Umsatzsteuerliche Organschaft Tatbestandsvoraussetzungen
Eine juristische Person übt eine gewerbliche Tätigkeit nicht selbständig aus, wenn sie "nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse" in das Unternehmen eines Organträgers finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert ist (so § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG). In der Folge gelten Leistungen im Verhältnis zwischen organschaftszugehörigen (juristischen) Personen grundsätzlich als sog. (nicht steuerbare) Innenumsätze, Umsätze eingegliederter Personen gegenüber Dritten wie Vorsteuerbeträge sind dem Organträger umsatzsteuerlich als eigene zuzurechnen und nur der Organträger ist zur Abgabe von Umsatzsteuermeldungen verpflichtet.
Vorteilhaft für Konzerne
Konzerne können die Organschaft nutzen, um ihre laufende Deklarationspraxis zu vereinfachen, Liquidität zu schonen, und sofern sie auch Umsätze ausführen, die den Vorsteuerabzug ausschließen (vgl. § 15 Abs. 2 UStG), auch um Kostenvorteile zu heben.
Die wirtschaftliche Eingliederung: Vom "weichen" zu einem "harten" Kriterium
Während die Anforderungen an die Annahme einer finanziellen und organisatorischen Eingliederung stets gewachsen sind, gilt die "wirtschaftliche Eingliederung" als "wenig(er) bestimmtes" und "weiches" Kriterium: Zwischen Organträger und Organgesellschaft müssten mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen; die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft bzw. von mehreren Organgesellschaften untereinander müssten miteinander verflochten sein, wobei der Entstehungsgeschichte der Tochtergesellschaft eine wesentliche Bedeutung zukommt. Bei Leistungen des Organträgers an die Organgesellschaft müssten jedoch entgeltliche Leistungen gegeben sein, denen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Bedeutung zukommen müsse.
BFH vom 13.11.2019 (AZ: V R 30/18)
Der BFH hat nunmehr u.a. zu der Frage Stellung nehmen müssen, ob insbesondere verzinslich gewährte Gesellschafterdarlehen neben unentgeltlichen Bürgschaftsübernahmen für Bankdarlehen der Gesellschaft sowie der Einbindung des Gesellschafters in Sale-and-leaseback Geschäfte seiner Gesellschaft mit gruppenzugehörigen Gesellschaften und Dritten ausreichten, um eine wirtschaftliche Eingliederung zu begründen. Der BFH lehnte die wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin (vermeintliche Organgesellschaft) im vorliegenden Fall ab.
Darlehensvergabe im Konzern nur wirtschaftliche Tätigkeit bei Hinwendung an den Markt oder bei Zusammenhang mit anderweitigen Dienstleistungen
Auf den ersten Blick mag die Begründung des BFH, dass die Vergabe verzinslicher Darlehen an Tochtergesellschaften dem nicht unternehmerischen Bereich einer Holding zugehören soll, überraschen. Dies erklärt sich aber zum einen damit, dass die Holding ausschließlich ihrer Tochtergesellschaft Darlehen gewährte und sich mit der Darlehnsvergabe nicht "an den Markt" wendete (gleich einem Kreditinstitut), sondern die Kapitalüberlassung sich ausschließlich im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft abspielte. Zum anderen ging die Valuta maßgeblich auf stehengelassene Gewinnansprüche der Holding zurück. Schließlich konnte die Holding auch nicht glaubhaft machen, dass die Darlehensvergabe anderweitige unternehmerische Tätigkeiten der Holding selbst förderte und sich so als "unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung" weiterer Leistungen gegen Entgelt darstellte. Vielmehr ging der BFH davon aus, dass die Holding gleich einem Kapitalanleger einzuordnen sei, der schlicht eigenes Vermögen verzinslich anlege.
Die Aussage des BFH lässt sich nicht für sämtliche Gesellschafterdarlehen und die Kapitalanlagetätigkeit insgesamt verallgemeinern. Die Verwaltung fremden Vermögens für fremde Rechnung gegen Entgelt ist als unternehmerische Tätigkeit einzuordnen (vgl. hierzu auch § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG). Und sofern Gesellschaften einer Unternehmensgruppe sich gegenseitig Liquidität zur Verfügung stellen, um ihren operativen Geschäftsbetrieb zu finanzieren (Cash Pool), sollte die Kapitalanlage bzw. die Intercompany Darlehensvergabe als Erweiterung einer unternehmerischen Tätigkeit anzusehen sein.
Wirtschaftliche Eingliederung auch nicht aus anderen Tätigkeiten
Wenig überraschend ist hingegen die Aussage, dass die unentgeltliche Bürgschaftsübernahme nicht geeignet sei, eine unternehmerische Tätigkeit zu begründen. Denn hierzu wären "Leistungen gegen Entgelt" nötig gewesen – was bei unentgeltlicher Bürgschaftsübernahme schon definitorisch ausgeschlossen ist. Damit aber hätte die wirtschaftliche Eingliederung sich nur noch aus der Einbindung in "Sale-and-lease-back-Geschäfte" mit Gruppengesellschaften oder Dritten ergeben können. Diese allein aber schienen dem BFH als zu wenig bedeutsam, um eine hinreichend enge Verflechtung annehmen zu können.
Einzelfallbetrachtung der "top down" erbrachten Leistungen für wirtschaftliche Eingliederung erforderlich
Festzuhalten bleibt somit: Nicht jede Förderung der wirtschaftlichen Aktivitäten von Gruppengesellschaften reicht aus, um eine wirtschaftliche Eingliederung des Unternehmens einer Gesellschaft in das Unternehmen ihres Gesellschafters zu begründen. Die hinreichend enge wirtschaftliche Verflechtung setzt bei Leistungen des Gesellschafters an seine Gesellschaft voraus, dass die Leistungen aus Sicht der leistungsempfangenden Gesellschaft qualitativ wertvoll sind, d. h. auf die Verhältnisse der Gesellschaft zugeschnitten und so für die Leistungsempfängerin der Art nach von hinreichender wirtschaftlicher Relevanz sind (Leistungsrichtung Top-Down). Damit stützt sich die wirtschaftliche Eingliederung auf eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls. Das mag für den Praktiker auf den ersten Blick wenig befriedigend erscheinen. Es ist aber eine umsatzsteuerliche Realität, der sich Rechtsanwender stellen müssen und ein Beleg für den Reformbedarf der deutschen umsatzsteuerlichen Organschaftsregelung.