Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20.12.2016 wurde die Regelung des § 8d KStG als weitere Ausnahme zu der Beschränkung des Verlustabzugs nach § 8c KStG eingefügt. Das Ziel der Norm besteht darin, Körperschaften die Möglichkeit zu eröffnen, nicht genutzte Verluste trotz eines schädlichen Beteiligungserwerbs i.S.d. § 8c KStG weiterhin nutzen zu können, wenn der Geschäftsbetrieb der Körperschaft nach dem Anteilseignerwechsel erhalten bleibt und eine anderweitige Verlustnutzung ausgeschlossen ist. Auf diese Weise sollen steuerliche Hemmnisse bei der Unternehmensfinanzierung durch Neueintritt oder Wechsel von Anteilseignern abgebaut werden.
Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben hierzu am 14.08.2020 den Entwurf eines BMF-Schreibens zur Anwendung des § 8d KStG an die Spitzenverbände weitergeleitet, welche bis zum 11.09.2020 ihre Stellungnahmen einreichen können. Der 30 Seiten umfassende Entwurf enthält Ausführungen zu den wichtigen Auslegungs- und Anwendungsfragen der Praxis, insbesondere zum Begriff des Geschäftsbetriebs als zentralem Anknüpfungspunkt der Norm, zum Antragserfordernis sowie zu dem Katalog der Ereignisse, die zum Untergang des fortführungsgebundenen Verlustvortrags führen.
Da gemäß § 10a Satz 10 GewStG auf gewerbesteuerliche Fehlbeträge von Körperschaften § 8d KStG entsprechend anzuwenden ist, wird beabsichtigt, kurzfristig hierzu durch entsprechende gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder die Grundsätze des Anwendungsschreibens zu § 8d KStG auch bei der Gewerbesteuer uneingeschränkt zur Anwendung gelangen zu lassen. In diesem Zusammenhang bittet das BMF die Spitzenverbände in ihren Stellungnahmen um Hinweise für ein mögliches Regelungserfordernis für die Fälle, in denen ausschließlich gewerbesteuerliche Fehlbeträge vorliegen und somit die Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d KStG für Zwecke der Körperschaftsteuer unterblieben ist.
Zu den Regelungen im Entwurf des BMF-Schreibens im Einzelnen: Zur Anwendung des § 8d KStG wird hinsichtlich des Antragserfordernisses in Rz. 4 klargestellt, dass ein Antrag nach § 8d Abs. 1 Satz 1 KStG für einen Veranlagungszeitraum nur einheitlich für alle schädlichen Beteiligungswerbe gestellt werden kann, welche die Rechtsfolgen des § 8c KStG auslösen. Kommt die Stille-ReservenKlausel nach § 8c Abs.1 Satz 5 ff. KStG zur Anwendung und reichen die stillen Reserven nicht aus, um die vorhandenen Verlustvorträge vollständig zu erhalten, können die verbleibenden Verluste nicht zusätzlich durch einen Antrag i.S.d. § 8d KStG fortgeführt werden (Rz. 6). Der Steuerpflichtige hat vielmehr ein Wahlrecht zwischen der Anwendung der Stille-Reserven-Klausel nach § 8c Abs. 1 Satz 5 ff. KStG oder einem Antrag nach § 8d KStG.
Der Antrag kann bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung oder der Feststellung des Verlustvortrags des Veranlagungs- bzw. Feststellungszeitraums, in den der (jeweilige) schädliche Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c KStG fällt, zurückgenommen werden. Danach kann der Antrag nach § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG nur dann zurückgenommen werden, soweit die Steuerfestsetzung oder die gesonderte Verlustfeststellung nach §§ 129, 164, 165 oder 172 ff. AO oder nach entsprechenden Regelungen in den Einzelsteuergesetzen korrigiert werden können.
Zum zentralen Begriff des Geschäftsbetriebs (§ 8d Abs. 1 Satz 3 und 4 KStG) führt der Entwurf des BMF-Schreibens in Rz. 16 aus, dass dieser die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zum gewerbesteuerlichen Begriff des Gewerbebetriebs und zur Unternehmensidentität als Voraussetzung für den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag sowie zur Segmentierung bei der Ermittlung der Gewinnerzielungsabsicht aufgreife. Auf den Teilbetriebsbegriff komme es ausdrücklich nicht an. In den Rz.17 bis 21 des Entwurfs wird unter Verwendung zahlreicher Beispielsfälle erläutert, wann eine Körperschaft mehrere Geschäftsbetriebe unterhält. In einem solchen Fall sei der Anwendungsbereich des § 8d KStG nicht eröffnet. Auch wird erläutert, in welchen Fällen von einem einheitlichen Geschäftsbetrieb ausgegangen werden könne. In diesem Fall sei insoweit § 8d KStG anwendbar.
