Energiesammelgesetz vom 17.12.2018
Im Dezember 2018 beschloss der Deutsche Bundestag mit dem sog. Energiesammelgesetz zahlreiche Neuerungen im Bereich des Energierechts. Für die stromkostenintensive Industrie von besonderem Interesse sind die neuen Regelungen zum Messen und Schätzen privilegierter Strommengen. Dabei handelt es sich um Vergünstigungen bei der EEG-Umlage, der KWKG-Umlage, der Offshore-Haftungsumlage und bei den Netzentgelten. Die Kernbestimmungen hierfür beziehen sich auf die EEG-Umlage und finden sich in §§ 62a und b EEG 2017. Übergangsregelungen enthalten die Absätze 10 und 11
des § 104 EEG 2017. Für die Reduktionen bei KWKG-Umlage, Offshore- Haftungsumlage und Netzentgelten verweisen das KWKG, das EnWG und die Stromnetzentgeltverordnung jeweils auf die genannten neuen EEG-Bestimmungen. Die §§ 62a und b sowie 104 Abs. 10 und 11 EEG 2017 gelten hier also auch.
Messung als Voraussetzung für Privilegierung bei Stromkostenbestandteilen
Die Grundregel enthält § 62b Abs. 1 EEG 2017. Danach sind Strommengen, für die die volle oder anteilige EEG-Umlage zu zahlen ist, durch mess- und eichrechtskonforme Messeinrichtungen zu erfassen. Gleiches gilt für die Abgrenzung von Strommengen mit verschieden hoher EEGUmlage wie zum Beispiel bei Eigenversorgung oder im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung. Schließlich sind, insbesondere im Rahmen der Antragstellung für die Besondere Ausgleichsregelung, auch selbst verbrauchte Strommengen von an Dritte weitergeleiteten Strommengen abzugrenzen. Zweck all dieser Regelungen ist es, die missbräuchliche Inanspruchnahme von Stromkostenprivilegierungen zu vermeiden. Bei der EEG-Umlagen- Privilegierung im Rahmen der Eigenversorgung ist außerdem noch erforderlich, dass Erzeugung und Selbstverbrauch strikt zeitgleich bezogen auf jedes 15-Minuten- Intervall stattfinden. Es können also nicht etwa Erzeugung und Selbstverbrauch über bestimmte Zeiträume saldiert und dabei zwischenzeitlich auch Strommengen von Dritten bezogen werden.
Bagatellregelung für Drittstrommengen
Würde man eine Abgrenzung von Selbstverbrauch und Drittverbrauch für jede noch so geringe Strommenge verlangen, führte dies zu technisch unmöglichem oder unverhältnismäßigem Messaufwand, man denke nur an Strom, der zum Aufladen von Telefonen, Benutzen von mitgebrachten Notebooks und Laptops, beim Kaffeekochen, durch Reinigungsteams oder für kleinere Handwerkerarbeiten bereit gestellt wird. Für solche und ähnliche Konstellationen enthält § 62a EEG 2017 eine Vereinfachungsregelung. Danach müssen bestimmte Bagatellstrommengen nicht abgegrenzt werden, können also dem weiter leitenden Unternehmen als Selbstverbrauch zugerechnet werden. Voraussetzung hierfür ist unter anderem, dass es sich um geringfügige Strommengen handelt und diese nicht gesondert abgerechnet werden. Auch die Unternehmensgröße und die Höhe seines Stromverbrauchs soll bei der Bewertung berücksichtigt werden.
Abgrenzung von Selbstverbrauch und Weiterleitung
Soweit die Bagatellregelung nicht greift, ist eine genaue Abgrenzung von selbst verbrauchten Strommengen und Drittstrommengen vorzunehmen. Dies ist insbesondere bei der Antragstellung im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung von hoher praktischer Bedeutung, denn nur die selbst verbrauchten Strommengen dürfen zur Ermittlung der Stromkostenintensität (SKI) – einer wichtigen Größe für die Reduzierung der EEG-Umlage – herangezogen werden. Maßgeblich für die Zurechnung des Stroms ist, wer jeweils Betreiber der Stromverbrauchseinrichtung ist. Hier kommt es bei Einschaltung Dritter auf dem Betriebsgelände zu Abgrenzungsproblemen. Maßgeblich ist, wer die tatsächliche Sachherrschaft über dieStromverbrauchseinrichtungen ausübt, deren Fahrweise bestimmt und das wirtschaftliche Risiko von Stromausfällen trägt. Dies erfordert neben einer Vertragsanalyse auch eine tatsächliche Betrachtung.
