Am 08.05.2019 hat das BMF unter dem Namen „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ den Referentenentwurf des angekündigten JStG 2019 veröffentlicht.
Aus Unternehmenssicht ist steuerpolitisch insbesondere die seit langem diskutierte grunderwerbsteuerliche Neuregelung der sog. Share Deals bedeutsam. In diesem Entwurf allerdings noch nicht enthalten sind die ebenfalls bereits vor vielen Jahren angekündigte Reform der Hinzurechnungsbesteuerung sowie die Umsetzung der ATAD II-Richtlinie. Beides bleibt einem gesonderten Gesetzesvorhaben vorbehalten. Ein Referentenentwurf dazu ist eher erst im Sommer zu erwarten. Enthalten sein soll darin dann dem Vernehmen nach auch eine Verbesserung der Thesaurierungsbegünstigung sowie die Einführung des sog. Optionsmodells für Personengesellschaften zur Körperschaftsteuer.
Zur weiteren Umsetzung des Zieles der umweltfreundlichen Mobilität sind nach dem In-Kraft-Treten entsprechender steuerlicher Regelungen zur Förderung im Jahr 2018 zusätzliche Maßnahmen im Steuerrecht vorgesehen. Hierzu gehören insbesondere:
- Einführung einer Sonderabschreibung für nach dem 31.12.2019 angeschaffte rein elektrische Lieferfahrzeuge in Höhe von 50 % der Anschaffungskosten im Jahr der Anschaffung (§ 7c EStG-E).
- Verlängerung (stufenweise in Bezug auf die Mindestreichweite) der Halbierung der Bemessungsgrundlage bei der Dienstwagenbesteuerung für private Nutzung eines betrieblichen Elektro- oder extern aufladbaren Hybridelektrofahrzeugs, d.h. Anwendung für Anschaffungen bis einschließlich 31.12.2030 (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 Nr. 3 und 4 EStG-E).
- Einführung einer Halbierung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Miet- oder Leasingaufwand für Elektro- oder extern aufladbare Hybridelektrofahrzeuge mit entsprechend der Dienstwagenbegünstigung normierter stufenweiser Mindestreichweite sowie für Fahrräder, die keine Kraftfahrzeuge sind (§ 8 Nr. 1d S. 2 GewStG-E). Die Regelung soll nur auf Entgelte anzuwenden sein, die auf Verträgen beruhen, die nach dem 31.12.2019 abgeschlossen worden sind, und letztmals für den Erhebungszeitraum 2030 gelten (§ 36 Abs. 3 GewStG-E).
- Verlängerung der Steuerbefreiung des zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährten geldwerten Vorteils aus der Überlassung eines betrieblichen (Elektro-)Fahrrads durch den Arbeitgeber (§ 3 Nr. 37 EStG) bis zum Ablauf des Jahres 2030 (§ 52 Abs. 4 S. 7 EStG-E). Entsprechende Verlängerung auch der parallelen Entnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 6 EStG für die private Nutzung eines betrieblichen (Elektro-)Fahrrads (§ 52 Abs. 12 S. 2 EStG-E).
- Verlängerung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 46 EStG für vom Arbeitgeber gewährte Vorteile für das elektrische Aufladen eines Elektrofahrzeugs oder Hybridelektrofahrzeugs im Betrieb des Arbeitgebers oder eines verbundenen Unternehmens und für die zeitweise zur privaten Nutzung überlassene betriebliche Ladevorrichtung bis zum Ablauf des Jahres 2030 (§ 52 Abs. 4 S. 14 EStG-E). Gleiches gilt für die Pauschalversteuerung für geldwerte Vorteile aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übereignung einer Ladevorrichtung sowie für Zuschüsse zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für den Erwerb und für die Nutzung einer Ladevorrichtung nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 EStG (§ 52 Abs. 37c EStG-E).
- Neue Pauschalbesteuerung von 25 % für Zuschüsse des Arbeitgebers zu den Aufwendungen der Mitarbeiter für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ohne Anrechnung auf die Entfernungspauschale, insbesondere bei Jobtickets (§ 40 Abs. 2 EStG-E).
Die Bereiche Entlastungen für Arbeitnehmer, Wohnungsmarkt, Vereinfachung und Digitalisierung betreffen insbesondere folgende Maßnahmen:
- Anhebung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen von 24 € auf 28 € und von 12 € auf 14 € (§ 9 Abs. 4a S. 3 EStG-E).
- Einführung eines neuen Pauschbetrags für Berufskraftfahrer in Höhe von 8 € täglich (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5b EStG-E).
- Einführung einer Einkommensteuerbefreiung von Sachleistungen des Wohnraumnehmers und des Wohnraumgebers zur Förderung alternativer Wohnformen (z. B. „Wohnen für Hilfe“), § 3 Nr. 49 EStG-E.
