Anders als geplant konnte der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht am 18.10.2024 nicht in der Fassung „Beschlussempfehlung und Bericht“ seines Finanzausschusses in 2./3. Lesung beschlossen werden. Am späten Freitagnachmittag waren nicht mehr ausreichend Abgeordnete anwesend, sodass die Beschlussunfähigkeit des Bundestags festgestellt werden musste.
Aufgrund des Bruchs der Regierungskoalition konnte am Ersatztermin, 07.11.2024, kein Bundestagsbeschluss zur Novelle gefasst werden. Das Ende der Ampelkoalition und die voraussichtlich Anfang nächsten Jahres stattfindenden Neuwahlen des Bundestags haben unterschiedliche Auswirkungen auf die laufenden Gesetzgebungsverfahren, da sich diese auf verschiedenen Verfahrensstufen befinden.
Generell gilt, dass alle bereits in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe durch die Neuwahl des Bundestags der Diskontinuität anheimfallen, wenn sie nicht vor der Neuwahl durch den Bundestag beschlossen werden. Diese Gesetzentwürfe müssen dann in der nächsten Legislaturperiode erneut in den Bundestag eingebracht werden. Dies trifft auch auf das Gesetz zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht zu, zu dem bereits die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vorliegt.
Für einen Beschluss ist die Rumpfkoalition auf die Stimmen der Opposition, insbesondere der CDU/CSU, angewiesen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Union zwar zur Zusammenarbeit bei wichtigen Gesetzgebungsvorhaben eingeladen, allerdings hat Oppositionsführer Merz bereits klargestellt, dass eine Zusammenarbeit für ihn erst in Betracht kommt, wenn der Bundeskanzler die Vertrauensfrage gestellt hat. Das Ergebnis dieser Verhandlungen ist schwer vorhersehbar.
Das Bundeskabinett hatte am 22.05.2024 den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht beschlossen. Die Änderungen werden zum 01.01.2025 in Kraft treten. Im Rahmen der Einigung auf den Regierungsentwurf für den Haushalt 2025 und der Wachstumsinitiative vom 05.07.2024 hatte man sich dann im Hinblick auf das Stromsteuerrecht u.a. darauf verständigt, die 2023 zunächst befristet erhöhte Stromsteuerentlastung nach § 9b StromStG für den jetzigen Begünstigtenkreis zu verstetigen, um den Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit zu geben.
Änderungen des Gesetzesentwurfs im Gesetzgebungsverfahren
Der Finanzausschuss des Bundestages hat am 16.10.2024 folgende Neuerungen bzw. Änderungen (BT-Drs. 20/13404) bezogen auf den Regierungsentwurf (BT-Drs. 20/12351) beschlossen:
› Einer bereits am 17.07.2024 im Bundeskabinett beschlossenen Formulierungshilfe folgend wird der Entlastungssatz in § 9b Abs. 2 Satz 1 StromStG unbefristet auf 20,00 €/MWh festgelegt und der bisherige Abs. 2a zur zeitlichen Befristung der bisherigen Maßnahme aufgehoben. Bei einer derzeitigen steuerlichen Belastung von Strom mit 20,50 €/MWh reduziert sich der Belastungsbetrag damit nun unbefristet auf den Mindeststeuersatz nach der Energiesteuerrichtlinie in Höhe von 0,50 €/MWh.
› Stromversorger und Erdgaslieferer müssen ihr Hauptzollamt zukünftig bis zum 15. August des Veranlagungsjahres informieren, wenn die voraussichtliche Jahressteuerschuld des laufenden Jahres die im Vorauszahlungsbescheid festgesetzte Steuer um mehr als 20 % und zusätzlich um mehr als 100.000 EUR übersteigt. In diesem Fall passt das Hauptzollamt die Vorauszahlungen an. Eine verringerte Steuerschuld kann auf Antrag ebenfalls zu einer Anpassung der Vorauszahlungen führen, wenn die Differenz erheblich ist. Der bisherige Regierungsentwurf wurde diesbezüglich entschärft. Ursprünglich war eine monatliche Meldepflicht für Versorger und Erdgaslieferer zum 15. des Folgemonats vorgesehen.
