Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise
Am 13.03.2020 haben das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein weitreichendes Maßnahmenbündel zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus SARS-CoV-2 angekündigt. Ziel ist es, Arbeitsplätze zu schützen und Unternehmen zu unterstützen. Dabei sollen Firmen und Betriebe mit ausreichend Liquidität ausgestattet werden, damit sie gut durch die Krise kommen. Konkret möchte die Bundesregierung den Corona-Pandemie wirtschaftlich betroffenen Unternehmen mit einem liquiditätsschonenden Steuervollzug entgegenkommen. In diesem Zusammenhang sollen Stundungen, Kürzungen von Vorauszahlungen und der Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen unbürokratisch gewährt werden.
Soforthilfen im Bereich der Verbrauchsteuern
Betroffen sind auch die von der Zollverwaltung verwalteten Verbrauchsteuern (z.B. Energiesteuer, Stromsteuer, Alkoholsteuer und Luftverkehrssteuer). Die Generalzolldirektion ist von der Bundesregierung angewiesen worden, den Steuerpflichtigen in entsprechender Art und Weise entgegenzukommen, um unbillige Härten zu vermeiden. Zur Ausgestaltung der Maßnahmen hat die Zollverwaltung am 18.03.2020 eine Fachmeldung veröffentlicht.
Von den Auswirkungen der Coronakrise betroffene Unternehmen können sich demnach nunmehr an ihr zuständiges Hauptzollamt wenden. Beantragt werden können Steuerstundungen, ein Vollstreckungsaufschub sowie die Anpassung von bisher festgesetzten Vorauszahlungen, bspw. als Stromversoger oder Erdgaslieferer. Um eine zügige Antragsbearbeitung zu gewährleisten, sind die Anträge entsprechend zu begründen und der Zusammenhang zur Corona-Krise glaubhaft darzulegen. Die Hauptzollämter sind angewiesen, die Anträge möglichst entgegenkommend zu bearbeiten. Für die Beantragung der Liquiditätshilfen hat die Zollverwaltung bisher noch keine amtlichen Vordrucke bereitgestellt. Auch Erläuterungen zur Quantifizierung der Mindestanforderungen hinsichtlich des Betroffenheitsnachweises und des Zusammenhangs mit der Corona-Pandemie sind aktuell noch nicht verfügbar.
Stundungsanträge für nachweislich und nicht unerheblich von den Schäden der Corona-Pandemie betroffene Steuerpflichtige können bis zum 31.12.2020 unter Darlegung der jeweiligen Verhältnisse gestellt werden. Die Steuern müssen bis zu diesem Zeitpunkt bereits fällig sein oder fällig werden. Anträge auf Stundung von nach dem 31.12.2020 fällig werdenden Steuern sind besonders zu begründen.
Soweit Steuerpflichtigen aktuell Vollstreckungsmaßnahmen drohen, können die Vollstreckungsschuldner zudem unter Darlegung ihrer aktuellen Situation und des Zusammenhangs mit der Corona-Pandemie Vollstreckungsaufschub beantragen.
Nachweislich und nicht unerheblich von den Auswirkungen der Coronakrise betroffene Steuerpflichtige können bis zum 31.12.2020 unter Darlegung ihrer Verhältnisse einen Antrag auf Anpassung der bisher festgesetzten Vorauszahlungen stellen.
EU-Beihilfekontrolle für staatliche Hilfsmaßnahmen
Derzeit besteht eine besondere Notsituation, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die zugesagten Hilfen grundsätzlich schnell fließen werden. Es ist jedoch durchaus denkbar, dass nach einer Entspannung der Lage eine geordnete Beihilfekontrolle vorgenommen wird. Die Europäische Kommission überprüft die Zulässigkeit staatlicher Fördermaßnahmen insbesondere vor dem Kriterium der Selektivität. Als Teil des europäischen Primärechtes gilt das EU-Beihilferecht vorrangig gegenüber nationalen Steuergesetzen und Verwaltungsverfügungen. Die Europäische Kommission kann zu Unrecht gewährte staatliche Beihilfen unabhängig von nationalen Festsetzungsfristen bis zu 10 Jahre nach ihrer Gewährung zurückfordern.
Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen, soweit in den EU-Verträgen keine Ausnahmen vorgesehen sind.
Verlust der Antragsvoraussetzungen für Steuerbegünstigungen bei einer Klassifikation als Unternehmen in Schwierigkeiten
Zusätzlich zu der Frage, ob die vereinbarten Soforthilfemaßnahme selbst unzulässige Beihilfen darstellen, ist zu beachten, dass die Unternehmen schon jetzt als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Steuerbegünstigungen zur Energie- und Stromsteuer versichern müssen, dass sie sich im Zeitpunkt der Antragstellung nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden.
Mit Wirkung zum 01.01.2017 hatte die Zollverwaltung die Selbsterklärung zu staatlichen Beihilfen auf amtlichem Formblatt 1139 eingeführt. Dieser Vordruck ist u.a. bei der Beantragung zahlreicher Steuervergünstigungen einzureichen, soweit diese von der Zollverwaltung als staatliche Beihilfe definiert wurden. Beispielsweise sind die Steuerentlastungen für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes nach §§ 9b, 10 StromStG bzw. §§ 54, 55 EnergieStG betroffen. Mit dem amtlichen Formblatt 1139 soll sichergestellt werden, dass Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten keine Steuervergünstigungen mehr erhalten und nicht allein aufgrund von Steuerbegünstigungen am Leben gehalten werden. Unternehmen, die in der Vergangenheit Beihilfen in Anspruch genommen haben, die von der EU-Kommission für rechtswidrig erklärt wurden, sollen ebenfalls keine weiteren Steuervergünstigungen mehr in Anspruch nehmen können.