- Bewertungsabschlag von einem Drittel der ortsübliche Kaltmiete bei Mitarbeiterwohnungen, sofern die ortsübliche Kaltmiete 20 Euro/qm nicht übersteigt (§ 8 Abs. 2 S. 12 EStG-E).
- Einführung des ermäßigten Steuersatzes für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften in elektronischer Form (§ 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG-E).
- Regelungen für den Abruf im ELStAM-Verfahren für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer anstelle derzeitiger Papierbescheinigungen (§ 39 Abs. 3 EStG-E).
- Möglichkeit zur vollständig automationsgestützten Anordnung einer Fristverlängerung (§ 109 Abs. 4 AO-E).
Darüber hinaus erfolgen Maßnahmen zur Gestaltungsbekämpfung und Sicherung des Steueraufkommens, insbesondere:
- Neuregelung von sog. Share Deals bei der Grunderwerbsteuer für Erwerbe nach dem 31.12.2019:
- Absenkung der Beteiligungsschwellen von 95 % auf 90 % unter Vermeidung von Besteuerungslücken bei bestehenden Beteiligungsquoten zwischen 90 % und 95 %.
- Anhebung der Haltefristen von 5 auf 10 Jahre.
- Einführung eines § 1 Abs. 2b GrEStG-E für Kapitalgesellschaften (entsprechend § 1 Abs. 2a GrEStG).
- Rückwirkende Versagung der „Alt“-Gesellschafter-Eigenschaft bei Kapitalgesellschaften infolge Zeitablaufs (§ 23 Abs. 18 GrEStG-E).
- Bedarfswert als Mindestwert für Veräußerungen zwischen den an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträgern innerhalb des Rückwirkungszeitraums (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG-E).
- Unbegrenzter Verspätungszuschlag bei verspäteten Anzeigen (§ 19 Abs. 6 GrEStG-E).
- Aktualisierung der Regelungen zum Kapitalertragsteuerabzug (§§ 43, 44 EStG-E).
Reaktion auf BFH-Rechtsprechung, insbesondere:
- Gewerbliche Abfärbung auch bei Verlusten (§ 15 Abs. 3 EStG-E);
- Damit soll mit Rückwirkung die bisherige Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung wiederhergestellt und gesetzlich abgesichert werden, wonach auch eine land- und forstwirtschaftlich, freiberuflich oder vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft in vollem Umfang gewerbliche Einkünfte bezieht, wenn sie daneben nur negative gewerbliche (Beteiligungs-)Einkünfte erzielt. Der BFH hatte mit Urteil vom 12.04.2018 (IV R 5/15) entschieden, dass es nicht zu einer solchen „Abfärbung“ kommt, wenn (isoliert betrachtet) die Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit negativ sind.
- Neuregelung beim Ausfall von Kapitalanlagen (§ 20 EStG-E):
- Klargestellung in § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a EStG-E, dass der Verfall von Optionen im Privatvermögen einkommensteuerrechtlich nicht von Bedeutung ist (entgegen BFH-Urteilen vom 12.01.2016, IX R 48/14, IX R 49/14, IX R 50/14); erstmals anzuwenden auf Termingeschäfte, die nach dem 31.12.2019 abgeschlossen werden.
- Mit Ergänzung des § 20 Abs. 2 S. 3 Nr. 1, 2 und 4 EStG-E wird in Reaktion auf das BFH-Urteil vom 24.10.2017 (VIII R 13/15) klargestellt, dass insbesondere der durch den Ausfall einer Kapitalforderung oder die Ausbuchung einer Aktie entstandene Verlust steuerlich unbeachtlich sein soll. Um Umgehungsgeschäfte zu vermeiden, soll nach § 20 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 EStG-E auch die Veräußerung von wertlosen Wirtschaftsgütern steuerlich unbeachtlich sein. Der neue § 20 Abs. 2 S. 3 EStG-E soll nach der allgemeinen Anwendungsregelung in § 52 Abs. 1 EStG-E erstmals für den Veranlagungszeitraum 2020 anzuwenden sein. Die Regelungen entfalten unechte Rückwirkung. Die Rechtsfolgen treten zwar erst nach ihrer Verkündung ein. Erfasst werden tatbestandlich allerdings auch Sachverhalte, die bereits vor dem 01.01.2020 in Gang gesetzt wurden.
- Sollte diese Neuregelung so kommen, wird sie aus unserer Sicht im Hinblick auf eine Ungleichbehandlung von Gewinnen und Verlusten sicherlich auch noch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen.
- Fondsetablierungskosten sollen – entgegen BFH-Urteil vom 26.04.2018 (IV R 33/15) – rückwirkend weiterhin zu den Anschaffungskosten gehören und nicht zu den sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben/Werbungskosten (§ 6e EStG-E ggf. i.V.m. § 9 Abs. 5 S. 2 EStG).
