Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit Datum vom 05.03.2024 die folgenden drei gleich lautenden Erlasse (GLE) aktualisiert:
- zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG (GLE zu § 1 Abs. 3 GrEStG),
- zur Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG i.V.m. Abs. 4 GrEStG auf Organschaftsfälle (GLE zu Organschaftsfällen) und
- zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG (GLE zu §§ 5, 6 GrEStG).
Hierbei wurden vor allem die zwischenzeitlich erfolgten gesetzlichen Änderungen (u.a. Einführung § 1 Abs. 2b GrEStG, Verlängerung der einzuhaltenden Fristen auf zehn Jahre, Absenkung der Beteiligungsgrenzen auf 90 %, Einschränkungen der Steuerbefreiungen nach §§ 5, 6 GrEStG bei Option einer Personengesellschaft zur Körperschaftssteuer, zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung des Gesamthandsprinzips für Personengesellschaften, § 24 GrEStG) berücksichtigt und eingearbeitet. Der Erlasse haben nun durchgehend Randziffern. Einige wesentlichen Aussagen in den GLE zu § 1 Abs. 3 GrEStG und zu §§ 5, 6 GrEStG sind u.a.:
GLE zu § 1 Abs. 3 GrEStG
- Bestätigung des Anteilsbegriffs bei KapG und PersG (Rz. 7 ff.): Für die Qualifikation des Anteils ist die mit den einzelnen Anteilen verbundene Rechtsmacht unbeachtlich: Vorzugsaktien werden voll stimmberechtigen Aktien gleichgestellt. Eigene Anteile, die die Gesellschaft selbst hält, bleiben bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes unberücksichtigt. Bei mittelbarem Anteilserwerb entspricht der Anteil einer PersG – wie bei einer KapG – der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen. Bei einem unmittelbaren Anteilserwerb an einer PersG ist weiterhin die Pro-Kopf-Betrachtung anzuwenden (§ 24 GrEStG).
- Keine mehrfache Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen (Rz. 21 ff.): Bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen wird § 1 Abs. 3 GrEStG grds. nur durch den unmittelbar am Anteilsübergang beteiligten Rechtsträger erfüllt. Verwirklicht dieser Rechtsträger nicht § 1 Abs. 3 GrEStG, ist auf den Rechtsträger auf der nächst höheren Ebene abzustellen, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllt.
- Bestätigung der Grundsätze zur Verstärkung einer bestehenden Anteilsvereinigung (Rz. 24 ff.): Die Verstärkung einer bereits bestehenden Anteilsvereinigung (Verkürzung der Beteiligungskette, Wechsel einer mittelbaren in eine unmittelbare Beteiligung bzw. Aufstockung der Beteiligung) ist für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG unbeachtlich (kein steuerbarer Vorgang). Unbeachtlich ist weiter, ob die jetzt grundbesitzende Gesellschaft in der Beteiligungskette grunderwerbsteuerbar erworben wurde oder nicht (weil sie im Erwerbszeitpunkt noch keinen Grundbesitz hatte). Das gilt sowohl für Grundstücke, die im Zeitpunkt der (vorausgegangenen) Anteilsvereinigung der grundbesitzenden Gesellschaft zuzurechnen waren, als auch für Grundstücke, die die Gesellschaft erst im Nachgang hierzu erworben hat.
- Auseinanderfallen von Signing und Closing bei der Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft (Rz. 29 ff.): Der Vorrang der §§ 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG vor §§ 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG soll aus Sicht der Finanzverwaltung weiterhin nur dann gelten, wenn Signing und Closing zusammenfallen, wie insbesondere bei § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 GrEStG. Bei Auseinanderfallen von Signing und Closing (getrennte Urkunden, aufschiebende Bedingung bezogen auf die Anteilsabtretung) soll der Vorrang über § 16 Abs. 4a, Abs. 5 GrEStG zu lösen sein.
Verfahrensrechtlich ist eine Steuerfestsetzung für das schuldrechtliche Geschäft (Signing) grds. nur in den Fällen geboten, in denen nicht zu erwarten ist, dass das dingliche Geschäft (Closing) innerhalb Jahresfrist nachfolgt (so auch GLE zu § 1 Abs. 2a, Abs. 2b GrEStG vom 10.05.2022, Tz. 8 vor Einführung von § 16 Abs. 4a, Abs. 5 GrEStG). Vorausgesetzt wird insoweit identischer Grundstücksbestand bei Signing und Closing sowie fristgerechte und in allen Teilen vollständige Anzeige des Erwerbsvorgangs. Fehlt es an letzterem soll nach dem GLE die Steuerfestsetzung für das Signing, sofern noch nicht erfolgt, jedenfalls nachgeholt werden. Offen bleibt die verfassungsrechtlich relevante Frage, wie mit einer möglichen Doppelfestsetzung von GrESt (für Signing und Closing) umzugehen ist.
