+++ ECOFIN-Rat einigt sich auf angepasste ViDA-Vorschläge +++
Nach den erfolglosen Versuchen in der Vergangenheit konnte nunmehr in der Sitzung am 5.11.2024 Einstimmigkeit im Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (ECOFIN-Rat) zu den europäischen Gesetzesvorschlägen „VAT in the Digital Age“ (ViDA) erzielt werden. Die Richtlinie und die Verordnung sind Gegenstand eines besonderen Gesetzgebungsverfahrens und aufgrund der signifikanten Änderungen durch den ECOFIN-Rat muss im weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens nunmehr das Europäische Parlament erneut zu dem vereinbarten Text konsultiert werden.
Nach der derzeitigen Fassung der Vorschläge ergibt sich nachstehender zeitlicher Ablauf:
Beginnend im Jahr 2025:
- Es steht den Mitgliedstaaten frei, ohne vorherige Genehmigung der EU, E-Rechnungsvorgaben – beschränkt auf inländische Transaktionen - einzuführen.
- Die Ausstellung elektronischer Rechnungen wird nicht mehr von der Zustimmung des Kunden abhängig sein.
- Die EU kann besondere Maßnahmen zur Verhinderung von Mehrwertsteuerbetrug im Zusammenhang mit IOSS-Identifikationsnummern ergreifen. Dazu gehört die Verknüpfung einer IOSS-Identifikationsnummer mit der Einfuhrsendungsnummer.
Januar 2027:
- Änderung des Anwendungsbereichs des Schwellenwerts von 10.000 € für B2C-Fernverkäufe von Waren und TFE-Dienstleistungen.
- Grenzüberschreitende Lieferungen von Erdgas, Heiz- und Kühlenergie gelten als Fernverkäufe und können daher in der Mehrwertsteuererklärung der einzigen Anlaufstelle (OSS) angegeben werden.
- Die Einbeziehung von elektronischen Schnittstellen (Lieferfiktion) soll auf Lieferungen an alle Kunden und nicht mehr nur an Nichtsteuerpflichtige anwendbar sein.
Juli 2028:
- Ausweitung des OSS-Verfahrens auf den elektronischen Handel und grenzüberschreitende Lagerbewegungen (auch für Investitionsgüter), die Lieferung und Installation von Waren..
- Die Vereinfachungsregelung für Konsignationslager wird beginnend zum 01.07.2028 abgeschafft und am 30.06.2029 auslaufen.
- Die Regelungen zur Umkehrung der Steuerschuldnerschaft zwischen Gebietsfremden und inländischen Unternehmen wird in gewissen Umfang harmonisiert.
- Freiwillige Einbeziehung der Plattformwirtschaft für Mitfahrgelegenheiten und Kurzzeitvermietungen von Unterkünften: Die Pflicht zur Erhebung der Mehrwertsteuer für Plattformen für Mitfahrgelegenheiten und die Kurzzeitvermietung von Unterkünften soll im Juli 2028 mit einer optionalen Phase beginnen.
Januar 2030:
- Beginn der obligatorischen Phase zur Einbeziehung der Plattformwirtschaft für Mitfahrgelegenheiten und Kurzzeitvermietungen von Unterkünften.
- Die Mitgliedstaaten können für einen Zeitraum von zehn Jahren diverse Ausnahmen hiervon vorsehen.
Juli 2030:
- Einführung von digitalen Meldepflichten (DRR) für Lieferanten und deren Kunden, z.B. für innergemeinschaftliche Lieferungen, Erwerbe und B2B-Dienstleistungen.
- Entfall der Zusammenfassenden Meldung, da sie nun durch die neue DRR-Regelung ersetzt wird.
- Einführung der elektronischen Rechnungsstellung für DRR-Transaktionen. Dazu gehört eine neue Definition der Norm EN16931 für die elektronische Rechnungen (Entwurf erwartet im Juli 2025).
- Elektronische Rechnungen müssen grundsätzlich am 10. Tag nach dem Steuertatbestand ausgestellt werden.
- Sammelrechnungen sollen unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin zulässig bleiben.
Januar 2035:
- Geplante Harmonisierung bestehender Systeme für die elektronische Rechnungsstellung bei inländischen Transaktionen mit den „ViDA-Standards“ für grenzüberschreitende Umsätze.
+++ Erneut keine Einigung im ECOFIN-Rat auf angepasste ViDA-Vorschläge +++
Wie bereits am 14.05.2024 konnte der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ (ECOFIN-Rat) auch in der Sitzung am 21.06.2024 keine Einigung zu den europäischen Gesetzesvorschlägen „VAT in the Digital Age“ (ViDA) erzielen. Die für eine Einigung erforderliche Einstimmigkeit scheiterte erneut an Estland, welches trotz der Nachbesserungen die Zustimmung im Hinblick auf die geplante Einbeziehung von Plattformbetreibern bei kurzfristigen Beherbergungsleistungen und Personenbeförderungen verweigerte. Die Bemühungen zum Erreichen eines zustimmungsfähigen Gesetzgebungsvorschlags sollen unter der ungarischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2024 fortgesetzt werden.
