Das Bundeskabinett hatte am 02.09.2020 den Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) beschlossen (vgl. TAX WEEKLY # 33/2020). Mit Datum vom 28.09.2020 haben nun die Ausschüsse des Bundesrats ihre Beschlussempfehlungen für die Stellungnahme des Bundesrats zum JStG 2020 abgegeben, welche als interne Dokumente zur Vorbereitung der Bundesrats-Stellungnahme dienen. Die endgültige Stellungnahme soll vom Plenum des Bundesrats am 09.10.2020 beschlossen werden.
Empfehlungen im Bereich der Ertragsteuern
Besonders hervorzuheben ist, dass die Ausschussempfehlungen unter Ziffer 19 ein ATAD-Umsetzungsgesetz enthalten, das in einem ersten Schritt die ATAD-Richtlinien „1:1“ in nationales Recht umzusetzen soll. Dabei gehe es auch darum, rechtlichen Schritten der EU-Kommission gegen Deutschland vorzubeugen. Ab dem Veranlagungszeitraum 2021 solle eine europarechtskonforme Gesetzeslage bestehen. Die in der bisherigen politischen Diskussion strittigen Fragen zu § 6 AStG (Wegzugsbesteuerung bei privaten Kapitalanteilen) sowie zu §§ 1 bis 1b AStG (Verrechnungspreise) strittigen Fragen der Referentenentwürfe des BMF vom 10.12.2019 und vom 24.03.2020 eines ATAD-Umsetzungsgesetzes (ATADUmsG) würden einstweilen zurückgestellt, da ihre Regelung nicht unmittelbar durch die ATAD geboten sei. Im Übrigen beschränkt sich das Gesetz auf die Umsetzung der Vorgaben zu:
- Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung (Art. 5 ATAD)
Art. 5 ATAD verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Aufdeckung und (auf Antrag ratierlichen) Besteuerung stiller Reserven bei der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, der Verlagerung von Betrieben oder dem Wegzug von Körperschaften (sog. Entstrickungsbesteuerung). Zudem werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern ins Inland oder bei Zuzug von Körperschaften die im Rahmen der ausländischen Entstrickungsbesteuerung angesetzten Werte anzuerkennen, sofern diese dem Marktwert entsprechen (sog. Verstrickung). Die Umsetzung von Art. 5 ATAD erfolgt in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 9 – neu –, § 4g, § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5a und 5b, § 9 Abs. 5 Satz 2 und § 36 Abs. 5 EStG sowie § 12 Abs. 1 und 1a KStG.
- Reform der Hinzurechnungsbesteuerung (Art. 7 und 8 der ATAD)
Zu den Kernelementen der Reform der Hinzurechnungsbesteuerung zählt unter anderem die Anpassung des Beherrschungskriteriums. Statt auf eine Inländerbeherrschung abzustellen, wird künftig eine gesellschafterbezogene Betrachtung durchgeführt. Außerdem findet bei mehrstufigen Gesellschaftsstrukturen im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung keine Verlustkonsolidierung auf Ebene der obersten ausländischen Gesellschaft mehr statt. Die Umsetzung der Art. 7 und 8 erfolgt in den §§ 7 ff. AStG. Gleichzeitig wird dem von der ATAD vorgegebenen Mindeststandard auch insoweit gefolgt, dass der Steuersatz bei der Hinzurechnungsbesteuerung auf 15 % und damit auf die Hälfte der regulären Unternehmensteuerbelastung abgesenkt wird.
- Hybride Gestaltungen und Inkongruenzen bei der Ansässigkeit (Art. 9 und 9b ATAD)
Kern der Regelungen zur Umsetzung ist hier § 4k EStG-E, der für verschiedene Situationen von Besteuerungsinkongruenzen auf Grund hybrider Elemente den Betriebsausgabenabzug beschränkt. Weitere Regelungen enthalten § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG-E und § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 EStG-E.
Als weitere Punkte der Ausschussempfehlungen sind im Bereich der Ertragsteuern insbesondere zu erwähnen:
- Erneute Forderung einer Anhebung der GWG-Grenze von € 800 auf € 1.000 und Abschaffung der Poolabschreibung im Rahmen eines Sammelpostens, § 6 Abs. 2, 2a EStG (Ziffer 3).
- Ausweitung des § 7g EStG auf abnutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (Ziffer 5).
- Coronabedingte Ausdehnung des Verlustrücktragszeitraums auf 2019 und 2018, § 10d EStG (Ziffer 9).
- Streichung der in 2019 geschaffenen Normierung von (nachträglichen) Anschaffungskosten im Bereich der Veräußerung privat gehaltener Anteile an Kapitalgesellschaften, § 17 Abs. 2a EStG (Ziffer 11).
- Streichung der in 2019 geschaffenen neuen Beschränkung der Verlustverrechnung bei Einkünften aus Termingeschäften und aus dem Ausfall von Kapitalanlagen im Privatvermögen, § 20 Abs. 6 Sätze 5 und 6 EStG (ebenso Ziffer 11).
- Freibetrag von jährlich 6.000 Euro für Lohn- und Einkommensersatzleistungen im Rahmen des Progressionsvorbehalts, § 32b Abs. 6 EStG-E (Ziffer 13).
- Die lohnsteuerliche Zusätzlichkeitsdefinition in § 8 Abs. 4 EStG soll in allen offenen Fällen anzuwenden sein, § 52 EStG (Ziffer 16).
