Technische und regulatorische Herausforderungen in der Anlaufphase
Die Einführung des EU-Grenzausgleichsmechanismus für Kohlenstoff (Carbon Border Adjustment Mechanism / CBAM) markiert einen Wendepunkt in der globalen Klimapolitik und konfrontierte mit den ersten beiden fälligen CBAM-Berichten für die Quartale 4/2023 und 1/2023 die Unternehmen mit einer Reihe von Herausforderungen. Das von der EU-Kommission eingerichtete Erfassungsportal wartete mit technischen Funktionsfehlern auf, die den Meldeprozess enorm erschwerten. Regulatorisch waren teils komplexe Fragen wie die korrekte Einreihung der Importwaren in den Zolltarif, die Behandlung von Rückwaren, die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelungen oder auch die Einstufung einer aktiven und passiven Veredelung zu beantworten. Darüber hinaus galt es, Konzernlösungen zu finden, um die Anzahl der meldepflichtigen Einheiten zu minimieren. Operativ stellte die Koordination der verschiedenen Akteure aus Zollabteilung, Einkauf, Nachhaltigkeitsmanagement, Controlling, u.a. eine neue Aufgabe an den unternehmenseigenen Best-Practice-Anspruch. Nun steht die nächste Herausforderung des CBAM bevor.
Klare Richtlinien für Emissionsdaten und deren Berechnung
Mit dem Berichtszeitraum Q3 2024 tritt eine signifikante Änderung in Kraft: Die erleichternde Verwendung von Schätzwerten und Standardemissionsfaktoren ist von 01.08.2024 an stark eingeschränkt (Art. 4 Abs. 3 Durchführungsverordnung (EU) 2023/1773). Für die Einfuhren von CBAM-Waren sind nun grundsätzlich und laufend von den Produzenten die tatsächlichen Emissionen zu melden. Zudem einmalig die Angaben zu Herstellungsanlagen und -verfahren und ggf. (von Vorproduzenten) bezahlte CO2-Preise. Für die Berechnung der in das CBAM-Produkt eingebetteten, tatsächlichen Emissionen ist eine von der EU präzise bestimmte Überwachungsmethodik für die Betreiber der Produktionsanlage zwingend vorgesehen (siehe Guidance document on CBAM implementation for installation operators outside the EU, 22.12.2023; Anhang III, Durchführungsverordnung (EU) 2023/1773). Davon abweichende Verfahren zur Ermittlung des produktionsbedingten Ausstoßes von Treibhausgasen wie bspw. dem Product Carbon Footprint (PCF) oder nach dem Verfahren des Greenhouse Gas Protocol (GHG) sind für CBAM nicht anwendbar. Die Produzenten von meldepflichtigen Waren müssen sich auf klar definierte Datenanforderungen ihrer EU-ansässigen Abnehmer vorbereiten.
Vorbereitung und Offenlegung der Produktlieferkette essenziell
Die neue Regelung verlangt den Unternehmen für eine sanktionsfreie Erfüllung der CBAM-Pflichten tiefgreifende Kenntnisse über die Supply Chain ab. Mittel- wie langfristig lohnt sich eine frühzeitige Festlegung der Verantwortlichen im Unternehmen. Mit Beginn der Vorbereitung der CBAM-Berichte war in den letzten Monaten ein klarer Vorteil für die Unternehmen zu verzeichnen, die mindestens eine für CBAM verantwortliche Person bestimmt hatten, die das Zusammenspiel aus Importabteilung, Einkauf, Nachhaltigkeitsabteilung und Controlling koordiniert und sukzessive optimiert. Besonderes Gewicht liegt hierbei auf der Kommunikation mit den Lieferanten hinsichtlich der Abfrage der Emissionsdaten. Zwischenzeitlich ist ein reiches Angebot an Software-Lösungen passend für Meldepflichtige mit großem Berichtsvolumen entstanden. Für kleinste Meldevolumen empfiehlt sich die manuelle Eingabe in das EU-Portal. Das von der EU-Kommission bereitgestellte Datenerfassungstemplate im Excel-Format erweist sich für mittelgroße Volumen als handhabbar. Allen Datenträgern bzw. Übermittlungsvarianten gemein ist jedoch die dringende Empfehlung, die Lieferanten, soweit praktikabel, anfangs direkt und begleitend durch die Datenerhebung zu führen. Erste Erfahrungen mit einer exklusiven Kommunikation per E-Mail offenbaren eine geringe Bereitschaft der Lieferanten zur Kooperation.