Zur Instrumentalisierung der beihilferechtlichen Anforderungen hat die Europäische Kommission den Begriff des „Unternehmens in Schwierigkeiten“ in der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) definiert. Zu beachten ist hierbei, dass diese Kriterien im Regelfall bereits deutlich vor der Insolvenzreife eintreten können. Beispielsweise sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung u.a. nicht mehr förderfähig, wenn die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen ist. Gesellschaften, deren Gesellschafter unbeschränkt für die Schulden der Gesellschaft haften müssen, sind in Schwierigkeiten, wenn mehr als die Hälfte der in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel infolge aufgelaufener Verluste verloren gegangen sind. Daneben ist ein Unternehmen auch dann in Schwierigkeiten, wenn es Gegenstand eines Insolvenzverfahrens ist oder wenn die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfüllt sind. Auch die Gewährung von Rettungsbeihilfen kann zum Status eines Unternehmens in Schwierigkeiten führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der diesbezügliche Kredit noch nicht zurückgezahlt wurde oder eine entsprechende Garantie noch nicht erloschen ist bzw. das Unternehmen eine Umstrukturierungsbeihilfe erhalten hat oder einem Umstrukturierungsplan unterliegt.
Im Ergebnis führt die Gewährung der nationalen Sofortmaßnahmen aufgrund der Coronaviruskrise zu Wechselwirkungen mit dem europäischen Beihilferecht. Die Inanspruchnahme der Förderungen könnte zudem zu einer Klassifikation als Unternehmen in Schwierigkeiten führen und damit zum Verlust der Antragsvoraussetzungen bzw. der Voraussetzungen für Steuerbefreiungen in der Energie- und Stromsteuer. Vor diesem Hintergrund bleibt zu wünschen, dass zwischen vereinbarten Soforthilfsmaßnahmen aufgrund der Coronaviruskrise und sonstigen beihilferechtlichen Anforderungen differenziert wird. Die jetzigen Sofortmaßnahmen müssen entsprechend Art. 107 Abs. 2 Buchst. b) AEUV als zulässige Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind gelten und damit zu keiner Einschränkung des Entlastungs- oder Steuerbefreiungsvolumens führen. Ein koordiniertes Vorgehen von Bundesregierung und Europäischer Kommission ist deshalb erforderlich, um angemessen auf die vorliegende Ausnahmesituation zu reagieren und die wirtschaftlichen Effekte der Krise effektiv abzumildern. Sollten Unternehme Sorge haben, durch die Coronaviruskrise in naher Zukunft in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten, empfehlen wir dringend alle Entlastungsanträge für ausstehenden Zeiträume - anders als vielleicht bislang - bereits jetzt mit höchster Priorität zu bearbeiten. Hintergrund dafür sind die derzeitigen Regelungen im Energie- und StromStG und die Abwehr von Nachteilen für diese Unternehmen.
Diskussion zusätzlicher Maßnahmen im Energiebereich
Über die bereits beschlossenen Maßnahmen hinaus werden in der Politik aktuell noch weitergehende Soforthilfen diskutiert. Am 19.03.2020 forderte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder zur Entlastung von Bürgern und Betrieben eine Aussetzung der Stromsteuer und der EEG-Umlage. Das Stromsteueraufkommen 2017 betrug 6,944 Mrd. EUR. Der Regelsteuersatz beträgt aktuell 20,50 EUR/MWh. Durch die Energiesteuerrichtlinie RL 2003/96/EG werden Mindeststeuersätze von 0,50 EUR/MWh für die betriebliche Verwendung und 1,00 EUR/MWh für die nichtbetriebliche Verwendung vorgegeben, die ohne gesonderte Rechtfertigung nicht unterschritten werden dürfen.
Die EEG-Umlage liegt im Jahr 2019 bei 64,05 EUR/MWh. Durch den Umwälzmechanismus des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) werden die Kosten für die Einspeisevergütungen für Betreiber von Ökostromanlagen in Deutschland auf die Stromverbraucher umgelegt. Mit Urteil vom 28.03.2019, Az. C-405/16 P hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entgegen der Auffassung der Europäischen Kommission entschieden, dass die deutsche Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien und die Begrenzung der EEG-Umlage nach dem EEG 2012 keine Beihilfe darstellen. Durch den Fördermechanismus werde kein aus staatlichen Mitteln finanzierter Vorteil i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährt. Der Staat habe keine Verfügungsgewalt über die mit der EEG-Umlage erwirtschafteten Gelder, so dass die Voraussetzungen einer staatlichen Beihilfe nicht erfüllt seien. Soweit die Kosten zur Ökostromförderung zukünftig durch den allgemeinen Staatshaushalt getragen werden sollen, rückt die Frage der Beihilfe-Klassifikation der EEG-Umlage jedoch wieder in den Fokus.