- Neudefinition der Geldleistung in Abgrenzung zum Sachbezug (44-Freigrenze) in Folge der BFH-Urteile vom 07.06. und 04.07.2018 (VI R 13/16 und VI R 16/17), § 8 Abs. 1 S. 2 und 3 EStG-E; Ausschluss von zweckgebundenen Beiträgen zu Zukunftssicherungsleistungen und von Geldkarten vom Sachlohn, klassische Gutscheine bleiben Sachlohn.
- Haftung der Organgesellschaft bei mehrstufiger Organschaft (§ 73 AO-E);
In Reaktion auf das BFH-Urteil vom 31.05.2017 (I R 54/15) soll sichergestellt werden, dass ein Haftungsbescheid gegenüber der (nachrangigen) Organgesellschaft erlassen werden kann, die eine Steuerschuld wirtschaftlich verursacht hat beziehungsweise bei der ein Haftungsanspruch durchsetzbar erscheint. Der neue § 73 AO-E soll anwendbar sein, wenn der haftungsbegründende Tatbestand nach der Gesetzesverkündung verwirklicht worden ist.
Zwingend notwendige Anpassungen an das EU-Recht und an die Rechtsprechung des EuGH.
Dies sind bei der Umsatzsteuer zum einen die sog. Quick Fixes, d. h. dringend umsetzungsbedürftige Maßnahmen im Mehrwertsteuersystem der EU:
- Direktlieferung bei Lieferung in ein Konsignationslager (§ 6b UStG-E).
- Änderungen bei Reihengeschäften (§ 3 Abs. 6a UStG-E).
- Änderungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a Abs. 1 S. 1 UStG-E).
Zum anderen bei der Umsatzsteuer:
- Umsetzung des EuGH-Urteils zur Margenbesteuerung bei Reiseleistungen.
- Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen von selbständigen Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder.
Bei der Gewerbesteuer:
- Änderung der Kürzungsnorm des § 9 Nr. 7 GewStG für Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Ausland geändert (Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.09.2018, C-685/16 (EV):
- Künftig soll die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG-E auf Gewinne aus Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft angewendet werden, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mind. 15 % am Nennkapital beträgt.
- Die Neuregelung unterscheidet künftig nicht mehr danach, ob es sich um eine Gesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im EU-Ausland oder im übrigen Ausland handelt. Die einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen für ausländische Kapitalgesellschaften des bisherigen § 9 Nr. 7 S. 1 Hs. 1 GewStG („seit Beginn des Erhebungszeitraums“ und Aktivitätsvoraussetzungen) werden gestrichen. Gleichzeitig wird die bisherige niedrigere Beteiligungsvoraussetzung in Höhe von 10 % für EU-Gesellschaften des § 9 Nr. 7 S. 1 letzter Hs. GewStG aufgehoben. Laut der Gesetzesbegründung soll kein Zwang bestehen, die Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie (Beteiligungshöhe von 10 %) auch für gewerbesteuerliche Zwecke zu beachten.
- Die bisherigen Regelungen des § 9 Nr. 7 S. 2 GewStG (Minderung des Kürzungsbetrags um unmittelbar mit den Gewinnanteilen im Zusammenhang stehenden Aufwand), § 9 Nr. 7 S. 3 GewStG (Klarstellung, dass nach § 8b Abs. 5 KStG nicht abziehbare Betriebsausgaben keine Gewinnanteile sind) und § 9 Nr. 7 S. 8 GewStG (Nichtanwendung der Kürzung auf Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und Pensionsfonds) bleiben bestehen (künftig § 9 Nr. 7 S. 2 GewStG-E).
- Die Anwendung ist nach § 36 Abs. 1 GewStG erst ab dem Erhebungszeitraum 2020 vorgesehen. Bis einschließlich des Erhebungszeitraums 2019 gelten daher für Drittstaatssachverhalte weiterhin die gleich lautenden Ländererlasse vom 25.01.2019.
Zudem wird weiterem fachlich gebotenen Regelungsbedarf im Steuerrecht nachgekommen, insbesondere erfolgen auch die Klarstellung von Zweifelsfragen, sowie Folgeänderungen, Fehlerkorrekturen und sonstige redaktionelle Änderungen:
- Enthalten sind auch einige – zum Teil klarstellende – Änderungen des Investmentsteuergesetzes. Zu nennen sind beispielswiese eine Anpassung der Definition der Kapitalbeteiligung und des Immobilienfonds sowie des Umfangs der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerpflicht eines Investmentfonds.
- Ausweitung des Betriebsausgabenabzugsverbots für Hinterziehungszinsen auf Betriebssteuern, d. h. auch soweit darauf Nachzahlungszinsen angerechnet werden (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8a EStG-E); anzuwenden erstmals auf nach dem 31.12.2018 festgesetzte Zinsen i. S. der Vorschrift.
Die Verbände sind bis zum 05.06.2019 zur Stellungnahme aufgefordert. Das Gesetzgebungsverfahren soll im Laufe des Jahres 2019 abgeschlossen werden.