Die Einführung einer nationalen Plastiksteuer ab 2025, die Schaffung eines Einwegkunststofffonds ab 2024 sowie regionale Verpackungssteuern wie in Tübingen verdeutlichen die Vielschichtigkeit der aktuellen Plastikbesteuerungslandschaft in Deutschland. Diese Maßnahmen bringen zusätzliche finanzielle Belastungen und Compliance-Pflichten für Hersteller, Inverkehrbringer, Importeure und Abfüller von Einwegkunststoffprodukten mit sich. Angesichts dieser Entwicklungen ist es für betroffene Unternehmen entscheidend, die sich abzeichnenden Rechtsänderungen aufmerksam zu verfolgen und sich entsprechend vorzubereiten.
Plastiksteuer ab 01.01.2025
Ab dem 01.01.2025 soll eine nationale Plastiksteuer in Deutschland eingeführt werden. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat in seinem Statement zur Vereinbarung des Bundeshaushaltes 2024 am 13.12.2023 angekündigt, die im Koalitionsvertrag vorgesehene Plastikabgabe einzuführen, um die Mehrbelastungen der Bundesrepublik aus der EU-Kunststoffabgabe wie in anderen europäischen Ländern an die Hersteller und Importeure von Einweg-Plastikverpackungen weiterzugeben. Am 04.01.2024 hat die Bundesregierung diesbezüglich klargestellt, dass die Umlegung der Abführungen zur EU-Plastikabgabe erst ab dem 01.01.2025 vollzogen werden solle. Diese Maßnahme sei notwendig, um ausreichend Zeit für die Entwicklung einer effizienten und bürokratiearmen Lösung zu gewinnen.
Derzeit befindet sich die Bundesregierung noch in der Abstimmung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe. Verschiedene Optionen werden geprüft. Insofern ist über den genauen Mechanismus und die Adressaten der Regelung sowie die einbezogenen Produkte und die Höhe der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe noch zu entscheiden (Drucksache 20/10201, S.3). Die potenziellen Einnahmen aus dieser Steuer werden auf rund 1,4 Milliarden Euro geschätzt.
Die Mitgliedstaaten sind seit dem 01.01.2021 verpflichtet, eine Abgabe an die Europäische Union zu zahlen, die sich nach der Menge der nicht recycelten Kunststoffverpackungsabfälle richtet, die in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten anfallen. Diese "Kunststoffabgabe" soll als EU-Eigenmittel die Verbreitung nicht recycelter Kunststoffabfälle eindämmen und gleichzeitig den EU-Haushalt 2021-2027 vor dem Hintergrund der erhöhten Ausgaben aus COVID-19 finanzieren. Die Abgabenhöhe berechnet sich durch Multiplikation des Satzes von 0,80 EUR pro Kilogramm mit dem Gewicht der nicht recycelten Kunststoffverpackungsabfälle je Mitgliedstaat. Während die meisten Mitgliedstaaten die Abgabe derzeit aus ihren nationalen Haushalten zahlen, haben andere Staaten neue Steuern, Gebühren oder Beiträge auf Kunststofferzeugnisse eingeführt (oder planen deren Einführung) oder haben bereits bestehende Regelungen ausgeweitet (oder erwägen deren Ausweitung), um Kunststofferzeugnisse zu besteuern.
Auch Nicht-EU-Staaten wie das Vereinigte Königreich haben damit begonnen, die Verwendung von Kunststofferzeugnissen gezielt zu besteuern.