- Prüfbitte zum Reformbedarf hinsichtlich der Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein Home-Office aufgrund der veränderten Arbeitswelt (Ziffer 18).
- Verlängerung der Zahlungsfrist für steuerfreie „Corona-Beihilfen“ um einen Monat, § 3 Nr. 11a EStG (Ziffer 20).
Empfehlungen im Bereich der Umsatzsteuer
Neben Empfehlungen, einen Gleichlauf der Steuerbefreiung für Beherbergung und Beköstigung in den §§ 4 Nr. 21 (Schul- und Bildungsleistungen) bzw. Nr. 23 (Erziehungs- und Versorgungsleistungen für Kinder und Jugendliche) sicherzustellen (Ziffer 37) bzw. die Steuerbefreiung von land- und forstwirtschaftlichen Betriebshilfeleistungen in § 4 Nr. 27 Buchstabe b UStG neuzufassen (Ziffer 40), werden folgende Punkte thematisiert:
- Der Finanzausschuss sieht Nachbesserungsbedarf bei den Meldepflichten in der Zusammenfassenden Meldung gem. § 18a UStG (Ziffer 38). Hinsichtlich der Konsignationslagerregelung des § 6b UStG fehle es an einer Regelung zur Meldepflicht für die Fälle des Erwerberwechsels (Kunde, für den die Waren in das Konsignationslager gesendet wurde) gem. § 6b Abs. 5 UStG bzw. für das Zurückgelangen der Waren in den Abgangsmitgliedstaat vor Ablauf der 12-Monats-Frist, vgl. § 6b Abs. 4 UStG. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass das BZSt derartige Erklärungspflichten anscheinend als gegeben ansieht und bereits im Januar 2020 entsprechende Formulare veröffentlicht hat, vgl. TAX WEEKLY # 3/2020.
- § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG sieht derzeit noch vor, dass die Gewährung der Steuerfreiheit von Bildungsleistungen nicht öffentlicher Bildungseinrichtungen eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde voraussetzt. Es wird empfohlen, diese Voraussetzung zu streichen (Ziffer 39): Die Finanzbehörden sollten das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale in eigener Zuständigkeit prüfen.
- Im Zuge der Einführung der dezentralen Besteuerung der Gebietskörperschaften wird empfohlen. § 18 Abs. 4f des Gesetzentwurfes anzupassen (Ziffern 41 und 42): Sofern das Umsatzsteuergesetz die Anwendung von Betragsgrenzen vorsieht, solle deren Ermittlung aus Sicht der gesamten Gebietskörperschaft erfolgen und nicht auf Ebene jeder einzelnen Organisationseinheit (bspw. einer einzelnen Behörde); die Fiktion, dass derartige Betragsgrenzen stets als überschritten gelten sollen, sei ebenfalls zu streichen. Damit sollen Bund und Ländern die gleichen Rechte und Pflichten wie anderen umsatzsteuerrechtlichen Unternehmern gewährt werden. Hilfsweise wird empfohlen, jedenfalls die Frage, ob überhaupt eine Wettbewerbsverzerrung durch die Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand eintreten könne, auf Ebene der einzelne Organisationseinheit und deren Umsätzen zu beantworten.
- Im Zuge der Neueinführung der Regelungen zur elektronischen Schnittstelle in den §§ 3 Abs. 3a, 22f und 25e UStG wird eine Anpassung der Formulierung im Hinblick auf den derzeit verwendeten Begriff des „unterstützens“ angeregt (Ziffer 43). Es solle der Begriff „ermöglicht“ verwendet werden, anstatt der unglücklichen Übersetzung der englischen Sprachfassung der EG-Richtlinie bzw. Verordnung zu folgen. Hierdurch könnten komplizierte Begriffsdefinitionen unterbleiben und Missverständnisse bei der Anwendung vermieden werden.
Zum Gesetzentwurf allgemein
Zum Gesetzentwurf allgemein fordert der Wirtschaftsausschuss vor dem Hintergrund der hohen Belastungen der Wirtschaft durch die Corona-Pandemie weitere Maßnahmen zur Stärkung der Unternehmen und zur Belebung der Konjunktur:
- Weitere Verbesserungen der Abschreibungsbedingungen durch beschleunigte Abschreibung digitalisierungsrelevanter Innovationsgüter und auch hier nochmal die Anhebung der GWG-Grenze.
- Attraktivere Ausgestaltung der Begünstigung einbehaltener Gewinne für Personenunternehmen (Thesaurierungsbegünstigung).
- Einführung einer Option für Personengesellschaften, sich wie Kapitalgesellschaften besteuern zu lassen.
- Senkung des gesetzlichen Zinssatzes von derzeit 6 % pro Jahr auf 3 % pro Jahr.
- Senkung der Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Mindestmaß
Inwieweit die von den Ausschüssen des Bundesrats vorgeschlagenen Änderungen vom Plenum des Bundesrats übernommen werden, ist insbesondere im Hinblick auf die „ATAD-Änderungen“ zweifelhaft. Vor allem die Senkung des „Niedrigsteuersatzes“ von 25 % auf 15 % ist umstritten und könnte zu einer Ablehnung führen. Im weiteren Verfahren ist damit zu rechnen, dass auch die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung und Teile des Bundestags in den parlamentarischen Verhandlungen auf einer Beibehaltung von 25 % als „Niedrigsteuersatz“ bestehen.