Das BMF hat am Abend des 10.12.2019 – mit einer inakzeptablen Stellungnahmefrist bis 13.12.2019 um 14:00 Uhr – und damit nur drei Wochen vor Ablauf der Umsetzungsfrist zum Jahresende 2019 den insgesamt 108 Seiten umfassenden Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) und zur Reform des Außensteuerrechts veröffentlicht. Mit dem Gesetzentwurf werden Art. 5 (Entstrickungsund Wegzugsbesteuerung) und Art. 9, 9b (Hybride Gestaltungen) der ATAD umgesetzt sowie die Hinzurechnungsbesteuerung (Art. 7 und 8 ATAD) reformiert und zeitgemäß und rechtssicher ausgestaltet. Die Niedrigbesteuerungsgrenze bleibt – zumindest nach dem vorliegenden Referentenentwurf – weiter bei 25 %. Auch eine Entlastung von der Gewerbesteuer ist nicht vorgesehen.
In diesem Zusammenhang werden auch die Regelungen zur Sicherstellung einer fairen Aufteilung der Besteuerungsrechte bei multinationalen Unternehmen zeitgemäß ausgestaltet (§ 90 AO, § 1 AStG) sowie eine klare Rechtsgrundlage für Vorabverständigungsverfahren (§ 89a AO) geschaffen, um die Rechtssicherheit für Verwaltung und Steuerpflichtige zu stärken.
Im Ergebnis enthält der Entwurf zahlreiche Verschärfungen. Bereits am 18.12.2019 soll das Bundeskabinett den Regierungsentwurf beschließen, um den Vertrauensschutz noch vor Jahresende zu durchbrechen. Auch wenn das Gesetzgebungsverfahren erst in 2020 abgeschlossen wird, könnten so die wesentlichen Teile des Reformpakets rückwirkend für den Veranlagungszeitraum 2020 angewendet werden. Es ist allerdings noch unklar, ob der geplante Kabinettstermin am 18.12.2019 eingehalten werden kann. Insbesondere der „Niedrigsteuersatz“ von 25 % ist innerhalb der Bundesregierung stark umstritten und könnte zu einer Verschiebung führen.
Im Wesentlichen enthält der Referentenentwurf folgende Änderungen:
Hybride Gestaltungen und Inkongruenzen bei der Ansässigkeit (Art. 9 und 9b ATAD)
- Kern der Änderung ist der neu eingeführte § 4k EStG-E, der für verschiedene Situationen von Besteuerungsinkongruenzen auf Grund hybrider Elemente das Betriebsausgabenabzugsverbot beschränkt. Die Regelung soll erstmals für Aufwendungen anzuwenden sein, die nach dem 31.12.2019 entstehen.
- Gleichzeitig wird in § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG-E und § 3 Nr. 40 Buchstabe d Satz 3 EStG-E angeordnet, dass Erträge aus einer hybriden Gestaltung steuerlich berücksichtigt werden, soweit die Besteuerungsinkongruenz nicht oder nur teilweise – z. B. durch die Anwendung einer dem § 4k Abs. 1 EStG-E entsprechenden Regelung – im anderen Staat beseitigt wurde. Die Regelungen sollen erstmals für Bezüge anzuwenden sein, die nach dem 31.12. 2019 zufließen.
- Der neu angefügte § 50d Abs. 9 Nr. 3 EStG-E entspricht der Empfehlung des OECD-Berichts zur Neutralisierung der Effekte sog. „hybrid branches“ (Hybrid branch-Bericht 2017), der Gestaltungen im Zusammenhang mit Betriebsstättensachverhalten adressiert. Die Regelung versagt die DBA-Freistellung solcher Einkünfte, die im ausländischen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie dieser Staat einer Betriebsstätte in einem anderen Staat zuordnet oder die auf Grund einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung die steuerliche Bemessungsgrundlage in dem anderen Staat mindern. Die Regelung soll erstmals für den Veranlagungszeitraum 2020 anzuwenden sein.
Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung (Art. 5 ATAD)
- Die Regelungen zur Ent- und Verstrickung werden um Anforderungen des Art. 5 ATAD, insbesondere um Fälle des Wegfalls einer Beschränkung von deutschen Besteuerungsrechten („Verstärkung“, z. B. auf Grund der Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer Anrechnungsbetriebsstätte in eine inländische Betriebsstätte), ergänzt (§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 9, § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5a und 5b EStG-E sowie § 12 Abs. 1 und 1a KStG-E). Im Rahmen der insoweit neuen doppelten Fiktion (Entstrickung und Verstrickung) wird die Verpflichtung umgesetzt, die bei der ausländischen Entstrickungsbesteuerung angesetzten Werte anzuerkennen, sofern diese dem Marktwert entsprechen. Die Regelungen sollen erstmals für nach dem 31.12. 2019 endende Wirtschaftsjahre anzuwenden sein.
- Auch die Regelungen zur zeitlichen Streckung der Besteuerung des Entstrickungsgewinns werden an die Vorgaben der ATAD angepasst (§ 4g EStG-E, ggfs. i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz KStG, § 36 Abs. 5 EStGE). § 4g EStG-E wird auf beschränkt Steuerpflichtige erstreckt. Gleichzeitig wird die Einschränkung auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens aufgegeben und die Norm über § 36 Abs. 5 EStG-E auf EWR-Staaten erweitert, mit denen ein der Amtshilfe- sowie der Beitreibungsrichtlinie vergleichbares Abkommen besteht. Zudem wird klargestellt, dass der Ausgleichsposten auch in Fällen einer sog. passiven Entstrickung gebildet werden kann. Den erweiterten Katalog von Widerrufsgründen enthält künftig einheitlich die Grundregelung in § 36 Abs. 5 EStG-E. § 4g Abs. 2 Satz 2 EStG-E sieht den entsprechenden Verweis vor und eröffnet der Finanzbehörde zudem die Möglichkeit, bei Gefährdung des Steueranspruchs aus der Auflösung des Ausgleichspostens vom Steuerpflichtigen eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Wird diese nicht erbracht, ist der Ausgleichsposten ebenfalls aufzulösen. Die bislang in § 4g Abs. 3 EStG generell vorgesehene steuerneutrale Auflösung eines Ausgleichspostens im Fall der Rückführung eines Wirtschaftsguts wird ersatzlos gestrichen. § 4g EStG-E soll in allen offenen Fällen anzuwenden sein.
- Die sog. Wegzugsbesteuerung, d.h. die Annahme einer fiktiven Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen i.S.d.§ 17 EStG bei Wegzug einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person soll zukünftig erheblich verschärft werden. Bis dato zieht der Wegzug in ein EU/EWR-Land (bzw. die Vererbung oder Schenkung an Personen in einem EU/EWR-Land) nur die Festsetzung der Steuerlast nach sich, die Besteuerung selbst wird aber bis zum tatsächlichen Verkauf oder dem Weiterzug in ein Drittland zinslos gestundet. Bei Wegzügen ab 2020 soll nicht mehr danach unterschieden werden, in welches Land der Steuerpflichtige zieht. Eine Stundung ist zwar für alle Fälle auf Antrag des Steuerpflichtigen vorgesehen, erfolgt aber grundsätzlich nur noch ratierlich. D.h. die Veräußerungsgewinnbesteuerung wird in jedem Fall ausgelöst, wobei die Besteuerungsfolgen über sieben Jahre gestreckt werden können. Insbesondere eine Stundung bis zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile ist nicht mehr vorgesehen. Lediglich die Regelungen, eine nur vorübergehende Abwesenheit betreffend, sind im Sinne der Steuerpflichtigen vereinfacht worden. Zum einen ist der vorherige Nachweis einer Rückkehrabsicht nicht mehr notwendig und zum anderen ist die Frist für die Annahme einer nur vorübergehenden Abwesenheit von fünf auf sieben Jahre verlängert worden. Um künftig von der Wegzugsbesteuerung betroffen zu sein, reicht es künftig aus, dass man in sieben der letzten zwölf Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war.
Reform der Hinzurechnungsbesteuerung (Art. 7 und 8 der ATAD)
Der Referentenentwurf des ATADUmsG enthält folgende wesentliche Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG):
- Eine Beherrschung soll nach dem ATADUmsG-E vorliegen, wenn einem unbeschränkt Steuerpflichtigen allein oder zusammen mit nahestehenden Personen am Ende des Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft mehr als die Hälfte der Stimmrechte, des Nennkapitals oder mehr als die Hälfte des Gewinns oder des Liquidationserlöses unmittelbar oder mittelbar zusteht. Die nahestehenden Personen können auch ausländische Personen sein. Damit muss – anders als dem bisherigen § 7 Abs. 1 AStG – keine sog. Inländerbeherrschung mehr vorliegen.
