Intelligente robotergestützte Prozessautomatisierung

Der Begriff der robotergestützten Prozessautomatisierung (engl. Robotic Process Automation (RPA)) vereint Robotik in Form von Software-Agenten (Bots) mit der Automatisierung von Prozessen. Dazu nutzen Software-Agenten bestehende Software-Anwendungen [14] und können damit wie Menschen interagieren. Indem sie Programme wie bspw. ERP- und CRM-Systeme aufrufen, innerhalb der Programme navigieren, Informationen extrahieren, Eingaben tätigen, um Informationen zu übertragen, Knöpfe drücken und zwischen verschiedenen Programmen hin und her wechseln, sind sie in der Lage, einen zuvor definierten Arbeitsablauf aus der Anwendersicht auszuführen.

Die von einem sogenannten Bot ausgeführten Aufgaben erfolgen zumeist regelbasiert, gut strukturiert und wiederkehrend bzw. repetitiv [15]. Durch die Automatisierung sollen Arbeitsabläufe beschleunigt, skaliert und letztendlich auch rationalisiert werden. Das Ergebnis sind freiwerdenden Mitarbeiter, die sich auf weitaus wichtigere Aufgaben mit höherer Wertschöpfung konzentrieren können[16]. Die kontinuierliche Integration von KI-Technologien wird auch als intelligente robotergestützte Prozessautomatisierung (iRPA) bezeichnet (siehe folgende Abbildung).

Generell eignen sich sowohl die RPA als auch iRPA für sich wiederholende Aktivitäten, bei denen automatisch vordefinierte Prozesspfade durchlaufen werden. Mit iRPA werden zudem komplexe Berechnungen und die Verarbeitung von unstrukturierten Daten unterstützt. Im steuerlichen Kontext betrifft das oftmals folgende Aspekte [17]:  

(1) Datenbeschaffung: Datenquellen wie bspw. Papierdokumente oder gescannte Dokumente, E-Mails, Sprachkommunikation, die Erfassung über externe Netzwerke und digitale Schnittstellen können mittels Deep Learning, Bildverarbeitung, Texterkennung (OCR) und dem Internet der Dinge maschinell erschlossen werden. Hierfür müssen diese nicht einmal händisch in ein digitales Format übertragen werden. Auch das Auslesen von Webseiten oder Tabellen für den automatischen Übertrag in ein elektronisches Datensystem zur weiteren Verarbeitung eignen sich dafür [18]. 

(2) Datenverarbeitung: Zu den konventionellen Verarbeitungsmethoden zählen die Prüfung von Informationen, die Überprüfung von Regeln, die Eingabe von Anfragen, das Einfügen von Kopien sowie das Wechseln von Anwendungen oder Seiten. Mit der Integration von KI-Anwendungen können RPA-Bots nicht nur zur Automatisierung durch Klickfolgen eingesetzt werden. Auch die Verarbeitung natürlicher Sprache, die Klassifikation von Daten oder die Erkennung von Datenmustern lassen sich in die Abläufe integrieren. Im steuerlichen Bereich sind das z. B. die Bereinigung und die Vereinheitlichung von gesammelten Daten durch die Entfernung von Duplikaten und Inkonsistenzen. Ebenso möglich ist auch der Abgleich von Finanzdaten aus verschiedenen Quellen wie z. B. Kontoauszügen, Rechnungen und Spesenabrechnungen.

(3) Entscheidungsfindung: Zu den traditionellen Methoden zählen Regelsysteme, Datenanalyse, Sammlung von Erfahrungen und mehrdimensionale Datenanalyse. Mit Einsatz von KI-Anwendungen kommen in vielen Aspekten insbesondere Empfehlungssysteme, prädiktive und präskriptive Analysen, Stream-Processing und Big-Data-Analyse mit hinzu. Im steuerlichen Bereich sind das z. B. die Identifikation und der Umgang mit Diskrepanzen, Fehlern, Unstimmigkeiten oder Abweichungen in Daten und Transaktionen. So lassen sich bspw. Einnahmen- und Ausgabenaufzeichnungen abgleichen, Steuerdokumente gegenprüfen und Jahresabschlüsse abstimmen.

(4) Überwachung: Zu den konventionellen Methoden zur Überwachung von Prozessen gehören Daten- und Ergebnisanalyse, Regelüberprüfung, mehrdimensionale Analysen sowie Optimierung und Verbesserung. Bei der Überwachung von Prozessen durch KI-Systeme kommen eher Risikovorhersagen, Deep Learning und maschinelles Lernen, Videoanalyse und die Verarbeitung natürlicher Sprache zum Einsatz. Denn mit all diesen Verfahren lässt sich die Ausführung von Prozessen und Aktivitäten hinsichtlich Qualität und Performanz bequem überwachen. Im steuerlichen Bereich sind das z. B. die permanente Überwachung von Finanzdaten hinsichtlich etwaiger Muster, Trends und Ausreißer sowie die Kategorisierung von Transaktionen auf der Grundlage vordefinierter Regeln. Diese Analyse kann dabei helfen, potenzielle Steuerprobleme oder Bereiche mit Optimierungsbedarf zu identifizieren. Auf diese Weise lassen sich Warnmeldungen oder Berichte über nicht konforme Transaktionen erstellen, damit die zuständigen Steuerberater umgehend Korrekturmaßnahmen ergreifen können. 

Es existiert noch immer kein einheitliches Verständnis darüber, was unter dem Begriff RPA zu verstehen ist – und was nicht. Insbesondere in der Literatur wird der Begriff deutlich weiter gefasst, als es in der Praxis der Fall ist. RPA wird eher als ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Methoden verstanden, die eine automatisierte Prozessausführung unter Verwendung bestehender Anwendungssysteme ermöglichen [19].

Die konkrete Implementierung von iRPA ist zudem mit einigen Herausforderungen verbunden. Doch viele davon resultieren unmittelbar aus der KI-Integration selbst [20]. Hierzu zählen bspw. der Umfang und die Qualität von Trainingsdaten sowie die (oft) mangelnde Erklärbarkeit von Vorhersagen/Entscheidungen der KI-Modelle (vgl. Kapitel Erklärbare Künstliche Intelligenz). Die führenden Anbieter von RPA-Lösungen bieten weiterhin nur geringfügig kognitive Fähigkeiten im standardmäßigen Funktionsumfang. Stattdessen müssen entsprechende Komponenten meist über Drittanbieter durch den Endanwender integriert werden [21]. Dies kann sich bspw. dadurch äußern, dass die RPA-Anbieter eine Art Marktplatz anbieten, in welchem kognitive Komponenten bereitgestellt und direkt in die RPA-Skripte importiert werden können [22]. Andernfalls besteht auch die Möglichkeit, KI-Modelle unabhängig von der RPA-Lösung zu erstellen, die dann von einem RPA-Skript gezielt abgerufen und verwendet werden können.