Unternehmen, die seit dem Ukraine-Krieg und der hierdurch ausgelösten Energiekrise sowie durch die klimabedingte Stromknappheit in 2022 mit hohen Energiepreisen belastet sind, erhalten durch die sog. Energiepreisbremsen staatliche Entlastungen. Die Auszahlungen sind im März 2023 angelaufen. Dies gilt für Strom, Erdgas und Wärme.
1. Beihilfenrechtlicher Hintergrund und grundsätzliche Funktionsweise der Preisbremsenregulierung
Das Regelwerk ist äußerst komplex und durch das EU-Beihilfenrecht geprägt, dem Temporary Crisis Framework (TCF) vom 28.10.2022. Maßgeblich für die Berechnung der Entlastungen sind bei Stromverbrauchern über 30.000 kWh/a und Erdgas- und Wärmeverbrauchern über 1,5 GWh/a die historischen Energieverbräuche in 2021, die noch unbeeinträchtigt von der Krise waren. Aufwändig wird die Berechnung dadurch, dass alle verbundenen Unternehmen einzubeziehen sind (dazu unten 4. in diesem Beitrag). Je mehr Energielieferanten und Abnahmestellen im Spiel sind, desto komplexer die Berechnung und die Abwicklung. Ausgangspunkt der Berechnung ist bei großen Letztverbrauchern der vertraglich vereinbarte Arbeitspreis des Unternehmens mit seinen jeweiligen Energielieferanten, bei Direktbeschaffung der gewichtete Spotmarktpreis. Unternehmen, die ganz oder zum Teil Strom oder Erdgas am Spotmarkt beziehen oder noch keine Mengen fixiert haben, müssen für die Berechnung der Entlastungshöhe die Preise für das Kalenderjahr 2023 prognostizieren, was Unsicherheiten in die Berechnung bringt.
Zu den Preisbremsengesetzen gab es Vorläuferregelungen, die ebenfalls Hilfen in der Energiekrise vorsahen. Daher mindern bereits erhaltene Hilfen nach dem Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) oder dem Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz aus dem Dezember 2022 (EWSG) den Beihilfebetrag. Die Preisbremsen-Hilfen werden unter Vorbehalt gewährt, in 2024 folgt dann eine endgültige Berechnung. Daher sind je nach Sicherheit der Berechnungen und Beihilfenkategorie ggf. Rückstellungen zu bilden. Nachstehend fassen wir die für Letztverbraucher wesentlichen Punkte zusammen.
2. Geltungsdauer und Novellierung der Gesetze
Beide Regelwerke, das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) und das Strompreisbremsegesetz (StromPBG), traten am 24.12.2022 in Kraft und wurden zum 01.01.2023 umgesetzt. Die Preisbremsen sollen vom 01.01.2023 bis zum 31.12.2023 gelten und eventuell bis zum 30.04.2024 verlängert werden.
Im März 2023 wurden Novellierungen verabschiedet, die u.a. folgende Regelungen betreffen: Das EWPBG wird dahingehend geändert, dass SLP-Kunden, die mehr als 1,5 Mio. kWh/a verbrauchen, wie industrielle RLM-Großverbraucher entlastet werden. Ferner wird eine Regelung zur Berechnung des Differenzbetrags bei Spotmarktverträgen hinzugefügt. Der Rückforderungsmechanismus hinsichtlich zu viel gezahlter Entlastungen wird erweitert. Es wird eine Vorschrift zur Rechtsfolge bei einem Verstoß gegen das Boni- und Dividendenverbot aufgenommen, das bei Entlastungssummen über € 25 Mio. greift (siehe unten 6. in diesem Beitrag). Auch wird redaktionell klargestellt, dass auch die Ersatzversorgung (beim Ausfall eines Lieferanten), die auf einer gesetzlichen Grundlage basiert, entlastet wird.
Was die entsprechenden Erstattungen auf Lieferantenseite angeht, ist bisher im StromPBG ein Vorauszahlungsanspruch ausschließlich für Energieversorgungsunternehmen geregelt. Dieser soll nunmehr auch für „sonstige Letztverbraucher“ gelten, die nicht von einem Energieversorgungsunternehmen beliefert werden, sondern selbst Energie beschaffen.