Mit Einführung der EU-Plastikabgabe hat diese Entwicklung deutlich an Fahrt gewonnen. Eine EU-weite Harmonisierung der Besteuerungssysteme liegt jedoch aktuell noch in weiter Ferne. Ein einheitliches europäisches Plastiksteuer-Recht wäre eine große Arbeitserleichterung für internationale Konzerne. Die Einführung von EU-weiten Verbrauchsteuern ist jedoch nicht einfach, da hier das Einstimmigkeitsprinzip in Steuersachen gilt. Alle 27 Mitgliedstaaten müssten sich auf einheitliche Steuergegenstände, Steuerentstehungstatbestände und auf (Mindest-)Steuersätze einigen. Das Aufkommen an Kunststoffabfall und die Recyclingquoten unterscheiden sich jedoch stark in den einzelnen Ländern, so dass hier eine langwierige Kompromissfindung erforderlich wäre. Auch Anpassungen einer Plastiksteuerrichtlinie müssten einstimmig von den Mitgliedstaaten beschlossen werden. Der flexible Handlungsspielraum bei der Refinanzierung soll es den Mitgliedstaaten nach dem Subsidiaritätsprinzip ermöglichen, die jeweils am besten geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um ihr Aufkommen an unrecycelten Kunststoffabfällen zu reduzieren.
Einwegkunststofffonds ab 01.01.2024
Außerdem fallen insbesondere im Lebensmittelbereich bestimmte Einwegkunststoffe bereits seit dem 01.01.2024 unter eine weitere neue Abgabe. Nach dem Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) werden die betroffenen Hersteller und Importeure von Produkten aus Einwegkunststoff verpflichtet, eine jährliche Abgabe in einen zentralen vom Umweltbundesamt verwalteten Fonds einzuzahlen. Durch diese Sonderabgabe sollen die Hersteller und Importeure an den Kosten der kommunalen Abfallbeseitigung in Parks und Straßen beteiligt werden.
Das Einwegkunststofffondsgesetz dient der Umsetzung von Artikel 8 Absätze 1-7 in Verbindung mit Artikel 14 der EU-Einwegkunststoffrichtlinie RL (EU) 2019/904 in nationales Recht. Demnach müssen die Mitgliedstaaten für bestimmte Einwegkunststoffprodukte, für die es derzeit keine leicht verfügbaren, geeigneten und nachhaltigeren Alternativen gibt, eine erweiterte Herstellerverantwortung nach dem Verursacherprinzip einführen.
Abgabepflichtige Produkte und Abgabenhöhe
Betroffen sind Produkte, die ganz oder teilweise aus Kunststoff bestehen und die nicht so konzipiert, entwickelt und in Verkehr gebracht werden, dass sie innerhalb ihrer Lebensdauer mehrfach verwendet werden können, indem sie für denselben Zweck, für den sie konzipiert wurden, wieder befüllt oder wiederverwendet werden. In Anhang 1 EWKFondsG werden die abgabepflichtigen Einwegkunststoffprodukte definiert. Nach § 2 EWKFondsV gelten dabei folgende Abgabesätze:
Lebensmittelbehälter |
0,177 EUR/kg |
Tüten und Folienverpackungen mit Lebensmittelinhalt |
0,876 EUR/kg |
nicht bepfandete Getränkebehälter |
0,181 EUR/kg |
bepfandete Getränkebehälter |
0,001 EUR/kg |
Getränkebecher |
1,236 EUR/kg |
leichte Kunststofftragetaschen |
3,801 EUR/kg |
Feuchttücher |
0,061 EUR/kg |
Luftballons |
4,340 EUR/kg |
Tabakprodukte mit Filtern und Filter für Tabakprodukte |
8,972 EUR/kg |
Betroffene Unternehmen
Jede in Deutschland ansässige natürliche oder juristische Person unterliegt der neuen Abgabe, wenn sie als Hersteller, Abfüller, Verkäufer oder Importeur die betreffenden Einwegkunststofferzeugnisse erstmals gewerbsmäßig auf dem Markt bereitstellt. Als Bereitstellung auf dem Markt gilt jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Erzeugnisses zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Markt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit. Dies gilt unabhängig von der Verkaufsmethode und auch für Fernabsatzverträge.
Bei der Bestimmung des abgabepflichtigen Herstellers nach EWKFondsG sind je nach Einwegkunststoffprodukt unterschiedliche Abgrenzungskriterien zu beachten. Bei Lebensmittelbehältern wie Kunststoffboxen und -tellern sowie bei Getränkebehältern und -bechern wird der Verpackungsproduzent als Hersteller im Sinne des EWKFondsG betrachtet. Dagegen gilt bei Tüten und Folienverpackungen der Befüller (z.B. Bäckerei), der erstmals eine mit Lebensmitteln befüllte Verpackung in Deutschland auf den Markt bringt, als Hersteller nach EWKFondsG.