- Eine Hinzurechnung kann nunmehr auch mittelbar erfolgen (§ 7 Abs. 1 AStGE). Das Konzept der nachgelagerten Zwischengesellschaft (§ 14 AStG) wird daher im Referentenentwurf gestrichen.
- Mittelbare Beteiligungen sind im Rahmen der Steuerpflicht allerdings unbeachtlich, soweit diesbezüglich eine vorgeschaltete Hinzurechnungsbesteuerung bereits stattgefunden hat und dadurch insgesamt keine niedrige Besteuerung mehr gegeben ist.
- Der gegenwärtige Aktivkatalog bleibt weitgehend bestehen. Aus dem Katalog wird die Aufnahme von Kapital an ausländischen Kapitalmärkten und darlehensweise Vergabe von Kapital an aktive ausländische Betriebe oder Betriebsstätten gestrichen (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG). Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften sind grundsätzlich weiterhin aktiv (§ 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG-E) mit Ausnahme der Fälle des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG und von Gewinnausschüttungen, die beim Empfänger unter § 8b Abs. 4 oder 7 KStG fallen würden, wenn dieser in Deutschland mit diesen Einkünften steuerpflichtig wäre.
- Der Substanztest des § 8 Abs. 2 AStG bleibt im Grundsatz auf ausländische Gesellschaften in EU- und EWR-Staaten beschränkt.
- Ebenso sieht der Referentenentwurf als Schwelle für die Niedrigbesteuerung weiterhin eine effektive Besteuerung von weniger als 25 % vor.
- Bei der Ermittlung der dem Hinzurechnungsbetrag zugrundeliegenden Einkünfte bleiben steuerliche Vergünstigungen, die an die unbeschränkte Steuerpflicht oder an das Bestehen eines inländischen Betriebs oder einer inländischen Betriebsstätte anknüpfen, sowie die Vorschriften des UmwStG weiterhin unberücksichtigt. Anders als bisher soll damit § 8b KStG bei der Ermittlung der dem Hinzurechnungsbetrag zugrundeliegenden Einkünfte zur Anwendung kommen. Eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist nicht mehr vorgesehen.
- Der Hinzurechnungsbetrag wird in zeitlicher Hinsicht mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem das jeweilige Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft endet, beim inländischen Steuerpflichtigen erfasst (§ 10 Abs. 2 AStGE).
- Mit Einführung des neu gefassten § 11 AStG-E wird die Vermeidung einer Doppelbelastung im Ausschüttungs- bzw. Veräußerungsfall durch Berücksichtigung eines Kürzungsbetrags gewährleistet. Einer Steuerbefreiung bedarf es daher nicht mehr, § 3 Nr. 41 EStG wird folglich gestrichen. Durch die Neufassung in § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG-E wird zudem gewährleistet, dass Ausschüttungen, die bereits der Hinzurechnungsbesteuerung unterlagen, nicht nochmals der Gewerbesteuer unterworfen werden.
- § 12 AStG-E erlaubt neben der Anrechnung der von der Zwischengesellschaft entrichteten Steuern (nunmehr zeitraumbezogen; auf den Zeitpunkt der Zahlung kommt es nicht mehr an) auch die Anrechnung einer vorgeschalteten Hinzurechnungsbesteuerung auf deutsche Steuer auf den Hinzurechnungsbetrag.
- Durch die Änderung in § 9 Nr. 2 GewStG-E werden künftig Gewinnanteile (insb. an) ausländischen Mitunternehmerschaften insoweit nicht mehr aus dem Gewerbeertrag gekürzt, als passive Einkünfte aus ausländischen Zwischengesellschaften (§ 7 Satz 7 GewStG) in dem Gewinnanteil enthalten sind (Zwischenschaltung einer ausländischen Personengesellschaft als „Hinzurechnungsblocker“). Eine vergleichbare Regelung wird in § 9 Nr. 3 GewStG-E für den Fall eingefügt, dass Einkünfte im Sinne des § 7 Satz 7 GewStG über eine ausländische Betriebsstätte des inländischen hinzurechnungspflichtigen Unternehmens erzielt werden.