3. Kundengruppen und Referenzpreise
Adressaten der Entlastung der Strompreisbremse sind alle Letztverbraucher, also neben den Haushaltskunden sowohl kleine und mittlere Unternehmen als auch große stromintensive Industrieunternehmen. Die Entlastung wird vom Energieversorger über die monatlichen Rechnungen gewährt. Sie berechnet sich unter Heranziehung der Arbeitspreise aus dem Jahr 2023 abzüglich eines vom Gesetz definierten Referenzpreises. Der Referenzpreis ist je nach Verbrauchskategorie unterschiedlich: Bei Letztverbrauchern, die - prognostiziert oder aus dem Verbrauch in 2021 abgeleitet - bis zu 30.000 kWh Strom pro Jahr entnehmen, beträgt der Referenzenergiepreis 40 Cent/kWh. Darin sind Netzentgelte, Messstellenentgelte und staatlich veranlasste Preisbestandteile enthalten. Die Entlastung wird in der Regel für 80 % des für 2023 prognostizierten Verbrauchs gewährt. Handelt es sich um Letztverbraucher mit einer Abnahmemenge von über 30.000 kWh pro Jahr, beträgt der Referenzenergiepreis 13 Cent/kWh vor Netzentgelten, Messstellenentgelten und staatlich veranlassten Preisbestandteilen. In diesem Fall wird die Entlastung in der Regel für 70 % des Verbrauchs gewährt.
Die Erdgas- und Wärmepreisbremse gilt ebenfalls für alle Kunden (Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen sowie für die Industrie). Zusätzlich werden noch Krankenhäuser, Reha- und Pflegeeinrichtungen sowie Forschungs- und Bildungseinrichtungen berücksichtigt. Hier gelten insgesamt fünf unterschiedliche Referenzpreise: Für Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen gilt ab März 2023 und rückwirkend für die Monate Januar und Februar 2023 für ein Kontingent von 80 % des Jahresverbrauchs im Vorjahr für Erdgas ein Referenzpreis von 12 Cent/kWh. Bei Erdgas gilt ab Januar 2023 für Industriekunden für 70 % ihres Erdgasverbrauchs im Jahr 2021 ein Referenzpreis von 7 Cent/kWh. Für kleine Wärmekunden beträgt der Referenzpreis 9,5 Cent/kWh für 80 % des historischen Verbrauchs, bei großen Wärmekunden 7,5 Cent/kWh für 70 % des Verbrauchs im Jahr 2021. Für Dampfverbräuche über 1,5 GWh/Jahr gilt ein besonderer Referenzpreis von 9 Cent/kWh.
4. Entlastung in der Unternehmensgruppe
Zur Berechnung des Entlastungsbetrags sind in einem ersten Schritt alle erwarteten Arbeitspreise und Mengen sämtlicher Netzentnahmestellen des Unternehmens in 2023 im Bereich Strom, Erdgas und Wärme zu betrachten. Aus den bestehenden bzw. erwarteten Arbeitspreisen wird ein sog. Differenzpreis berechnet (Arbeitspreis 2023 abzgl. Referenzpreis, vgl. dazu oben 3. in diesem Beitrag). Diese Berechnung wird für alle oben genannten Energieträger nach Maßgabe der jeweiligen Gesetze für sämtliche Netzentnahmestellen des Unternehmens durchgeführt. Der errechnete Betrag darf in Summe eine relative und/oder absolute Grenze nicht übersteigen. Zur Berechnung der relativen Grenze sind die sog. krisenbedingten Mehrkosten (kMk) nach einer gesetzlich vorgegebenen Formel zu berechnen und heranzuziehen (Verhältnis Mehrkosten 2021 bis 2022 zu 2023, vgl. unten 5. in diesem Beitrag). Die absoluten Höchstgrenzen sind aus dem Gesetz abzulesen. Bei Berechnung der Höchstgrenzen sind sämtliche Netzentnahmestellen von „verbundenen Unternehmen“ mit einzubeziehen. Zur Begrifflichkeit der verbundenen Unternehmen verweist das Gesetz auf das EU-Beihilfenrecht. Hier ist im Rahmen einer Konzernbetrachtung insbesondere zu prüfen, ob ein Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte, beherrschenden Einfluss oder Kontrolle bei einem anderen Unternehmen hat. Aufgrund dieser vorgeschriebenen Berechnungsweise muss das Thema Energiepreisbremse immer im Konzernverbund betrachtet und berechnet werden. Separates Vorgehen einzelner Unternehmen einer Gruppe birgt das Risiko, dass gegen beihilferechtliche Compliance-Pflichten verstoßen werden kann. Hier kann eine verzinste Rückzahlung drohen.