Natürliche oder juristische Personen, die nicht in Deutschland ansässig sind, unterliegen ebenfalls der neuen Abgabe, wenn sie die betreffenden Einwegkunststoffprodukte im Wege der Fernkommunikation direkt an private Haushalte oder andere Nutzer verkaufen.
Online-Plattform und Registrierungspflicht
Das Umweltbundesamt (UBA) baut derzeit die digitale Plattform DIVID zur Verwaltung und Abwicklung des Einweg-Kunststofffonds auf. Nach dem derzeitigen Zeitplan wird diese ab dem 01.04.2024 schrittweise in Betrieb genommen. Bis dahin wird auch die sehr komplexe IT-Infrastruktur, die sehr hohen sicherheitstechnischen Anforderungen genügen muss, fertiggestellt sein.
Die Registrierung der Hersteller kann daher erst zum 01.04.2024 erfolgen. Für Unternehmen, die bereits im Verpackungsregister LUCID registriert sind, soll ein vereinfachtes Verfahren ermöglicht werden. Dennoch bliebe auch in diesem Fall die finanzielle Mehrbelastung für die betroffenen Unternehmen bestehen.
Im Zeitraum 01.01.2024 bis 01.04.2024 stellt das UBA den betroffenen Akteuren auf der Internetseite www.einwegkunststofffonds.de eine statische Abbildung von DIVID zur Verfügung. Über diese Webseite können Hersteller Anträge zur Einordnung der Herstellereigenschaft und zur Einwegkunststoffprodukteinordnung stellen.
Jährliche Mengenmeldungen und Fälligkeit der Abgabe
Jährlich zum 15. Mai, damit erstmals zum 15. Mai 2025, müssen die Hersteller dem Umweltbundesamt die Menge und die Art der im Vorjahr in Verkehr gebrachten oder verkauften Einwegkunststoffprodukte melden. Bei Überschreiten einer Bagatellgrenze von 100 Kilogramm pro Kalenderjahr müssen die gemeldeten Mengen durch eingetragene Sachverständige, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder vereidigte Buchprüfer überprüft und bestätigt werden.
Das Umweltbundesamt setzt die Sonderabgabe durch einen Bescheid über die Festsetzung von öffentlichen Abgaben fest. Die Höhe der Sonderabgabe ergibt sich aus der Multiplikation der gemeldeten Mengen mit den jeweiligen Abgabesätzen. Die Zahlung ist einmal jährlich, einen Monat nach Erhalt des Abgabenbescheids, zu leisten. Mit dieser Sonderabgabe sollen die Hersteller und Importeure an den Kosten der kommunalen Abfallentsorgung in Parks und Straßen beteiligt werden.
Die Bundesregierung rechnet mit jährlichen Einnahmen von rund 434 Millionen Euro. Die ersten Auszahlungen an die Kommunen sind für Herbst 2025 für die im Jahr 2024 erbrachten abfallwirtschaftlichen Leistungen vorgesehen.
Anreizbasierte Beteiligungsentgelte zum Dualen System
Das am 01.01.2019 in Kraft getretene Verpackungsgesetz definiert die Produktverantwortung nach § 23 Kreislaufwirtschaftsgesetz für Verpackungen. Diese regelt, dass die Hersteller oder Vertreiber von Produkten auch für die Kosten ihrer Entsorgung oder Verwertung verantwortlich sind. Das Verpackungsgesetz verpflichtet Hersteller von verpackten Waren und Vertreiber von Verpackungen zur Registrierung bei der Zentralen Stelle Verpackungsregister, die für die Organisation, Anwendung und Überwachung der Anforderungen des Gesetzes zuständig ist. Voraussetzung für die Registrierung ist der Erwerb einer kostenpflichtigen Lizenz bei einem Dualen System. Die Dualen Systeme sind für die haushaltsnahe Sammlung und Entsorgung von gebrauchten Verkaufsverpackungen in Deutschland verantwortlich.