EU-Sanktionen für fehlerhafte Emissionsberichte
Sanktionen treten gemäß Artikel 16 der CBAM-Durchführungsverordnung (EU) 2023/1773 in Kraft, wenn Unternehmen es versäumen, erforderliche Berichte über ihre Emissionen einzureichen oder wenn die eingereichten Berichte unvollständig oder fehlerhaft sind und keine Korrekturen vorgenommen werden, nachdem ein Berichtigungsverfahren eingeleitet wurde. Die Sanktionen für nicht gemeldete Emissionen liegen zwischen 10 und 50 Euro pro Tonne. Bei der Festsetzung der Sanktionen berücksichtigen die Behörden verschiedene Aspekte. Dazu zählen der Umfang der fehlenden Informationen und die Menge der importierten Waren sowie die damit verbundenen Emissionen. Auch die Bereitschaft des Unternehmens, Informationen zu liefern oder den Bericht zu korrigieren, spielt eine Rolle. Weiterhin wird geprüft, ob das Unternehmen absichtlich oder aus Fahrlässigkeit gehandelt hat. Die bisherige Zuverlässigkeit bei der Berichterstattung, der Grad der Zusammenarbeit bei der Behebung des Verstoßes und freiwillige Maßnahmen zur Vermeidung zukünftiger Verstöße fließen ebenfalls in die Bewertung ein. Bei wiederholten Verstößen oder einer Verzögerung der Berichterstattung von mehr als sechs Monaten drohen strengere Strafen.
Kostenpflichtige Zertifikate ab Januar 2026
Mit Beginn der Durchführungsphase ab 01.01.2026 werden Unternehmen verpflichtet, CBAM-Zertifikate basierend auf den gemeldeten Emissionsmengen kostenpflichtig zu erwerben. Die durchgängige Anwendung von Standardwerten kann dann unweigerlich zu erheblichen finanziellen Einbußen führen, wenn bspw. die tatsächlichen Emissionen aufgrund emissionsarmer, umweltfreundlicher Produktionsverfahren niedriger sind als die gemeldeten, und darüber hinaus Sanktionszahlungen anfallen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es daher unerlässlich, die realen Emissionswerte so früh wie möglich zu ermitteln.
Chancen der Emissionsmessung ab Q3 2024
Die verpflichtende Berechnung der Emissionsmengen anhand tatsächlicher Werte ab Q3 2024 stellt auch eine Chance für Unternehmen dar. Ein proaktiver Ansatz, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Lieferanten und der Nutzung technologischer Hilfsmittel, wird entscheidend sein, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig eine positive Wirkung auf den unternehmenseigenen ESG-Index zu bewirken. Die Anpassung an diese Regelungen erfordert nicht nur eine sorgfältige Planung und Implementierung, sondern auch eine kontinuierliche Überwachung und Optimierung der Prozesse, um Compliance zu gewährleisten, potenzielle Sanktionen zu vermeiden und die ESG-Performance zu steigern.
Neue delegierte Akte und Umsetzungsverordnungen in 2024
CBAM entwickelt sich dynamisch weiter. Mit der aktuellen CBAM-Verordnung, der Umsetzungsverordnung und verschiedenen Leitfäden bereitete die EU-Kommission die rechtliche Grundlage. In den kommenden Monaten erwarten uns weitere Entwicklungen, darunter delegierte Akte und Umsetzungsverordnungen zu Akkreditierung und Zertifikatemanagement, zur Registerführung und Überprüfungsprozessen.
Autorin: Petra Chakam, Regensburg