5. Wie wird die Entlastung gedeckelt?
Die Entlastungsbeträge der Strompreisbremse und auch der Erdgas- und Wärmepreisbremse werden durch die Berechnung der kMk gedeckelt. Ferner definiert das Gesetz absolute Höchstgrenzen. Hierzu geben die Gesetze mehrere Beihilfekategorien vor, in denen die Deckelung unterschiedlich ist. Hintergrund ist der europäische Beihilfenrahmen (TCF).
Für Letztverbraucher, bei denen eine besondere Betroffenheit (Definition vgl. unten 7. in diesem Beitrag) festgestellt wurde (Feststellung durch Prüfbehörde), betragen die Beihilfekategorien und absoluten Höchstgrenzen:
- € 150 Mio. - Begrenzung 80 % der kMk
- € 50 Mio. - Begrenzung 65 % der kMk
- € 100 Mio. - Begrenzung 40 % der kMk (Auffangtatbestand)
Für sonstige Letztverbraucher betragen die Höchstgrenzen:
- € 2 Mio. - Begrenzung 100 % der kMk
- € 4 Mio. - Begrenzung 50 % der kMk
Den Unternehmen steht es frei, sich freiwillig in niedrigere Beihilfekategorien einzuordnen, um den Berechnungs- und Nachweisaufwand und die besonderen Compliance-Pflichten möglichst gering zu halten.
Bei einer Beihilfesumme von € 150 Mio. muss durch die Prüfbehörde festgestellt werden, dass der Letztverbraucher besonders energieintensiv oder das Unternehmen in einem besonders begünstigten Wirtschaftszweig tätig ist. Für die Kategorie von € 50 Mio. muss durch die Prüfbehörden – neben der besonderen Betroffenheit – festgestellt werden, dass der Letztverbraucher energieintensiv ist.
Nach der Berechnung der Entlastungsbeträge müssen daher die kMk ausgerechnet werden. Diese bilden mit dem jeweiligen Prozentsatz in den Beihilfekategorien die Höchstgrenze der dann tatsächlich gewährten Entlastung. Beispiel 1: Bei einer Entlastungssumme von € 1 Mio. und kMk dieses Letztverbrauchers von lediglich € 0,7 Mio. wird nach den Vorgaben der Preisbremsengesetze die Entlastungssumme auf € 0,7 Mio. begrenzt (100 % der kMk). Beispiel 2: Bei einer Entlastungssumme von € 4 Mio. und kMk von € 7,5 Mio. wird die Entlastungssumme auf € 3,75 Mio. begrenzt (50 % der kMk).
Bei Berechnung der kMk werden die Preise der jeweiligen Monate von 2022 und 2023 (prognostiziert) mit den Preisen aus 2021 verglichen und mit der Menge aus 2021 multipliziert. Somit ist für die Höhe der kMk vor allem die Preisdifferenz zwischen diesen beiden Jahren und dem Preis aus dem Referenzjahr von 2021 von Bedeutung.
6. Compliance-Pflichten bei hohen Entlastungssummen
Unternehmen, die eine monatliche Entlastungssumme von bis zu € 150.000 erhalten (Strom, Erdgas und Wärme im gesamten Unternehmensverbund), haben keine besonderen Compliance-Pflichten nach der Preisbremsen-Regulierung.
Letztverbraucher, die Unternehmen sind und insgesamt über € 2 Mio. Entlastungssumme nach der Strompreis- und Erdgas-Wärme-Preisbremse beziehen, müssen der Prüfbehörde bis zum 30.07.2023 einen Nachweis über die Arbeitsplatzerhaltung vorlegen. Dabei wird jedes Unternehmen eines Unternehmensverbunds separat betrachtet, da jedes Unternehmen eine eigene Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag vereinbaren kann. Besteht keine Tarif- oder Betriebsvereinbarung, so muss das Unternehmen eine Selbstverpflichtungserklärung des Inhalts abgeben, dass es 90 % der Belegschaft bis zum 30.04.2025 erhalten wird. Maßgeblich für die Mitarbeiterzahl ist der Stichtag 01.01.2023. Die Berechnung erfolgt anhand der Arbeitsplatz-Vollzeitäquivalente, um auch Teilzeitkonstellationen zu berücksichtigen. Leiharbeiter und Kurzarbeiter gehören vollständig zur Belegschaft. Wird eine Selbstverpflichtungserklärung nicht fristgerecht bis zum 30.07.2023 vorgelegt, so erlischt der Anspruch auf eine über € 2 Mio. hinausgehende Entlastungssumme. Bleiben bis zum 30.04.2025 nicht 90 % der in der Verpflichtungserklärung genannten Belegschaft erhalten, reduziert sich der Entlastungsbetrag prozentual.
