Das Bundeskabinett hat am 02.09.2020 den Regierungsentwurf eines Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) beschlossen. In verschiedenen Bereichen des deutschen Steuerrechts habe sich fachlich notwendiger Gesetzgebungsbedarf ergeben. Dies betreffe insbesondere notwendige Anpassungen an EU-Recht und EuGH-Rechtsprechung sowie Reaktionen auf Rechtsprechung des BFH. Darüber hinaus bestehe ein Erfordernis zur Umsetzung eines unvermeidlich entstandenen technischen Regelungsbedarfs. Hierzu gehören Verfahrens- und Zuständigkeitsfragen, Folgeänderungen, Anpassungen aufgrund von vorangegangenen Gesetzesänderungen und Fehlerkorrekturen.
Einige Punkte des Referentenentwurfs (vgl. TAX WEEKLY # 27/2020) wurden im Regierungsentwurf wieder gestrichen: Hierzu gehört insbesondere die beabsichtigte Erweiterung des Tatbestandes in § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG-E (und damit auch in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG-E), wonach auch Kapitalanlagen erfasst werden sollten, die auf die Lieferung von Gold oder anderen Edelmetallen gerichtet und wirtschaftlich mit Zertifikaten vergleichbar sind. Gestrichen wurde zudem die Verrdnungsermächtigung des BMF zur Vereinheitlichung von Schnittstellen und der Datenspeicherung, die in einem neuen § 147b AO-E aufgenommen werden sollte.
Als wesentlicher Inhalt des Regierungsentwurfs sind insbesondere zu erwähnen:
- Die Neugestaltung der Investitionsabzugsbeträge des § 7g EStG-E (insbesondere Erhöhung der begünstigten Investitionskosten von 40 % auf 50 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und Vereinheitlichung der Gewinngrenze). Gegenüber dem Referentenentwurf wurde die Herabsetzung der betrieblichen Nutzung des betreffenden Wirtschaftsguts im maßgebenden Nutzungszeitraum von 90 % auf 50 % wieder gestrichen. Neu ist die Regelung, dass die in diesem Zeitraum – auch langfristig – vermieteten Wirschaftsgüter in den Anwendungsbereich des § 7g EStG-E fallen sollen. Die einheitliche Gewinngrenze wurde gegenüber dem Referentenentwurf von € 125.000 auf € 150.000 angehoben.
- Die durch das Corona-Steuerhilfegesetz vom 16.06.2020 eingeführte begrenzte und befristete Steuerbefreiung der Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld wird um ein Jahr verlängert (§ 3 Nr. 28a EStG-E). Die Steuerfreiheit gilt damit für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 29.02.2020 beginnen und vor dem 01.01.2022 enden.
- Die Erweiterung der steuerrechtlichen Berücksichtigung von Aufwendungen bei der verbilligten Wohnraumvermietung, § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG-E. Die Grenze für die generelle Aufteilung der Wohnraumüberlassung in einen entgeltlich und in einen unentgeltlich vermieteten Teil wird von „weniger als 66 %“ auf „weniger als 50 %“ der ortsüblichen Miete herabgesetzt. Mit der Änderung soll dem Umstand der vielerorts steigenden Mieten und des hohen Mietnieaus in Deutschland Rechnung getragen werden. Die Neufassung wäre erstmals für den VZ 2021 anwendbar.
- Anpassung der Vereinfachungsregelung zur steuerlichen Qualifikation bei Zuteilung von Aktien durch Aktiengesellschaften an ihre Anteilseigner (§ 20 Abs. 4a Satz 5 EStG-E). Zukünftig ist als Folge der Neufassung nur bei Kapitalmaßnahmen ausländischer Gesellschaften immer ein Kapitalertrag von Null Euro anzusetzen. Die Besteuerung des Wertzuwachses erfolgt im Zeitpunkt der Veräußerung der eingebuchten Aktien. Die Neufassung der Norm gilt nur für Kapitalmaßnahmen, die auf Grundlage eines Rechts aus Anteilen, die nach dem 31.12.2008 erworben wurden und bei denen die Zuteilung von Aktien nach dem 31.12.2020 erfolgt.
