Rs. „H GmbH“: Direktanspruch in der Umsatzsteuer

Das Rechtsinstitut des Direktanspruchs geht auf die Rechtsprechung des EuGH zurück und erlaubt dem Leistungsempfänger unter bestimmten Voraussetzungen, die Erstattung eines in der Rechnung zu hoch ausgewiesenen Steuerbetrags direkt vom Fiskus zu verlangen.

In dem Vorlageverfahren des BFH richtete sich der Direktanspruch auf einen unzutreffend ausgewiesenen deutschen Umsatzsteuerbetrag. Bei zutreffender Beurteilung des Leistungsaustauschs hätte italienische Umsatzsteuer ausgewiesen werden müssen. Da der Direktanspruch voraussetzt, dass der Leistungsempfänger einen Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Leistenden hat, zweifelte der BFH im Streitfall an dem Bestehen eines Direktanspruchs. Denn anstelle der unzutreffend ausgewiesenen deutschen Umsatzsteuer hätte der Leistende die italienische Umsatzsteuer in Rechnung stellen und einen Steuerbetrag vom Leistungsempfänger einfordern können, welcher betragsmäßig sogar noch höher gewesen wäre. Da das Finanzamt die rechtsgrundlos erlangte Steuer wohl aber nur einmal zu erstatten habe, stellte sich dem BFH die Frage, ob deswegen dem gegen das Finanzamt gerichteten Rückzahlungsanspruch des Rechnungsausstellers aufgrund der Rechnungsberichtigung oder dem ebenfalls gegen das Finanzamt gerichteten Direktanspruch des Rechnungsempfängers Vorrang zukommen soll.

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Leistungsempfänger im Vorlagefall nicht auf einen Direktanspruch habe berufen können. Er stützt seine Entscheidung maßgeblich auf den regulären Ablauf einer Erstattung von unzutreffend ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen, welche entlang der Kette Finanzamt - Rechnungsaussteller - Rechnungsempfänger zu erfolgen habe.

Zum einen stellt der EuGH klar, dass der Direktanspruch eine Ausnahme zum regulären Berichtigungsprozedere darstelle und die Geltendmachung eines Direktanspruchs gegen die Finanzbehörden somit voraussetze, dass der Leistungsempfänger alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um seine Rechte gegenüber dem Leistenden anderweitig durchzusetzen.

Im Streitfall war es dem Leistenden anscheinend noch möglich, sich in Italien umsatzsteuerrechtlich registrieren zu lassen und sodann eine ordnungsgemäße Rechnung mit Ausweis italienischer Umsatzsteuer zu erteilen. Das hätte dem Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug in Italien ermöglicht. Folglich hätte der Leistungsempfänger eine zivilrechtliche Klage auf Erteilung einer Rechnung mit italienischem Umsatzsteuerausweis gegen den Leistenden erheben können, um hierdurch eine Umsatzsteuerbelastung zu vermeiden. Im Streitfall sei diese Möglichkeit jedoch nicht wahrgenommen worden, was zum Ausschluss des Direktanspruchs führe.

Zum anderen setzt sich der EuGH mit der vom BFH aufgeworfenen Frage einer Rangfolge der Rückzahlungsansprüche im Zusammenhang mit einem Direktanspruch auseinander. Im Vorlagefall hatte die Finanzverwaltung den fraglichen Steuerbetrag bereits an den Leistenden zurückbezahlt.

Die Weiterleitung an den Leistungsempfänger scheiterte jedoch an dem Insolvenzverfahren des Leistenden. Die Annahme eines Direktanspruchs würde in solchen Fällen zu einer doppelten Erstattung der Umsatzsteuer durch die Finanzverwaltung führen, was aber nach Auffassung des EuGH nicht das Ergebnis sein könne.

Vielmehr stellt der EuGH klar, dass die Finanzverwaltung in Insolvenzfällen gerade nicht zu berücksichtigen habe, ob die Weiterleitung an den Leistungsempfänger gestört sein könnte. Denn der Direktanspruch habe nicht zum Ziel, die Rangfolge der Gläubiger im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Frage zu stellen. Darüber hinaus müssten Finanzbehörden zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung zwar Kontrollen durchführen und die Erklärungen und Unterlagen der Steuerpflichtigen prüfen. Im vorliegenden Fall könne jedoch von der deutschen Finanzverwaltung nicht verlangt werden, zu bestimmen, ob der Insolvenzverwalter des Dienstleisters die italienische Mehrwertsteuer nicht erklären wird und ob dies nach italienischem Recht als Steuerbetrug gilt. Dies gehe aus Sicht des EuGH ebenfalls über das hinaus, was von einer nationalen Finanzverwaltung erwartet werden könne.

Der EuGH bestätigt damit das Verständnis der Finanzverwaltung und des BFH, wonach ein Direktanspruch in Fällen ausscheiden soll, in denen der Fiskus nicht mehr bereichert ist (vgl. WTS Journal 02/2022). Für den Steuerpflichtigen, der einen Direktanspruch begehrt, verdeutlicht das Urteil, dass dieser Anspruch als ultima ratio zu verstehen ist und er daher vorab anderweitige Möglichkeiten zur Herbeiführung einer umsatzsteuerlich rechtskonformen Sachlage auszuschöpfen hat.

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