+++ E-Rechnungspflicht ab dem 01.01.2025 in Deutschland +++
Um unabhängig von der Umsetzung der Gesetzesvorschläge zu „VAT in the Digital Age (ViDA)“ agieren zu können, hatte Deutschland eine Sondermaßnahme nach Art. 395 MwStSystRL beantragt, mit der Zielsetzung, von den gegenwärtigen europäischen Regelungen zur Rechnungsstellung abweichen zu dürfen. Das Wachstumschancengesesetz mit den grundlegenden Änderungen in § 14 UStG wurde zwischenzeitlich im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Zum 01.01.2025 wird die elektronische Rechnungsstellung nunmehr für bestimmte inländische B2B-Umsätze zum Regelfall. Für den Rechnungsaussteller sind zwar bis zum 31.12.2027 Übergangsregelungen vorgesehen, welche u.a. weiterhin die Ausstellung von Papierrechnungen erlauben. Für den Rechnungsempfänger gibt es jedoch keine spezifischen Vereinfachungen. Sollte der Leistende in den gesetzlich bestimmten Fällen eine E-Rechnung erteilen wollen, so ist hierfür keine Zustimmung des Kunden mehr erforderlich. Unternehmer müssen sich daher darauf vorbereiten, ab dem 01.01.2025 E-Rechnungen empfangen zu können.
Am 08.12.2022 hat die Europäische Kommission ein Maßnahmenpaket „VAT in the digital age (ViDA)“ zur Modernisierung der Umsatzsteuer vorgeschlagen, um das Mehrwertsteuersystem der EU zu modernisieren, für die Unternehmen effizienter und betrugsresistenter zu machen, indem die Digitalisierung gefördert wird.
Mit ihren Vorschlägen insbesondere zur Änderung der MwStSystRL und der Mehrwertsteuer-Durchführungsverordnung will die Kommission der Diskrepanz zwischen den 30 Jahre alten Mehrwertsteuervorschriften und der aktuellen digitalen Realität entgegenwirken.
Worum geht es bei ViDA?
Der Richtlinienentwurf sieht drei zentrale Maßnahmenbereiche („Säulen“) vor:
- die Ausweitung der elektronischen Rechnungstellung, sowie die Einführung digitaler Meldepflichten,
- das Konzept einer einzigen MwSt-Registrierung (Single VAT Registration) zur Vermeidung einer Vielzahl lokaler Registrierungen in den Mitgliedstaaten, sowie
- die Ausweitung der Lieferkettenfiktion bei Online-Marktplätzen, die in die kurzfristige Vermietung von Übernachtungsmöglichkeiten oder in die Erbringung von Personenbeförderungsleistungen einbezogen sind.
Was bedeutet dies?
Digitales Meldesystem und E-Rechnung
Durch die Einführung digitaler Meldepflichten gegenüber den Finanzbehörden sowie die Ausweitung der elektronischen Rechnungstellung soll in zeitlich abgestuften Schritten eine Modernisierung der Mehrwertsteuer-Meldepflichten erfolgen. Bislang war die Ausstellung von elektronischen Rechnungen von der Akzeptanz des Empfängers abhängig. Ab 2024 dürfen die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Rechnungen elektronisch auszustellen sind, während ab dem Jahr 2028 die elektronische Rechnungstellung den Standard und die Verwendung von Papierrechnungen nur noch die Ausnahme bilden soll. Gemäß den Vorschlägen sollen sodann ab dem Jahr 2028 die Rechnungen für innergemeinschaftliche Lieferungen und sonstige grenzüberschreitende B2B-Umsätze, die dem Übergang der Steuerschuldnerschaft unterliegen, innerhalb von zwei Werktagen nach Ausführung des Umsatzes auszustellen sein.
Ebenfalls ab 2028 soll die Zusammenfassende Meldung in ihrer jetzigen Gestalt ersetzt werden. Für innergemeinschaftliche Lieferungen, innergemeinschaftliche Erwerbe und sonstige grenzüberschreitende B2B-Umsätze, die dem Übergang der Steuerschuldnerschaft unterliegen, soll eine entsprechende elektronische Meldung an die Steuerbehörden innerhalb von weiteren zwei Werktagen nach Rechnungstellung erfolgen.
Modernisierung Mehrwertsteuersystem
Die Notwendigkeit von umsatzsteuerrechtlichen Mehrfachregistrierungen soll innerhalb der EU vermieden werden. Dem Ziel einer sog. einzigen MwSt-Registrierung soll durch eine Erweiterung der bestehenden Meldesysteme der einzigen Anlaufstelle (OSS und IOSS) kombiniert mit der Ausweitung des sog. Reverse-charge Verfahrens nähergekommen werden. Diese Änderungen sollen ab 2025 gelten und sollen u.a. auch die Erfüllung der Meldepflichten angesichts der europaweit zum 31.12.2025 auslaufenden Konsignationslagerregelung des Art. 17a MwStSystRL (bzw. § 6b UStG) ermöglichen.
Erweiterte Einbeziehung von Onlineplattformen
Die Vorgaben für die sog. (Internet-)Plattformwirtschaft werden im Hinblick auf die Ortsbestimmung von Umsätzen und die verstärkte Einbeziehung von Plattformen bei der Umsatzsteuererhebung im Bereich der kurzfristigen Vermietung von Unterkünften oder der Erbringung von Personenbeförderungsleistungen aktualisiert. Hierzu würde ab dem Jahr 2025 eine steuerbefreite Leistung des Dienstleisters an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle fingiert und zugleich eine entsprechende Leistungserbringung des Schnittstellenbetreibers an den Kunden unterstellt. Dieser Umsatz würde sodann als steuerpflichtig angesehen und der Schnittstellenbetreiber müsste dem Kunden die Umsatzsteuer in Rechnung stellen.