Der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg auf die Ukraine sorgt weltweit für steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise. Die damit verbundene Erhöhung der Lebenshaltungskosten wird für viele Bürger in Deutschland zunehmend zu einer großen Belastung. Am 03.09.2022 hat sich daher die Regierungskoalition nach langen Verhandlungen auf ein weiteres Maßnahmenpaket des Bundes zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen geeinigt (sog. Entlastungspaket III).
Das neue Entlastungspaket III, das sowohl steuerliche Maßnahmen als auch Maßnahmen außerhalb des Steuerrechts umfasst, soll ein Gesamtvolumen von über € 65 Mrd. haben. Das Gesamtvolumen der zwei bisherigen Entlastungspakete und der neuen Maßnahmen im Entlastungspaket III wird somit zusammen mit über € 95 Mrd. beziffert.
Bezogen auf den Energiemarkt hat sich die Regierungskoalition auf folgende Maßnahmen verständigt:
- Erlös- bzw. Preisobergrenzen für besonders profitable Stromerzeuger (teilweise Abschöpfung sog. Zufallsgewinne) und Maßnahmen zur europaweiten Einsparung von Gas und Strom: Die Bundesregierung will sich in der Europäischen Union mit Nachdruck dafür einsetzen, dass es schnell zu Verabredungen hinsichtlich der bereits diskutierten Notfallmaßnahmen kommt. Zur Abwicklung der Erlösabschöpfung in Deutschland wird der umgekehrte Weg der EEG-Umlage angesprochen. Die Bundesregierung will sich darüber hinaus dafür einsetzen, dass die Europäische Kommission entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Abschöpfung von Zufallsgewinnen auch für Energieunternehmen außerhalb des Strommarkts entwickelt. Sollten die in Europa derzeit diskutierten Maßnahmen im Strommarkt nicht zeitnah verabredet und umgesetzt werden können, will die Bundesregierung diese Anpassungen im Strommarktdesign zur Entlastung der Verbraucher selbst umsetzen.
- Strompreisbremse mit Entlastungswirkung: Nach Einführung der Erlösobergrenze soll aus deren Einnahmen eine Strompreisbremse für den Basisverbrauch eingeführt werden. Damit sollen Privathaushalte und kleine sowie mittelständische Unternehmen mit Versorgertarif entlastet werden.
- Dämpfung der steigenden Netzentgelte: Um die ab 01.01.2023 angekündigte Steigerung der Übertragungsnetzentgelte durch die sog. Redispatch-Kosten zu verhindern, sollen die Stromnetzentgelte aus den abgeschöpften Strommarkt-Zufallseinnahmen bezuschusst werden.
- Entlastung beim CO2-Preis: Um Bürger sowie Unternehmen angesichts der stark angestiegenen Energiepreise nicht zusätzlich zu belasten, soll die für den 01.01.2023 anstehende Erhöhung des CO2-Preises um fünf Euro pro Tonne im Brennstoffemissionshandel um ein Jahr auf den 01.01.2024 verschoben werden. Damit verschieben sich auch die bisher vorgesehenen Folgeschritte 2024 und 2025 entsprechend um ein Jahr. Zusätzlich sollen im Etat des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr für die Schiene im Haushalt 2023 zusätzliche 500 Millionen und eine Milliarde Euro an Verpflichtungsermächtigungen zur Verfügung gestellt werden, um weitere Einsparungen von CO2-Emissionen im Verkehrsbereich zu ermöglichen.
- Weitere Preisdämpfungen: Es soll eine Expertenkommission mit Vertreterinnen und Vertretern u.a. aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbraucherschutz eingesetzt werden, die zeitnah klären soll, ob und wenn ja wie ein Preisdämpfungsmodell für den Wärmemarkt in Deutschland oder Europa realisierbar ist.
Darüber hinaus umfasst das dritte Entlastungspaket noch folgende weitere Maßnahmen außerhalb des Steuerrechts:
- Verlängerung der Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld über den 30.09.2022 hinaus,
- Verlängerung und Ausweitung von Unternehmenshilfen,
- Verlängerung des sog. Spitzenausgleichs für energieintensive Unternehmen bei den Strom- und Energiesteuern um ein weiteres Jahr,
- Ausweitung des Wohngeldanspruchs sowie Einführung einer Heizkosten- und Klimakomponente,
- Einführung eines Bürgergelds und Ablösung von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld,
- flankierende zivilrechtliche Maßnahmen, insbesondere im sozialen Mietrecht, im Energierecht und Insolvenzrecht,
- zeitnahe Erarbeitung eines gemeinsamen Konzepts für ein preislich attraktives bundesweites Ticket im Öffentlichen Nahverkehr,
- Bereitstellung weiterer Mittel für die globale Ernährungssicherheit.