GLE zu §§ 5, 6 GrEStG
- Allgemeines (Rz. 1 ff.): Unter Verweis auf die BFH-Rechtsprechung ist eine Begünstigung nach § 6 Abs. 4 GrEStG ausgeschlossen, wenn die grundbesitzende Personengesellschaft vor weniger als zehn Jahren vor der Grundstücksübertragung durch heterogene formwechselnde Umwandlung aus einer Kapitalgesellschaft entstanden ist (Rz. 10).
- Fortgeltung und Maßgeblichkeit des Gesamthandsprinzips (Rz. 11 ff.): Unter Hinweis auf § 24 GrEStG i.V.m. § 14a Abs. 2 Nr. 2 AO gelten ab dem 01.01.2024 bis zum 31.12.2026 rechtsfähige Personengesellschaften weiterhin als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen. Terminologisch verwendet der GLE die bisherige gesellschaftsrechtliche Terminologie (Ziffer 7.6: „Anwachsung“), obwohl das Gesetz in § 712a BGB mittlerweile die Gesamtrechtsnachfolge gesetzlich anordnet und man insoweit nicht mehr auf das Prinzip der Anwachsung bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters angewiesen ist.
Die Anwendbarkeit des GLE wird auf die Fälle des realen oder fingierten Gesamthandsvermögens begrenzt und ist ausdrücklich nicht auf Fälle des § 1 Abs. 2b GrEStG (Kapitalgesellschaften) anwendbar (Rz. 25).
Als Anteil am Vermögen i.S.d. §§ 5 und 6 GrEStG gilt nun auch nach Ansicht der Finanzverwaltung die wertmäßige Beteiligung des einzelnen Gesamthänders am Gesamthandsvermögen. Maßgebend ist die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Beteiligung am Vermögen im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs (Rz. 14).
Ein Anteil am Vermögen der Gesamthand kann auch über eine mehrstöckige Beteiligung vermittelt werden. Zurechnungssubjekt ist bei doppelstöckigen Gesamthandsgemeinschaften nicht die Zwischengesamthand als solche, sondern die an ihr beteiligten Gesamthänder (Rz. 15).
Eine Verminderung des Anteils des übertragenden Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand kann nach Erlass (unter Bezugnahme auf aktuelle Rechtsprechung des BFH) auch aufgrund anderweitiger Vereinbarungen eintreten, wenn es hierdurch - bei im Übrigen unveränderter bürgerlich-rechtlicher Beteiligung am Gesamthandsvermögen - wirtschaftlich zu einer Beschränkung oder Aufgabe der Beteiligung am wirtschaftlichen Wert des Gesellschaftsanteils und somit an der Teilhabe des eingebrachten Grundstücks kommt (Rz. 43, 44).
- Verhältnis zu den übrigen Steuervergünstigungen (Rz. 30 ff.): Das Verhältnis der §§ 5, 6 GrEStG zu den Befreiungsvorschriften nach § 3 GrEStG (Rz. 30 ff.) wird durch ein neues Beispiels 3 ergänzt (Rz. 33 ff.). Für den Fall der Verwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG bei einer Übertragung an Dritte endet danach die Überwachung der Behaltensfrist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG vollständig, obwohl ein zehnprozentiger Anteil beim Einbringenden verbleibt.
- Auswirkung und Folgen einer Option nach § 1 a KStG (Rz. 121): Die gesetzlichen Einschränkungen der Steuerbefreiungen nach §§ 5 und 6 GrEStG (Ausschluss bzw. Verstoß gegen Behaltensfristen) bei Ausübung der Option nach § 1a KStG werden unter Hinweis auf die gesetzlichen Regelungen nun auch im Erlass dargestellt (Rz. 121).
- Verfahrensrecht (Rz. 124 ff.): Die Verminderung der Beteiligung eines grundstückseinbringenden Gesellschafters am Vermögen der Gesamthand ist in Anlehnung an die BFH-Rechtsprechung nunmehr anzuzeigen, selbst wenn sich dadurch der personelle Gesellschafterbestand der Gesamthand nicht ändert (Rz. 123).
Momentan sind die neuen GLE nur über Juris abrufbar.