine unionsrechtliche Diskriminierung
In Bezug auf die im Jahr 2014 einbehaltenen KESt verwies das BFG auf eine 2013 bewirkte Novelle von § 186 Abs 1 und § 188 InvFG (Bundesgesetzblatt I 135/2013). Seit dieser Gesetzesänderung kommt die transparente Besteuerung für Investmentfonds unabhängig von der Rechtsform des ausländischen Vehikels zur Anwendung. Auch wenn dadurch wirtschaftliche Doppelbesteuerung auf der Gesellschafterebene mit österreichischer und US-Quellensteuer bestehen kann, liegt keine unionsrechtliche Diskriminierung vor, weil die Regelungen der §§ 186 und 188 InvFG gleichermaßen für in- und ausländische Investmentfonds zur Anwendung kommen. In Folge der Transparenzanordnung des § 188 InvFG in der Fassung ab 2014 ist der US-Trust daher nicht Schuldner der KESt und für das Jahr 2014 nicht zur Rückerstattung nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG berechtigt.
Gesetzesänderung mit dem Abgabenänderungsgesetz 2022 (AbgÄG 2022)
Abschließend sei angemerkt, dass die zahlreichen Verfahren mittlerweile Anlass für eine weitere Änderung des unionsrechtlich problematischen § 21 Abs 1 Z 1a KStG gegeben haben. Mit dem AbgÄG 2022 wurde die Bestimmung dahingehend geändert, dass die Rückerstattungsmöglichkeit der KESt für Portfoliodividenden – neben in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR ansässigen beschränkt steuerpflichtigen Körperschaften – ebenso für in Drittstaaten ansässige beschränkt steuerpflichtige Körperschaften auf Antrag möglich ist, wenn mit dem Ansässigkeitsstaat eine umfassende Amtshilfe besteht. Dennoch ist zu erwarten, dass derartige Fälle auch weiterhin die Praxis beschäftigen werden.