Dem dritten Entlastungspaket sind daneben folgende Maßnahmen mit steuer- und sozialversicherungsrechtlichem Bezug zu entnehmen:
- Einführung nationale Mindestbesteuerung (Pillar 2): Die Bundesregierung wird die Umsetzung der international vereinbarten globalen Mindestbesteuerung für Unternehmen mit einem Mindestumsatz von € 750 Mio. bereits jetzt national beginnen. Der Start in Deutschland zum 01.01.2024 ist mit dem Beschluss der Koalition nun also definitiv. Man will dem Vernehmen nach mit den Arbeiten zur Umsetzung nicht noch weitere Wochen oder Monate warten, bis alle Mitgliedstaaten der Richtlinie zugestimmt haben. Dabei ist Deutschland auch im Gespräch mit anderen größeren EU-Staaten (etwa Frankreich, Italien, Spanien etc.).
- Umsatzsteuer in der Gastronomie: Die Absenkung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf 7 Prozent soll verlängert werden.
- Senkung der Umsatzsteuer für Gas auf 7 Prozent: Zeitlich bis Ende März 2024 befristet soll für den Gasverbrauch statt des normalen Steuersatzes von 19 Prozent der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent gelten. Angestrebt wird ein Inkrafttreten zum 01.10.2022.
- Abbau der sog. kalten Progression: Um künftige "automatische" Steuererhöhungen aufgrund der Inflation zu verhindern ("kalte Progression"), werden die Tarifeckwerte im Einkommensteuertarif ab dem 01.01.2023 angepasst. Zu einem entsprechenden Eckpunktepapier des BMF vgl. bereits TAX WEEKLY # 28/2022.
- Entfristen und Verbessern der Home-Office Pauschale: Die Home-Office Pauschale für den Betriebs- bzw. Werbungskostenabzug soll entfristet werden. Die diesbezüglich in der Überschrift auch erwähnte Verbesserung ist dem Papier nicht zu entnehmen.
- Konzertierte Aktion und Unterstützung der Tarifpolitik: Die Bundesregierung diskutiert im Rahmen der "Konzertierten Aktion" gemeinsam mit den Sozialpartnern, wie mit den gestiegenen Preisen und den damit einhergehenden realen Einkommensverlusten der Arbeitnehmer umgegangen werden kann. Die Sozialpartner entwickeln praxisnahe Lösungen. Der Bund sei bereit, bei zusätzlichen Zahlungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten einen Betrag von bis zu € 3.000 von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien.
- Abschaffung der sog. Doppelbesteuerung (Rente): Rentenbeiträge sollen vorgezogen bereits ab dem 01.01.2023 voll abziehbar sein (vgl. hierzu bereits den Referentenentwurf eines JStG 2022, TAX WEEKLY # 26/2022).
- Einmalzahlung für Rentner, Studierende und Fachschüler: Rentner erhalten zum 01.12.2022 eine Energiepreispauschale in Höhe von € 300. Studierende und Fachschüler erhalten € 200. Die Energiepreispauschale wird einmalig ausgezahlt und ist einkommensteuerpflichtig.
- Erhöhungen beim Kindergeld: Erhöht werden zum 01.01.2023 das Kindergeld (um € 18 monatlich pro Kind) sowie der Höchstbetrag des Kinderzuschlags (auf € 250 monatlich). Bezogen auf das Kindergeld ist allerdings eine entsprechende Anhebung der Kinderfreibeträge nicht erwähnt.
- Midi-Job: Anhebung der Grenze auf € 2.000 ab dem 01.01.2023.
Hinsichtlich des Zeitplans ist offenbar geplant, das entsprechende Gesetzgebungsverfahren im Eiltempo durchzuführen. Anders ist jedenfalls die Ankündigung, die Umsatzsteuersatzsenkung auf Gaslieferungen bereits ab dem 01.10.2022 auf 7 Prozent zu senken, nicht zu erklären. Interessant wird das Abstimmungsverhalten der CDU/CSU im Bundesrat. Ohne eine Zustimmung der Union kann das Gesetz nicht beschlossen werden. Z.B. bei der unilateralen Umsetzung der Mindeststeuer könnte die Zustimmung verweigert werden. Diese Überlegung sowie die Komplexität der Einführung einer Mindeststeuer im Vergleich zur rasch umsetzbaren Senkung der Umsatzsteuer, spricht dafür, dass die Regelungen höchstwahrscheinlich in verschiedene Gesetzgebungsakte aufgeteilt werden.