1. Neuregelungen des DBA für Alterseinkünfte
Grundsätzlich steht nach dem neuen DBA das Besteuerungsrecht für Renten, Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen dem Ansässigkeitsstaat des Empfängers zu. Dies gilt auch für Sozialversicherungsrenten (Ruhegehälter und andere Leistungen, die im Rahmen eines Sozialversicherungssystems eines Vertragsstaats an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person ausgezahlt werden, vgl. Art 17 Abs. 1 Satz 2 DBA 2012).
Abweichend hiervon steht das Besteuerungsrecht auch dem früheren Tätigkeitsstaat zu, wenn
- die Bruttobeträge aller in einem Kalenderjahr bezogenen Ruhegehälter die Summe von 15.000 € übersteigen (Art 17 Abs. 2 DBA 2012), oder •
- das Ruhegehalt nicht regelmäßig wiederkehrender Art ist (Art 17 Abs. 3 DBA 2012).
Art. 17 Abs. 2 und 3 DBA 2012 sind bei Renten, Ruhegehältern und ähnlichen Vergütungen immer zu prüfen, wenn Beiträge oder Zahlungen oder die daraus erlangten Ansprüche im früheren Tätigkeitsstaat zu einer Steuervergünstigung geführt haben (vgl. Tz. 4.). Bei Sozialversicherungsrenten gelten Art. 17 Abs. 1 bis 3 DBA 2012 unabhängig davon, ob die Beiträge steuerlich gefördert waren.
Für in Deutschland ansässige Bezieher von Renten, die nach dem DBA auch in den Niederlanden besteuert werden können, wird die Doppelbesteuerung der Alterseinkünfte durch Anrechnung der niederländischen Steuer auf die deutsche Steuer vermieden (Art 22 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. ee) DBA 2012). Die Niederlande vermeiden für die in ihrem Staat ansässigen Bezieher von Altersbezügen die Doppelbesteuerung durch Steuerermäßigungen (Art 22 Abs. 2 Buchst. b und c DBA 2012).
Für Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen aus dem öffentlichen Dienst i.S.d. Art. 18 Abs. 2 DBA 2012 steht das Besteuerungsrecht ausschließlich dem ehemaligem Tätigkeitsstaat zu.
2. 15.000 € - Grenze
Bei dem Betrag von 15.000 € handelt es sich um eine Freigrenze, in die alle von einer Person in einem Kalenderjahr bezogenen Ruhegehälter (vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben) einzurechnen sind. Auch Ruhegehälter, die nicht regelmäßig wiederkehren (vgl. Tz. 3) sind mitzurechnen, nicht aber Ruhegehälter aus dem öffentlichen Dienst i.S.d. Art. 18 DBA 2012.
3. Einmalzahlungen
Für Ruhegehälter, die nicht regelmäßig wiederkehren (z.B. Leistungen aus Versicherungen mit Kapitalwahlrecht, die in einer Summe ausgezahlt werden) erhält der Zahlstaat immer auch ein Besteuerungsrecht, selbst wenn sie die Freigrenze von 15.000 € nicht überschreiten.
4. Steuerliche Entlastung im früheren Tätigkeitsstaat
Dem Vertragsstaat, der den Aufbau von Renten, Ruhegehältern und ähnlichen Vergütungen steuerlich fördert, soll bei der Auszahlung auch das Besteuerungsrecht zustehen.
Daher gelten nach Art. 17 Abs. 5 DBA 2012 Alterseinkünfte als aus einem Vertragsstaat bezogen, soweit in diesem Staat in der Aufbauphase der jeweiligen Zahlung eine steuerliche Entlastung erfolgte. Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem konkreten Umfang eine Steuervergünstigung gewährt wurde und ob sich diese tatsächlich ausgewirkt hat. Es reicht aus, dass die mit dem Ruhegehalt zusammenhängenden Beiträge eine Steuervergünstigung ermöglichten.
Als Steuervergünstigung werden z.B. die Gewährung eines Sonderausgabenabzugs, die Steuerfreistellung von Beiträgen, die Förderung durch Zulagen oder die gewinnmindernde Bildung von Pensionsrückstellungen zur Finanzierung einer Pensionszusage (Direktzusage) angesehen.
5. Beschränkt steuerpflichtige Bezieher von Altersbezügen
Zu den beschränkt steuerpflichtigen Alterseinkünften gehören:
- Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, der inländischen landwirtschaftlichen Alterskasse, den inländischen berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus inländischen Basisrentenverträ- gen. Dies gilt auch für Leibrenten und andere Leistungen aus ausländischen Zahlstellen, wenn die Beiträge ganz oder teilweise bei der Ermittlung der Sonderausgaben berücksichtigt wurden (§ 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG),
- Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen („Riester-Rente“), Pensionsfonds, Pensionskassen (z.B. Versorgungsanstalten des Bundes und der Länder) und Direktversicherungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 10 EStG0),
- Einnahmen aus einem früheren Dienstverhältnis wie z. B. Wartegelder, Ruhegelder, Werks- oder Betriebsrenten, Witwen- und Waisengelder (Ruhegehälter) sowie andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
Die Zahlungen i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG unterliegen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dem Lohnsteuerabzug. Beschränkt steuerpflichtige Empfänger von Zahlungen i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 7 und 10 EStG müssen eine Einkommensteuererklärung abgeben.