- Die Einführung eines Datenaustauschs zwischen den Unternehmen der privaten Krankenversicherung, der Finanzverwaltung und den Arbeitgebern, der im Lohnsteuerabzugsverfahren die bestehenden Verfahren mittels Papierbescheinigungen vollständig ersetzt und bürokratischen Aufwand mindert, §§ 39 ff. EStG-E.
- Die Integration der Festsetzung der Mobilitätsprämie in das bestehende Verfahren der Einkommensteuerfestsetzung, § 105 EStG-E.
Sowie im Bereich der Umsatzsteuer:
- Die Umsetzung des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets, insbesondere die Erweiterung des bestehenden Mini-One-Stop-Shops zum One-Stop-Shop und Einführung eines Import-One-Stop-Shops – diesbezüglich ist anzumerken, dass der Regierungsentwurf nunmehr auch die auf EU-Ebene beschlossene Verschiebung des Inkrafttretens dieser Regelungen auf den 01.04. bzw. den 01.07.2021 widerspiegelt,
- die Erweiterung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG (Reverse-Charge-Verfahren) auf Telekommunikationsdienstleistungen an sog. Wiederverkäufer und die erstmalige gesetzliche Regelung des Besteuerungsverfahrens für die Umsatzsteuer für die Gebietskörperschaften von Bund und Ländern selbst als Steuerpflichtige (sogenannte „dezentrale Erfassung“) für die Zeit der Anwend-barkeit des § 2b UStG.
Darüber hinaus sind auch Maßnahmen zur Gestaltungsbekämpfung und Sicherung des Steueraufkommens enthalten:
Hierzu zählt die Beschränkung der Verrechenbarkeit von Verlusten aus Kapitalvermögen mit tariflich besteuerten Einkünften, § 32d Abs. 2 EStG-E. Durch die Neuregelung wird sichergestellt, dass nur solche Einkünfte des Gesellschafters aus Forderungen gegenüber der Gesellschaft nach § 32a EStG tariflich besteuert werden, die auf Seiten der Gesellschaft Betriebsausgaben darstellen. Auf Kapitalerträge aus Darlehen an die Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft, deren rechtliche Grundlage vor dem 01.01.2021 begründet wurde, ist die Neufassung ab dem Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden. Das gilt insbesondere für Verluste aus der Veräußerung oder dem Untergang von Darlehensforderungen des Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft. Für sonstige Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung von Kapitalanlagen des Anteilseigners an die Gesellschaft oder Genossenschaft ist die Regelung für nach dem 31.12.2020 entstandene Kapitalerträge anwendbar.
In Reaktion auf BFH-Rechtsprechung sind folgende Maßnahmen besonders hervorzuheben:
- Klarstellung, dass nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt sind, § 8 Abs. 4 EStG-E. Nach § 52 Abs. 1 EStG in der geltenden Fassung ist der neue § 8 Abs. 4 EStG-E erstmals anzuwenden auf Leistungen des Areitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse), die in einem nach dem 31.12.2019 endenden Lohnzahlungszeitraum oder als sonstige Bezüge nach dem 31.12.2019 zugewendet werden.
- Steuererstattungsansprüche des Erblassers als steuerpflichtiger Erwerb, auch wenn sie steuerrechtlich noch nicht entstanden sind, § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG-E,
- Kürzung des Schuldenabzugs bei wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerbefreitem Vermögen, § 10 Abs. 6 Satz 3 bis 6 ErbStG-E, und
- Einführung einer Änderungsmöglichkeit für die Korrektur des nachfolgenden Erwerbs, falls die Steuerfestsetzung für den Vorerwerb aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert wird, § 14 Abs. 2 Satz 1 ErbStG-E.
Zudem wird weiterem fachlich gebotenen Regelungsbedarf im Steuerrecht nachgekommen. Dazu gehören insbesondere die Klarstellung von Zweifelsfragen sowie Folgeänderungen, Fehlerkorrekturen und sonstiger redaktioneller Änderungsbedarf.
Der Bundesrat wird seine Stellungnahme voraussichtlich in seiner Sitzung am 09.10.2020 beschließen. Das Gesetzgebungsverfahrens soll bis zum Jahresende 2020 abgeschlossen sein.