- Nach dem Referentenentwurf ist nunmehr ein Nebeneinander der Regelungen des Investmentsteuergesetzes und des Außensteuergesetzes geplant. Für Beteiligungen an ausländischen Investmentfonds sind demnach künftig Hinzurechnungsbeträge zu ermitteln, die um eine nach dem InvStG ermittelte Vorabpauschale bzw. ausschüttungsgleiche Erträge gekürzt werden (§ 10 Abs. 6 AStG-E).
Verrechnungspreise (§§ 1, 1a und 1b AStG-E, §§ 89a, 90 AO-E)
- In § 1 Abs. 2 AStG-E wird die Definition der nahestehenden Person erweitert. Die bisherige 25%ige Beteiligungsquote am Kapital wird ausgeweitet auf 25 % der Stimmrechte oder Anteil am Gewinn oder Liquidationserlös. Ebenso sollen bestimmte Dreiecksfälle nun einbezogen werden.
- Die Reglungen zur Anwendung der Verrechnungspreismethoden, Vergleichbarkeitsanalysen und Bandbreiten sollen klarer gefasst und die bisherige Methodenhierarchie aufgehoben und durch eine „best method rule“ ersetzt werden.
- Die Interquartilsmethode zur Einengung einer Bandbreite von Fremdvergleichswerten soll gesetzlich geregelt werden.
- Der neue § 1 Abs. 3c AStG-E enthält eine Definition von immateriellen Werten. Hier soll auch das „DEMPE-Konzept“ (für: Development, Enhancement Maintenance, Protection, Exploitation) aus dem BEPS Action Plan gesetzlich in Deutschland verankert werden. Funktionen im Zusammenhang mit der Entwicklung oder Erschaffung, der Verbesserung, dem Erhalt, dem Schutz oder jedweder Art der Verwertung des immateriellen Werts müssen fremdüblich vergütet werden. Die bloße Finanzierungsfunktion berechtigt nicht zu einem Anteil des Ertrages aus der Nutzung des immateriellen Werts.
- Obwohl international bisher kein Konsens bei der fremdvergleichskonformen Bestimmung von Finanzierungleistungen besteht, möchte Deutschland hier nationale Regelungen in einem geplanten § 1a AStG-E mit einem Treaty Override einführen. Hierbei sollen Zinszahlungen in Deutschland korrigiert werden, die auf höheren Zinssätzen als die Gruppenfinanzierung beruhen. Damit wird für die fremdübliche Zinshöhe auf die Refinanzierungskosten der multinationalen Unternehmensgruppe und damit faktisch für die Bonität auf ein Gruppenrating abgestellt. Obwohl der § 1a ASTG-E nur für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen gilt, geht die Gesetzesbegründung davon aus, das dieses Fremdvergleichsverständnis auch für rein innerstaatliche Finanzierungsbeziehungen gilt.
- Vermittelnde oder weiterleitende Finanzierungsfunktionen werden als funktions- und risikoarme Dienstleistungen und nicht als Primärfunktion angesehen. So sollen bestimmte Leistungen, wie Cash Pool Führung oder Treasury als Routinefunktionen mit entsprechend niedriger Vergütung bestimmt werden.
- Die Regelungen zur Funktionsverlagerung werden gestrafft in einem neuen § 1 Abs. 3b AStG-E gefasst. Hierbei werden die Bewertungsregeln des hypothetischen Fremdvergleichs (§ 1 Abs. 3 Satz 7 AStG-E) auf ökonomisch anerkannte Bewertungsmethoden ausgedehnt. Die bisherigen Escape-Klauseln sollen aufgehoben werden. Bei der Preisanpassungsklausel ist eine Reduktion des Zeitraums von zehn auf sieben Jahre geplant (§ 1b Satz 2 AStG-E).
- Die Änderungen bei den Verrechnungspreisen sollen ab dem Veranlagungszeitraum 2020 gelten.
- Hinsichtlich der Verrechnungspreisdokumentation soll für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 beginnen in § 90 Abs. 3 AO-E die Umsatzschwelle für die Verpflichtung zur Erstellung eines Master Files von € 100 Mio. auf € 50 Mio. herabgesetzt werden. Das Masterfile soll zukünftig nach Ablauf des Wirtschaftsjahres den Finanzbehörden elektronisch übermittelt werden, also nicht mehr nur auf Anforderung.