6. Folgen für den Lohnsteuerabzug für beschränkt steuerpflichtige Rentenempfänger
Wenn die Freigrenze von 15.000 € (vgl. Tz. 2.) über das gesamte Kalenderjahr betrachtet nicht überschritten wird, kann der Betriebsrentner, bzw. der Arbeitgeber in seinem Namen nach § 39 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 5 EStG beim Betriebsstättenfinanzamt einen „Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer“ stellen und dort die Freistellung vom Steuerabzug beantragen.
Das Nicht-Überschreiten der 15.000 € - Grenze muss gegenüber dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt nachgewiesen werden. In der Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug wird vermerkt, dass das DBA-Niederlande 2012 anzuwenden ist und dass die Freigrenze von 15.000 € nach Art. 17 Abs. 2 DBA 2012 zu berücksichtigen ist.
Wurden die Zahlungen des Arbeitgebers in Deutschland dem Lohnsteuerabzug unterworfen, obwohl das Besteuerungsrecht wegen Unterschreitens der 15.000 € - Grenze ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat Niederlande zusteht, kann der beschränkt steuerpflichtige Betriebsrentner beim Betriebsstättenfinanzamt (formlos) einen Erstattungsantrag in analoger Anwendung des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG stellen, soweit die entsprechenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht bereits im Rahmen einer Einkommensteuerveranlagung erfasst wurden (vgl. Tz. 7).
7. Zuständigkeiten für das Veranlagungsverfahren der beschränkt steuerpflichtigen Bezieher von Alterseinkünften
Bezieht der Mitarbeiter lediglich eine Betriebsrente, die dem Lohnsteuerabzug unterliegt, ist die Versteuerung in Deutschland mit dem Lohnsteuerabzug abgegolten. Eine Einkommensteuerveranlagung unterbleibt.
Die Abgeltungswirkung gilt aber nicht, wenn in die Bescheinigung für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer ein Freibetrag eingetragen wurde oder wenn der Mitarbeiter nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eine Einkommensteuerveranlagung beantragt. In diesen Fällen ist das für den Lohnsteuerabzug des Arbeitgebers zuständige Betriebsstättenfinanzamt für die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung zuständig.
Das Finanzamt Neubrandenburg ist zuständig, wenn der beschränkt Steuerpflichtige auch Altersbezüge bezieht, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen (z.B. aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung oder Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 5 EStG). Bei Überschreiten der Freigrenze von 15.000 € oder wenn die Alterseinkünfte in einem Einmalbetrag ausgezahlt wurden, erfolgt die Einkommensteuerveranlagung durch dieses Finanzamt. Die dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Betriebsrenten werden in die Prüfung der 15.000 € - Grenze einbezogen. Bei der Veranlagung bleiben sie aber unberücksichtigt, wenn der Lohnsteuerabzug abgeltende Wirkung hat. Dies gilt auch, wenn aufgrund der geringen Höhe der Rente keine Lohnsteuer angefallen ist.
Wenn der Lohnsteuerabzug nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG keine abgeltende Wirkung hat, weil nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 3 EStG nicht vorgelegen haben, ist das Finanzamt, in dessen Bezirk die Tätigkeit in Deutschland vorwiegend ausgeübt worden ist, insgesamt für die Veranlagung zuständig (§ 19 Abs. 2 AO).
8. Übergangsregelung für das Kalenderjahr 2016
Nach Art. 12 des alten DBA (DBA 1959) stand das Besteuerungsrecht für Altersbezüge ohne weitere Voraussetzungen ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat zu. Lediglich aus öffentlichen Kassen gezahlte Renten und Bezüge für frühere Dienstleistungen konnten im früheren Tätigkeitsstaat versteuert werden.
Nach Artikel 33 Abs. 6 DBA 2012 kann der Mitarbeiter für das Kalenderjahr 2016 wählen, ob für dieses Jahr noch die Regelungen des alten DBAs angewendet werden sollen. Macht er von dieser Übergangsregelung Gebrauch, wird das örtlich zuständige Finanzamt auf seinen Antrag hin ohne Prüfung, ob er sich dadurch tatsächlich steuerlich günstiger stellt, das bisherige DBA auf alle Einkünfte und nicht nur im Verhältnis zu einzelnen Artikeln des DBA 2012 anwenden.
Das Wahlrecht kann formlos von jedem Mitarbeiter ausgeübt werden, der sowohl nach dem DBA 2012 abkommensberechtigt ist, als auch nach dem DBA 1959 abkommensberechtigt gewesen wäre.
Für das Veranlagungsverfahren ist der entsprechende Antrag bei dem für die Veranlagung zuständigen Finanzamt zu stellen. Erfolgt die Wahlrechtsaus- übung bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren, ist der Antrag bei dem für den Lohnsteuerabzug zuständigen Betriebsstättenfinanzamt zu stellen.
Das Wahlrecht kann grundsätzlich bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist ausgeübt werden, solange der betreffende Steuerbescheid nicht bestandskräftig ist bzw. nach den Vorschriften der AO noch geändert werden kann.
Das zuständige Finanzamt informiert die Niederlande durch Spontanauskunft über die Ausübung des Wahlrechts und dessen Änderung.