§ 21 VerpackG legt fest, dass die Dualen Systeme Anreize schaffen müssen, um die Verwendung von recycelbaren Materialien sowie von Rezyklaten und nachwachsenden Rohstoffen in Verpackungen zu fördern. Sie verlangt auch regelmäßige Berichte von den Systemen über ihre Umsetzung dieser Vorgaben und ermöglicht es der Bundesregierung, auf dieser Grundlage weitere Anforderungen zur Förderung der Recyclingfähigkeit und ökologischen Verträglichkeit von Verpackungen festzulegen.
Nach Ansicht der Bundesregierung hat § 21 VerpackG in seiner jetzigen Form bereits ein wichtiges Signal an die Hersteller systembeteiligungspflichtiger Verpackungen für eine ökologische Verpackungsgestaltung gesetzt. Darauf aufbauend sieht die Bundesregie-rung es als notwendig an, die bestehende Regelung nun weiterzuentwickeln. Grund dafür ist, dass der Wettbewerb zwischen den dualen Systemen derzeit die Umsetzung einer ökologischen Gestaltung der Beteiligungsentgelte behindert.
Die Bundesregierung arbeitet derzeit an den Grundlagen für die gesetzliche Verankerung eines Fondsmodells mit dem Ziel, noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf vorzulegen. Eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung wird nicht angestrebt. Die recht-lichen Möglichkeiten und Spielräume für eine Überarbeitung des § 21 VerpackG hängen insbesondere auch von den laufenden Verhandlungen auf EU-Ebene über den Vorschlag für eine Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle ab (BT-Drs. 20/10040).
Regionale Steuern
Unabhängig von den nationalen Entwicklungen hat die Stadt Tübingen als erste Kommune in Deutschland eine Verpackungssteuer auf kommunaler Ebene eingeführt. Seit dem 1. Januar 2022 wird die Steuer auf Einwegverpackungen und -besteck erhoben in Höhe von 0,50 EUR pro Einweg-Getränkebehälter, Einweg-Geschirr und Einweg-Lebensmittelverpackung sowie in Höhe von 0,20 EUR pro Einweg-Besteck, wobei eine Obergrenze von 1,50 EUR pro Mahlzeit gilt. Die Steuer wird von den Einzelhandels-geschäften erhoben, die für die Bereitstellung dieser Einwegverpackungen und des Einwegbestecks verantwortlich sind (z. B. Imbisse, Bäckereien, Tankstellen usw.).
Eine erste Zwischenbilanz zur Verpackungssteuer in Tübingen zeigt, dass von 420 angesprochenen Unternehmen 313 ihre Steuererklärung für 2022 beim Finanzamt eingereicht haben. Aufgrund der eingereichten Erklärungen wurden 161 Unternehmen als steuerbefreit eingestuft. 83 Steuerbescheide wurden rückwirkend zum 1. Januar 2022 verschickt. Ein Teil der Steuererklärungen wird derzeit noch geprüft und eine erste Erinnerung an die Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung wurde verschickt. Liegt keine Steuererklärung vor, ist die Universitätsstadt Tübingen berechtigt, den Steuerbetrag zu schätzen und einen entsprechenden Steuerbescheid zu versenden. Die Unternehmen mussten ihre Steuererklärung für das Jahr 2023 bis zum 15.01.2024 bei der Stadtverwaltung einreichen. Aufgrund der bisher eingegangenen Steuererklärungen wird für das Jahr 2022 mit einem Steueraufkommen von mindestens 692.359 Euro gerechnet. Die Einnahmen fließen in den städtischen Haushalt und werden für die Abfallentsorgung im öffentlichen Raum verwendet.
Nach dem Tübinger Vorbild wird die Einführung von Verpackungssteuer aktuell auch in vielen anderen Städten wie Freiburg, Gummersbach, Konstanz oder München diskutiert. Die Tübinger Stadtverwaltung steht nach eigenen Angaben bereits mit 80 Städten in Kontakt, bei denen ebenfalls eine Verpackungssteuer thematisiert werde.