› Stromversorger und Erdgaslieferer müssen zudem zukünftig jeweils ein oder mehrere spezielle Steuerkonten für Strom und Erdgas führen, in dem sie sämtliche steuerrelevanten Vorgänge nachvollziehbar aufzeichnen. Unternehmen, die z. B. nach dem Handelsgesetzbuch verpflichtet sind, eine ordnungsgemäße Buchführung zu führen, können ihre Stromsteueranmeldungen bzw. ihre Energiesteueranmeldungen für Erdgas auch mithilfe von elektronischen Aufzeichnungen vornehmen, wenn diese auf einem amtlich vorgeschriebenen Formular basieren. Dafür müssen sie im Hauptbuch jeweils ein oder mehrere spezielle Steuerkonten für Strom und Erdgas einrichten. In diesen Steuerkonten müssen alle Geschäftsvorfälle, die zur Berechnung der Strom- bzw. Energiesteuer relevant sind, festgehalten werden. Diese Aufzeichnungen müssen vollständig und nachvollziehbar sein, sodass die Steuerberechnung und ihre Grundlagen jederzeit überprüft werden können. Besonderheiten gibt es, wenn das Geschäftsjahr nicht mit dem Kalenderjahr übereinstimmt: Zum Jahresende (31. Dezember) muss ein Buchungsstopp erfolgen, damit die Geschäftsvorfälle des Kalenderjahres sauber abgegrenzt werden können. Außerdem müssen für den Selbstverbrauch von Strom und Erdgas Eigenbelege erstellt werden.
› Die Steuerentlastung nach § 60 EnergieStG wird beibehalten, die es Verkäufern von Benzin und Diesel ermöglicht, bei Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers unter bestimmten Bedingungen eine Steuerentlastung für die enthaltene Energiesteuer zu beantragen. Diese Regelung ist besonders wichtig für den mittelständischen Mineralölhandel, da sie den wirtschaftlichen Schaden bei Kundeninsolvenzen mindert und den Aufwand für Versicherungen reduziert.
Weitere beschlossene Rechtsänderungen zum 01.01.2025
Unverändert beschlossen hat der Finanzausschuss u.a. die folgenden bereits im Regierungsentwurf enthaltenden maßgeblichen Änderungen des Energie- und Stromsteuerrechts:
› Ab dem 01.01.2025 sind Vergütungen nach § 9b StromStG und § 54 EnergieStG nur noch elektronisch über das Online-Portal MOEVE der Zollbehörde zu beantragen. Der unterjährige Mindestbetrag für die Steuerentlastung nach § 9b StromStG beträgt 1.000 EUR.
› Entlastungsanträge müssen nicht mehr zwingend bis zum 31.12. des Folgejahres gestellt werden, sondern können bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO eingereicht werden. Aufgrund der einjährigen Festsetzungsfrist ergeben sich daraus in der Praxis für den Regelfall der jährlichen Antragstellung keine geänderten Fristen für die Antragsberechtigen. Lediglich im Fall einer Ablaufhemmung kann eine nachträgliche Antragstellung möglich sein.
› Die Entlastungszeiträume können nur einmal jährlich bestimmt werden. Die unverzügliche Entlastung ist generell nicht mehr möglich. Aufgrund des Onlinezugriffs der Verwaltung müssen Registerauszüge künftig nicht mehr als Unterlage dem Hauptzollamt vorgelegt werden.
› Entlastungsanträge dürfen trotz beihilferechtlicher Ausschlussgründe (offene Rückforderungsanordnung / Unternehmen in Schwierigkeiten (UiS)) zunächst gestellt werden, aber die endgültige Prüfung und Auszahlung erfolgt erst nach Klärung dieser Gründe, wobei der Begriff "Beantragung" durch "Gewährung" im Gesetz ersetzt wurde.
› Belegmäßige Nachweise sind nur zulässig, wenn der Antragstellung nicht zur Führung von Aufzeichnungen und zur Erstellung von Jahresabschlüssen verpflichtet ist. Der buchmäßige Nachweis ist weiterhin Grundsatz.