Ausnahmsweise Schätzung möglich
Bei technischer Unmöglichkeit oder wirtschaftlicher Unzumutbarkeit des Einsatzes von geeichten Zählern erlaubt § 62b Abs. 2 Nr. 2 EEG 2017 auch den Einsatz von Schätzverfahren. Diese müssen dann jedoch die Voraussetzungen nach § 62b Abs. 3 EEG 2017 erfüllen. So müssen sie in sachgerechter und in einer für nicht sachverständige Dritte jederzeit nachvollziehbaren und nachprüfbaren Weise erfolgen. Außerdem verlangt § 62b Abs. 4 EEG 2017 eine Testierung der Korrektheit von Schätzungen durch Wirtschaftsprüfer.
Messung und EEG Begrenzungsbescheide
Die Neuregelung soll Rechtsklarheit in einen Bereich bringen, der bisher ohne gesetzliche Grundlage nur durch Hinweisblätter des BAFA „geregelt“ wurde. Das BAFA äußerte sich daher noch im Dezember 2018 gleich mit drei Hinweisschreiben zu den neuen Regelungen. So verlangt das BAFA etwa eine Überprüfung der Angaben zu Drittstrommengen vor dem Hintergrund der neuen Regelungen und ggf. angepasste WP-Testate sowie das Ausfüllen von Fragebögen zum Thema Weiterleitung. Hierfür hat das BAFA eine Frist bis zum 31.03.2019 gesetzt. Die Erteilung der Begrenzungsbescheide wurde hiervon aber nicht abhängig gemacht. Sofern jedoch die geforderten Angaben noch nicht gemacht wurden, ergingen die Begrenzungsbescheide unter Änderungsvorbehalt. Sie können also ggf. angepasst oder gar zurückgenommen werden.
Werkverträge, Dienstverträge und Leiharbeit aus der Sicht des BAFA
Für große Irritationen sorgt das BAFA mit seinen Äußerungen zur Abgrenzung von Werk- und Leiharbeitnehmerverträgen. Diese Abgrenzung ist wichtig, da bei Werkverträgen SKI-mindernde Stromweiterleitung vorliegt, bei Leiharbeitnehmern hingegen Eigenverbrauch des Antragstellers. Außerdem darf Aufwand für Werkverträge im Rahmen der Bruttowertschöpfungsrechnung abgesetzt – und damit SKI-erhöhend – angesetzt werden, was bei Leiharbeitnehmern nicht erlaubt ist. Diese Abgrenzung kann daher von immenser Bedeutung für den Erfolg von Begrenzungsanträgen sein. Statt jedoch die fein ausdifferenzierte und gängige arbeitsrechtliche Abgrenzung zwischen Werkvertrag und (offenen wie verdeckten) Leiharbeitnehmerverträgen zu übernehmen, scheint das BAFA eine eigene dritte Kategorie einführen zu wollen, welche sie als Dienstvertrag bzw. Dienstverschaffungsvertrag bezeichnet. In solchen Fällen will sich das BAFA offenbar ein Prüfungsrecht vorbehalten und Fälle in die Kategorie Leiharbeitnehmer einstufen, die es arbeitsrechtlich gar nicht sind. Hintergrund ist die Befürchtung des BAFA, durch Werk- und Dienstverträge würde es zu Missbrauch bei der Antragstellung kommen. Dadurch zwingt das BAFA Antragsteller wie Wirtschaftsprüfer, Sachverhalte entgegen den Vorgaben der Bruttowertschöpfungsrechnung zu Faktorkosten nach der Definition des Statistischen Bundesamtes darzustellen. Dies führt zu Unsicherheiten der Wirtschaftsprüfer bei der Bearbeitung der EEG-Testate.
Klagen gegen die neue BAFA-Praxis wahrscheinlich
Mit seiner eigenmächtigen Abwandlung der Bruttowertschöpfungsrechnung betritt das BAFA dünnes Eis. Der Gesetzgeber hat eindeutig eine durchgängige Anwendung der Grundsätze der Bruttowertschöpfungsrechnung zu Faktorkosten nach der Definition des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 4, Reihe 4.3 vorgeschrieben und bewusst nur eine einzige Abweichung bei den Leiharbeitnehmern zugelassen. Das BAFA variiert nun die Bruttowertschöpfungsrechnung entgegen dieser Vorgabe in einschneidender Weise, indem es die Kategorie von Dienstverträgen mit Verdacht auf Leiharbeitnehmerschaft einführt, die es nach der Definition der Bruttowertschöpfungsrechnung des Statistischen Bundesamtes nicht gibt. Etwa im Stromsteuerbereich untersagt die Rechtsprechung der Exekutive solche Manipulationen bei Verweisen des Gesetzgebers auf statistische Methoden und Regelwerke. Klagen gegen diese Verwaltungspraxis des BAFA könnten daher durchaus erfolgversprechend sein.
Genauer informieren zu diesen Themen können Sie sich auf unserem Jahresseminar in Düsseldorf am 09.4.2019 sowie auf einer EEG-Spezialveranstaltung bei der WTS Stuttgart am 30.04.2019.