Der Begriff des Geschäftsbetriebs sei zwar tätigkeitsbezogen zu verstehen (Rz. 17), jedoch könnten auch mehrere selbständige Betätigungen als einheitlicher Geschäftsbetrieb zu qualifizieren sein, wenn zwischen ihnen ein gegenseitiger Förder- und Sachzusammenhang gegeben ist (Rz. 18). Eine zusätzlich ausgeübte weitere Betätigung stehe einem einheitlichen Geschäftsbetrieb dann nicht entgegen, wenn sie wirtschaftlich nicht ins Gewicht falle. Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung zur Bagatellgrenze zur Nichtanwendung der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sei hiervon auszugehen, wenn die Nettoumsatzerlöse aus dieser Betätigung 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Verlustkörperschaft und gleichzeitig den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen.
Im Folgenden werden im Entwurf des BMF-Schreibens die schädlichen Ereignisse i.S.d. § 8d Abs. 2 KStG innerhalb des Beobachtungszeitraums mit zahlreichen Beispielsfällen näher erläutert. Solche liegen vor, wenn der Geschäftsbetrieb ruhend gestellt wird (vgl. Rz. 23 ff.), der Geschäftsbetrieb einer andersartigen Zweckbestimmung zugeführt wird (vgl. Rz. 27 f.), die Körperschaft einen zusätzlichen Geschäftsbetrieb aufnimmt (vgl. Rz. 29 ff.), sich an einer Mitunternehmerschaft beteiligt (vgl. Rz. 32 ff.), die Stellung eines Organträgers i. S. d. § 14 Abs. 1 KStG einnimmt (vgl. Rz. 36 f.) oder auf die Körperschaft Wirtschaftsgüter übertragen werden, die sie zu einem geringeren als dem gemeinen Wert ansetzt (vgl. Rz. 38 ff.). In dem nachfolgenden mit „Rechtsfolgen“ bezeichneten Kapitel (Rz. 44 bis 56) sind der Umfang der Verlusterhaltung, die Modalitäten der Verrechnung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags und die Besonderheiten beschrieben, wenn es sich beim antragsberechtigten Unternehmen um eine Organschaft handelt. Die Rz. 63 ff widmen sich der Regelung des § 8d Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 KStG i. V. m. § 8c Abs. 1 Satz 5 bis 8 KStG, wonach eine Kürzung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags unterbleibt, soweit im Inland steuerpflichtige stille Reserven vorhanden sind.
Bestehe bei Eintritt eines schädlichen Ereignisses nach § 8d Abs. 2 KStG sowohl ein fortführungsgebundener Verlustvortrag als auch ein Verlustvortrag nach § 10d EStG, seien die gesamten stillen Reserven für die Anwendung des § 8d Abs. 2 Satz 1 KStG zu berücksichtigen (Rz. 66).
Schließlich erläutert der Entwurf des BMF-Schreibens – wiederum mit zahlreichen Beispielen – die Anwendung des § 8c KStG auf einen fortführungsgebundenen Verlustvortrag nach § 8d KStG. Dort wird u.a. beschrieben, in welcher Weise bei einem (weiteren) schädlichen Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 KStG durch einen erneuten Antrag nach § 8d KStG ein neu festzustellender fortführungsgebundener Verlustvortrag erreicht werden kann. Der Entwurf schließt mit Erläuterungen zur erstmaligen Anwendung des § 8d KStG.
Als erstes Fazit bleibt festzuhalten, dass das BMF durch seine umfangreichen Erläuterungen einen ersten Versuch unternommen hat, für die Praxis eine Orientierung zu liefern, in welcher Weise die Finanzverwaltung die Regelung des § 8d KStG anwenden möchte. Es liegt in der Natur der Sache, dass wegen des komplexen Regelungsinhalts die mit vielen unbestimmten Rechtsbegriffen versehene Norm des § 8d KStG gerade im Zusammenspiel mit § 8c KStG eine derart große Anzahl von Zweifelsfragen aufwirft, dass sie durch ein BMF-Schreiben nicht erschöpfend beantwortet werden können. Insofern darf man auf die Stellungnahmen der Spitzenverbände gespannt sein.