Am 09.10.2019 hat die OECD ein Konsultationsdokument zur Säule 1 (Reallokation von Besteuerungsrechten an Marktstaaten) ihres Projekts zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft veröffentlicht. Basierend auf den drei Ansätzen aus dem Arbeitsprogramm vom 28.05.2019 („User Participation“, „Marketing Intangibles“, „Significant Economic Presence“) hat die OECD einen „einheitlichen Ansatz“ (Unified Approach) für eine mögliche konsensfähige Lösung entwickelt. Der Vorschlag wurde von der OECD erarbeitet und spiegelt daher ausdrücklich nicht die Ansichten des Inclusive Frameworks oder der OECD-Mitgliedstaaten wider. Bis zum 12.11.2019 können der OECD hierzu schriftliche Kommentare übermittelt werden. Am 21. und 22.11.2019 findet in Paris dann eine öffentliche Anhörung statt. Während sich dieser Vorschlag nur mit Säule 1 befasst, wird ein weiteres Dokument zur Säule 2 (Mindestbesteuerung) im November erwartet sowie eine weitere öffentliche Anhörung hierzu Mitte Dezember.
In dem Entwurf wird vorgeschlagen, den Geltungsbereich auf Unternehmen mit „Verbraucherbezug“ zu beschränken, ohne wesentliche Einzelheiten zu nennen, was dies bedeutet, außer der Feststellung, dass sowohl „digital zentrierte Modelle, die remote mit Benutzern interagieren“ als auch „andere Unternehmen mit Verbraucherbezug“ erfasst werden sollen. Klar ist lediglich, dass „Verbraucherbezug“ nicht mit „B2C“ gleichgesetzt werden kann. Auch B2B-Geschäftsmodelle können in den Anwendungsbereich fallen, wenn sie „für den Verbraucher eine gewisse Bedeutung“ haben. So erzielen Unternehmen wie Facebook und Google ihren Umsatz mit Werbung von Unternehmen, also im Rahmen eines B2B-Geschäftsmodells, sollen aber dem Vernehmen nach dennoch, aufgrund ihrer unmittelbaren Verbraucherwirkung erfasst werden. Auch Unternehmen aus der Bergbau- und Ölindustrie sowie der Finanzwirtschaft sollen ausgenommen werden.
Für Unternehmen, die in den Geltungsbereich fallen, soll ein neuer steuerlicher Anknüpfungspunkt (Nexus) implementiert werden, der nicht von einer physischen Präsenz abhängig ist, sondern an den Umsatz anknüpft. Dieser Nexus soll an den bisherigen Regelungen der Betriebsstätte in Art. 5 des OECD-MA nichts ändern und würde einzig dem Zweck dienen, den gemäß den neuen Regelungen zuzuweisenden Gewinn aufzufangen.
Es sollen neue Gewinnzuweisungsregeln geschaffen werden, die für die Steuerpflichtigen im Rahmen des Anwendungsbereichs und unabhängig davon gelten, ob sie über eine Marketing- oder Vertriebspräsenz (Betriebsstätte oder eigenständige Tochtergesellschaft) im Land verfügen oder über unabhängige Vertriebspartner verkaufen. Gleichzeitig behält der Ansatz weitgehend die aktuellen Verrechnungspreisregeln nach dem Fremdvergleichsgrundsatz bei, ergänzt diese aber durch formelbasierte Lösungen.
Insgesamt lässt der Entwurf noch zahlreiche Punkte offen und lässt die neuen Regelungen nur in Ansätzen erkennen. Für die Unternehmen können die Mechanismen zu verbindlichen Streitvermeidungs- und Streitbeilegungsmechanismen einen Vorteil bedeuten. Aber der Compliance-Aufwand insbesondere zur Berechnung von Betrag A dürfte enorm sein. Von besonderer Bedeutung ist daher für viele Unternehmen die Abgrenzung zum Punkt „Consumer Facing“, da bei Verneinung dieses Merkmals die neuen Regelungen gar nicht anzuwenden sind.
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