Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat am 23.08.2018 insgesamt 25 Dokumente mit Ratschlägen für Bürger und Unternehmen veröffentlicht, welche in UK auf den Fall eines "No Deal“-Brexit vorbereiten sollen.
Veröffentlichung "technischer Anleitungen“
Mit der Veröffentlichung dieser ersten "technischen Anleitungen“ verstärkt die britische Regierung nun ihre Vorbereitungen für einen EU-Austritt ohne Abkommen. Diese sogenannten "technischen Anleitungen“ informieren über mögliche Folgen eines ungeordneten Brexit im März 2019 für bestimmte Branchen und Bereiche sowie über Möglichkeiten, wie sich die Betroffenen fundiert vorbereiten können. Bis Ende September will die britische Regierung insgesamt etwa 80 solcher Ratgeber für diverse Branchen und Sektoren ausarbeiten und herausgeben. Bereits am 18.07.2018 hatten die britische Premierministerin und der zuständige Staatssekretär diese Veröffentlichungen für August und September angekündigt.
Offiziell verlässt UK die EU in der Nacht zum 30.03.2019. Im März (TAX WEEKLY # 12/2018) hatten sich die EU-Kommission und UK auf den Entwurf einer Austrittsvereinbarung und eine darauf folgende Übergangszeit bis 31.12.2020 geeinigt, während der UK Mitglied des EU-Binnenmarktes bleiben soll. Die finalisierte Austrittsvereinbarung soll bis Oktober bzw. womöglich November 2018 vorliegen. Scheitern die Verhandlungen und verlässt UK die EU ohne Abkommen, wird es auch keine Übergangszeit geben.
Ein solches "No Deal“-Szenario würde bedeuten, dass UK die EU verlässt und am 29.03.2019 um 23 Uhr GMT ein Drittland ohne Austrittsabkommen sowie ohne Rahmen für eine zukünftige Beziehung zur EU würde.
Details
Für den Import und Export wurden am 23.08.2018 vier Dokumente veröffentlicht, die erste Informationen über Schutzmaßnahmen, den Handel mit der EU, die Klassifizierung in den UK Trade Tariff sowie den Export kontrollierter Güter im Falle eines "No Deals“ beinhalten.
Der Zweck der Bekanntmachung über die Schutzmaßnahmen besteht darin, britische Unternehmen auf die Absicht der Regierung aufmerksam zu machen, bis zum Austritt von UK aus der EU ein unabhängiges Handelshilfesystem einzurichten, das von der britischen Trade Remedies Authority (TRA) betrieben wird.
Bis März 2019 reichen Hersteller aus UK bei der Europäischen Kommission Anträge für Untersuchungen ein, wenn eine Schädigung durch einen EU-Hersteller vorliegt. Ab März soll mit der Einrichtung der "TRA“ ein eigenes Handelshilfesystem einsatzbereit sein. Das Handelsgesetz soll das TRA als eine neue nichtabteilungsspezifische öffentliche Einrichtung etablieren, während das Gesetz über die Besteuerung (grenzüberschreitender Handel) den Rahmen für Handelshilfemaßnahmen im Rahmen der WTO-Vorschriften festlegen soll, für welche die TRA verantwortlich sein soll.
Ab März 2019 müssten Unternehmen im Handel mit der EU unter anderem mit Zollanmeldungen, Zollgebühren und Sicherheitsnachweisen rechnen. Für die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren würde das System zur Kontrolle der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren (EMCS) nicht mehr zur Kontrolle von Warenbewegungen unter Steueraussetzung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich verwendet werden. Das EMCS würde jedoch weiterhin dazu dienen, die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren innerhalb des Vereinigten Königreichs, einschließlich der Bewegungen von und nach UK Häfen, Flughäfen und durch den Kanaltunnel zu kontrollieren. Auch Themen wie EORINummer, INCOTERMS, Einfuhrerklärungen, Tarifierung müssten berücksichtigt werden.
Vorbereitende Maßnahmen für den Handel mit Irland hat die Regierung des Vereinigten Königreichs noch nicht detailliert formuliert, empfiehlt Unternehmern jedoch, bei einem Handel zwischen UK (insbesondere Nordirland) und Irland ggf. auch von der irischen Regierung Informationen zu empfohlenen vorbereitenden Maßnahmen einzuholen.
Zudem würde ab März 2019 ein UK-Trade-Tariff eingeführt werden, der den EUCCT für Importe nach UK ersetzen wird. HMRC veröffentlicht bereits Tarifdaten online für Händler aus UK mit Drittländern. Diejenigen, die Waren aus Drittländern in das Vereinigte Königreich importieren, werden mit diesem System vertraut sein.
Ebenso würden sich die Exportgenehmigungsanforderungen für verschiedene Artikelgruppen ändern. Exporteure von Militär- und Dual-Use-Gütern, zivilen Schusswaffen und anderen Gütern könnten Genehmigungsbestimmungen in den geltenden Rechtsvorschriften für ein "Drittland" (ein Nicht-EU-Land) als Leitfaden für die Genehmigungsbestimmungen für Ausfuhren in EU-Länder im Falle eines "No Deal"-Szenarios heranziehen.
Exporteure in EU-Länder sollten prüfen, ob die von ihnen exportierten Güter kontrolliert werden könnten und eine Exportgenehmigung benötigen.
Die Regierung von UK verweist für weitere Informationen zu Kontrollen und Genehmigung auf den Export Control Joint Unit (ECJU). In einem "No Deal"- Szenario würde der ECJU die neue allgemeine Ausfuhrgenehmigung veröffentlichen, bevor UK die EU verlässt, sowie weitere Informationen darüber, wie man sich für die Verwendung registrieren lässt. Ausführer, die Einzelgenehmigungen benötigen, könnten diese auch vor dem Ausstiegsdatum beantragen. Weitere Informationen hierzu würden im Vorfeld des Austritts von UK aus der EU veröffentlicht werden. Wenn Unternehmen kontrollierte Artikel exportieren, sollten sie interne Prozesse einführen, um die Einhaltung exportkontrollrechtlicher Regelungen zu gewährleisten.
Ausblick
Obwohl Brexit-Minister Dominic Raab die Pflicht sieht, sich auf alle Fälle vorzubereiten, gibt er sich in Brüssel weiterhin optimistisch, dass ein gutes Brexit- Abkommen, welches beiden Seiten nützt, das bei weitem wahrscheinlichste Ergebnis der Verhandlungen bleibt.
Die Opposition im Vereinigten Königreich ist beunruhigt über die Ankündigung von Maßnahmen für den "No Deal“-Brexit kurz vor dem EU-Gipfel im Oktober und befürchtet, dass die Regierung die Verhandlungen in Brüssel "an die Wand fährt“.
Die traditionell europafreundlichen Liberaldemokraten sehen derweil die Chancen für ein zweites Brexit-Referendum steigen.
Abzuwarten bleibt, wie sich die weiteren Verhandlungen, insbesondere bis zum EU-Gipfel im Oktober 2018 entwickeln werden.