Umsetzung der OECD-Empfehlungen innerhalb der EU
Um eine zeitnahe und konsistente Umsetzung der OECD-Empfehlungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sicherzustellen, wurde am 12.06.2016 vom Rat der Europäischen Union die sog. Anti-Tax Avoidance Directive (Richtlinie 2016/1164, kurz ATAD) verabschiedet. Die ATAD enthält Regelungen zu den Themen
- Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Zinsen (Zinsschranke)
- Wegzugsbesteuerung
- Allgemeine Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch
- Hinzurechnungsbesteuerung
- Hybride Gestaltungen
Die ATAD-Richtlinie legt lediglich ein Mindestschutzniveau gegen schädliche Steuervermeidungspraktiken fest. Den Mitgliedstaaten wird daher bei der Ausgestaltung der nationalen Regelungen ein gewisser Spielraum eingeräumt.
Die Mitgliedstaaten hatten die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung bis zum 31. Dezember 2018 in nationales Recht umzusetzen, die Neuregelungen sind seit dem 01. Januar 2019 anzuwenden.
Im Rahmen einer Studie zum Stand der Implementierung der Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung in den EU-Mitgliedstaaten wurden unsere Mitgliedsfirmen der WTS Global zur Umsetzung der EU-Vorgaben in ihren jeweiligen Staaten befragt (Stand 01. Januar 2019).
Unsere Studie
Zum 01. Januar 2019 hatten mit zwei Ausnahmen die Mitgliedstaaten entsprechende Regelungen zur Umsetzung der ATAD in nationales Recht erlassen. Wir werden die Studie laufend aktualisieren, um die weitere Entwicklung in sämtlichen Mitgliedstaaten entsprechend vollständig abzubilden.
Einige Staaten verfügten bereits vor Erlass der ATAD über eigene Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung; Die meisten der 28 Mitgliedstaaten standen allerdings vor der Herausforderung der erstmaligen Einführung entsprechender Vorschriften. Lediglich zwei Staaten haben keine Anpassungen der bestehenden Vorschriften zum 01. Januar 2019 vorgenommen: Deutschland und Frankreich. Bezüglich Deutschland wird mit einer kurzfristigen Anpassung gerechnet. Frankreich hingegen geht von einer weitest gehenden ATAD-Konformität der bestehenden Regelungen aus und damit davon, dass eine Anpassung nicht zwingend notwendig sei.
Hinzurechnungsbesteuerung im Detail
Gemäß Beobachtungen der OECD verlagern multinationale Unternehmensgruppen zunehmend Einkünfte an in Niedrigsteuergebieten ansässige Tochterunternehmen. Zur Verhinderung dessen sollen die in der ATAD festgelegten Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung eine Zurechnung dieser Einkünfte zurück an die Muttergesellschaft bewirken, die diese dann in ihrem steuerlichen Ansässigkeitsstaat versteuert.
Die Regelungen greifen gemäß Artikel 7 ATAD, wenn (i) ein inländisches Unternehmen, welches der Körperschaftsteuer unterliegt, eine ausländische juristische Person oder Betriebsstätte beherrscht und (ii) dieses beherrschte ausländische Unternehmen einer niedrigen Besteuerung unterliegt.
Ein Unternehmen unterliegt einer niedrigen Besteuerung, wenn seine Körperschaftsteuerbelastung weniger als die Hälfte der Steuerbelastung ausmacht, der es entsprechend dem Steuersystem im Sitzstaat der Muttergesellschaft unterliegen würde.
Die der Muttergesellschaft zuzurechnenden Einkünfte eines beherrschten ausländischen Unternehmens sind nach den Körperschaftsteuervorschriften des Sitzstaats der Muttergesellschaft und unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu ermitteln. Grundsätzlich erfolgt eine anteilige, der Beteiligung der Muttergesellschaft an dem beherrschten ausländischen Unternehmen entsprechende Zurechnung der Einkünfte (Ausnahmen sind zum Beispiel Belgien und die Slowakei, die nicht nur eine anteilige Hinzurechnung vorsehen).
Betroffene Einkünfte
Artikel 7 (2) ATAD bietet den EU-Mitgliedstaaten zwei Alternativen zur Umsetzung.
In Alternative A werden die vom beherrschten ausländischen Unternehmen erzielten und thesaurierten Einkünfte in Kategorien unterteilt. Nur einige dieser Kategorien (passive Einkünfte) werden der Hinzurechnungsbeteuerung unterworfen, wie zum Beispiel Dividenden-, Lizenz- und Zinseinkünfte. Zwecks Wahrung der EU-Freiheiten unterbleibt eine Hinzurechnungsbesteuerung, wenn nachgewiesen werden kann, dass das beherrschte ausländische Unternehmen eine wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Es steht den Mitgliedstaaten frei, diese Ausnahmeregelung auch auf beherrschte ausländische Unternehmen außerhalb der EU auszuweiten.
Alternative B hingegen unterwirft thesaurierte Einkünfte aus unangemessenen Gestaltungen, deren wesentlicher Zweck darin besteht, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen, der Hinzurechnungsbesteuerung.
Von den 28 Mitgliedstaaten wenden 12 Alternative A an und 9 haben sich für Alternative B entschieden. Großbritannien, Italien, die Niederlande und Spanien wenden beide Alternativen ergänzend neben- bzw. nacheinander an, Finnland und Portugal unterwerfen sämtliche niedrigbesteuerten Einkünfte ohne weitere Einschränkung der Hinzurechnungsbesteuerung und Deutschland wendet aktuell statt eines Passivkatalogs einen Aktivkatalog an.
Freigrenzen
Bei Anwendung der Alternative A können die Mitgliedstaaten beherrschte ausländische Unternehmen von der Hinzurechnungsbesteuerung ausnehmen, wenn deren passive Einkünfte ein Drittel oder weniger ihrer gesamten Einkünfte ausmachen. Bei Anwendung von Alternative B kann auf die Hinzurechnungsbesteuerung verzichtet werden, wenn bezogen auf das beherrschte ausländische Unternehmen i) die Buchgewinne 750 000 EUR und die nicht kommerzielle Einkünfte 75 000 EUR nicht übersteigen oder ii) die Buchgewinne nicht mehr als 10 % der betrieblichen Aufwendungen für den Steuerzeitraum ausmachen.
Drittländerlisten
Zur vereinfachten Kategorisierung von Drittstaatenunternehmen in solche, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen oder nicht, dürfen die Mitgliedstaaten weiße, graue oder schwarze Drittländerlisten führen.
Kontaktieren Sie uns gerne!
Sollten Sie an der kompletten Studie interessiert sein, bitten wir Sie um eine Kontaktaufnahme unter Daniela.Holzrichter@wts.de.
Sehr gerne bieten wir Ihnen außerdem die Möglichkeit an, in einem persönlichen Gespräch mit unseren Experten mehr über die Studienergebnisse und die Konsequenzen der ATAD-Richtlinie für Ihr Unternehmen zu erfahren.
Kontakt: StBin Dr. Gabriele Rautenstrauch, Gabriele.Rautenstrauch@wts.de