› Die Entlastung von Energieerzeugnissen zur Stromerzeugung nach § 53 EnergieStG wurde neu formuliert. Die Neuregelung ermöglicht nunmehr eine gleichzeitige Inanspruchnahme der Steuerentlastung für den Erdgaseinsatz und der Steuerbefreiungen für den erzeugten Strom nach § 9 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 StromStG. § 53a EnergieStG ist dagegen nunmehr rechtlich nachgelagert und entlastet KWK-Anlagen, die keinen Strom erzeugen.
Es ist unverständlich, weshalb auch die Neuregelung der Steuerentlastung für hocheffizienten KWK-Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis 2 Megawatt lediglich mit Wirkung zum 01.01.2025 beschlossen wurde. Dies hat zur Folge, dass der Erdgaseinsatz in KWK-Anlagen bei Inanspruchnahme der Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG für den selbst erzeugten Strom wie folgt zu entlasten ist:
Kalenderjahr 2023: vollständige Steuerentlastung nach § 53a Abs. 6 EnergieStG (5,50 EUR/MWh inkl. Nachweis von Nutzungsgrad und Hocheffizienz und Gegenrechnung von Investitionsbeihilfen)
Kalenderjahr 2024: teilweise Steuerentlastung nach § 53a Abs. 4 EnergieStG (4,42 EUR/MWh inkl. Nachweis von Nutzungsgrad)
Kalenderjahr 2025: vollständige Steuerentlastung nach § 53 EnergieStG (5,50 EUR/MWh ohne weitere Nachweise)
Die Absenkung der Steuerbegünstigung für 2024 wurde Ende 2023 mit beihilferechtlichen Änderungen begründet, was nunmehr fragwürdig erscheint, da sich diesbezüglich keine Änderungen zu 2025 ergeben.
› Die Versteuerung von Energieerzeugnissen ist im Entlastungsverfahren nach §§ 53 EnergieStG nur noch dann zwingend nachzuweisen, wenn es sich nicht um klassische Kraft- oder Heizstoffe handelt.
› Als Betreiber einer Ladesäule gilt künftig derjenige, aus dessen Netz die Ladesäule mit Strom versorgt wird. Der an der Ladesäule abgegebene Strom gilt als Eigenverbrauch des Betreibers. Steuerfreier Strom aus Eigenerzeugung kann damit steuerfrei über die Ladesäule an Dritte abgegeben werden. Die Abgabe an Ladesäulen begründet keinen stromsteuerlichen Versorgerstatus. Die Beteiligten bei der Abrechnung des entnommenen Ladestroms sind stromsteuerlich nicht mehr relevant, da nur noch der Betreiber maßgeblich ist. Eine nochmalige Stromsteuer durch Versorger in der Leistungs-/Abrechnungskette ist wegen der Eigenverbrauchsfiktion ausgeschlossen.
› Als Anlage zur Stromerzeugung werden nur noch gemeinsam betriebene Stromerzeugungseinheiten eines Betreibers innerhalb einer Kundenanlage angesehen. Die Zusammenrechnung der Anlagenleistung an unterschiedlichen Standorten aufgrund der Fernsteuerbarkeit (virtuelle Anlagenverklammerung) entfällt, was den Ausschluss von Steuerbefreiungen vermeidet. Eine Stromerzeugungsanlage umfasst demnach einen Verbund aus technischen Komponenten zur Umwandlung von Energieträgern in elektrischen Strom, wobei insbesondere Stromerzeugungseinheiten, die vom gleichen Betreiber innerhalb einer Kundenanlage oder an einem Standort betrieben werden, als Anlage gelten, wenn die erzeugte Strommenge teilweise in die Kundenanlage oder zur Entnahme eingespeist wird; dies schließt auch die Einspeisung in ein gemeinsames Netz oder eine gemeinsame Direktleitung ein. Der räumliche Zusammenhang erstreckt sich auf Entnahmestellen, die sich innerhalb eines Radius von bis zu 4,5 Kilometern um die Stromerzeugungseinheit befinden.