Bei Entlastungsbeträgen über € 25 Mio. (Strom, Erdgas und Wärme im gesamten Unternehmensverbund) gilt ein Boni- und Dividendenverbot.
7. Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Entlastungssumme über € 4 Mio.
Um eine Entlastungssumme über € 4 Mio. zu erhalten, müssen die Unternehmen je nach Betroffenheit bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Als „besonders betroffen“ gilt derjenige, dessen EBITDA sich im Entlastungszeitraum je nach Beihilfekategorie um wenigstens 30 % oder wenigstens 40 % gegenüber dem EBITDA im entsprechendem Zeitraum des Kalenderjahres 2021 verringert hat. Unternehmen, die nach diesem EBITDA-Vergleich besonders betroffen sind und zusätzlich energieintensiv sind, können noch höhere Entlastungen geltend machen. Während bei einem Unternehmen, das lediglich „besonders betroffen“ ist, ein EBITDA-Rückgang in Höhe von mindestens 30 % gefordert wird, jedoch nur 40 % der kMk erstattet werden, werden bei energieintensiven Betrieben und Unternehmen zwischen 65 % und 80 % der kMk anerkannt. Diese Unternehmen müssen dann einen EBITDA-Rückgang von mindestens 40 % vorweisen.
8. Prüfverfahren
Die Gesetze sehen vor, dass bei der Inanspruchnahme von hohen Entlastungssummen ein Verfahren vor der Prüfbehörde durchführt werden muss. Sie prüft u.a., ob eine besondere Betroffenheit hinsichtlich der Inanspruchnahme hoher Energiekosten besteht und das Unternehmen energieintensiv ist. Ob die Prüfbehörde hinzugezogen werden muss, ist vorab von dem Unternehmen selbst zu bewerten. Die Behörde prüft auch die Pflichteneinhaltung des jeweiligen Letztverbrauchers. Darunter fallen u.a. die Einhaltung der Arbeitsplatzerhaltungspflicht bei Entlastungen über € 2 Mio. (§ 37 StromPBG). Die Prüfbehörde wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bestimmt (BMWK). Zum Redaktionsschluss stand noch nicht fest, wer diese Rolle übernehmen wird. Diesbezüglich steht aber im Raum, dass eine juristische Person des Privatrechts als Beliehener eingesetzt werden könnte.
Beide Preisbremsengesetze sehen zwingend Prüfungen durch einen Wirtschaftsprüfer vor. Dies umfasst u.a. die Prüfung der Jahresabschlüsse von besonders energieintensiven Letztverbrauchern für den Nachweis der EBITDA-Minderung.
9. Verfahren und Abwicklung
Letztverbraucher müssen eine Selbsterklärung gegenüber dem jeweiligen Energielieferanten abgeben. Diese Erklärung betrifft nur Unternehmen, deren Entlastungsbetrag an sämtlichen Entnahmestellen aller verbundenen Unternehmen für Strom, Erdgas und Wärme einen Betrag von € 150.000 monatlich übersteigt. Diese Erklärung musste bis zum 31.03.2023 abgegeben werden. Die Angaben sind vorläufig, da sie teilweise auf Prognosen beruhen, und können korrigiert werden. Bis spätestens zum 31.05.2024 müssen dann für die „Spitzabrechnung“ weitere Informationen übermittelt werden.
Auf der Seite des BMWK finden sich weitere Informationen, FAQ sowie ein Link zur Selbsterklärung.
Abzuwarten ist, ob auf der Internetseite des BMWK, des jeweiligen Energielieferanten und/oder der Prüfbehörde weitere Formulare und/oder Tools angeboten werden. Das WTS-Team GreenTax, Energie- und Klimaschutzrecht steht für Rückfragen gern zur Verfügung.