› Stromsteuerrechtlich werden künftig alle Techniken zur ortsfesten Stromspeicherung gleichgestellt. Wenn Stromspeicher von Versorgern im Marktstammdatenregister (MaStR) eingetragen sind, gelten sie als Teil des Netzes und benötigen keine Zulassung durch das Hauptzollamt. Gespeicherter steuerfreier Strom bleibt auch nach der Entnahme anteilig steuerfrei. Die Entnahme oder Abgabe von Strom aus Speichern innerhalb einer Kundenanlage führt nicht automatisch dazu, dass der Betreiber als Versorger eingestuft wird.
› Strom, der beim bidirektionalen Laden in den Speicher zurückgespeist wurde, ist bei der erneuten Entnahme steuerfrei, solange das öffentliche Netz nicht eingebunden ist.
› „Kleine Versorger“ müssen steuerfreie Strommengen nur noch auf Verlangen anmelden. In den Stromrechnungen sind die begünstigten Mengen nach § 9 StromStG je Begünstigung mit dem Steuersatz getrennt auszuweisen, sofern die Abgabemenge 10 MWh/Jahr übersteigt.
› Deponiegas, Klärgas oder Biomasse werden nicht mehr als erneuerbare Energien definiert, so dass aus diesen Erzeugnissen erzeugter Strom nicht mehr unter die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG fällt, während der Einsatz in hocheffizienten KWK-Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung bis zu 2 MW weiterhin steuerfrei möglich ist. Die Neureglung ist nicht nachvollziehbar, da Biomasse bei nachgewiesener Einhaltung der Nachhaltigkeits- und Treibhausgaseinsparanforderungen der novellierten Erneuerbare-Energien-Richtlinie RL 2023/2413/EU unionsrechtlich als erneuerbarer Energieträger definiert ist.
› Die Energiesteuerbefreiungen für Deponiegas, Klärgas oder Biomasse nach § 28 EnergieStG wurden neu geregelt und sind nunmehr EU-rechtlich relevanten Beihilfen.
› Die Neufassung des § 10 Abs. 2 Nr. 2 StromStV erweitert die allgemeinen Erlaubnis im Rahmen der Steuerbefreiung für hocheffiziente KWK-Anlagen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG von bisher bis zu 50 Kilowatt auf Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von weniger als einem Megawatt. Voraussetzung ist die Registrierung im MaStR. Diese Änderung reduziert den bürokratischen Aufwand erheblich. Die Einstufung als „hocheffiziente KWK-Anlage“ richtet sich nach EU-Recht und der CO2-Ausstoß muss kleiner als 270 Gramm je kWh Energieertrag sein.
› Ein unwiderruflicher Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 StromStG durch Versteuerung zum Regelsteuersatz ist nun gesetzlich möglich.
› Die Abgabe von steuerfreiem Strom nach § 9 Abs. 1 Nr. 3b StromStG im räumlichen Zusammenhang an Letztverbraucher innerhalb einer Kundenanlage bedarf keiner zollamtlichen Erlaubnis.
› Steuerfreie oder zu entlastende Strommengen dürfen bilanziell einer Entnahmestelle zugeordnet werden, wenn keine physikalische Zuordnung möglich ist, wobei die Zuordnung auf 15-Minuten-Intervalle mit mess- und eichrechtskonformen Messeinrichtungen erfolgen muss. Bei Strom innerhalb einer Kundenanlage gilt die Zeitgleichheit abweichend als sichergestellt, wenn die Mengen entsprechend ihrem Verhältnis zur entnommenen Gesamtmenge den Entnahmestellen zugeordnet werden (quotale Zuordnung).
› Die Regelungen zum zertifizierten Empfänger/Versender und zur Beförderung mit einem vereinfachten elektronischen Verwaltungsdokument gelten auch für Kohle und flüssiges Erdgas (LNG).
Nun muss nur noch der Bundesrat seine finale Zustimmung zu dem Gesetz erteilen. Dies könnte in der Plenarsitzung am 22.11.2024 erfolgen.