Reinvestierte Veräußerungsgewinne aus Immobilien – Vertragsverletzungsverfahren zum sog. Inlandsbezug nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG

Die EU-Kommission wird Deutschland im Zusammenhang mit dem sog. Inlandsbezug nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG vor dem EuGH verklagen. Es sei versäumt worden, eine Einschränkung des freien Kapitalverkehrs (Art. 63 AEUV und Art. 40 des EWR-Abkommens) bzw. die diskriminierende steuerliche Behandlung von reinvestierten Veräußerungsgewinnen aus dem Verkauf von in Deutschland gelegenen Immobilien zu beseitigen. Im November 2019 hatte die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland gerichtet und intensive Gespräche eingeleitet, um die Frage zu lösen. Die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass die bisherigen Bemühungen der Behörden unzureichend waren.

Deutschland gewähre einen Steueraufschub für reinvestierte Veräußerungsgewinne, die mit dem Verkauf von in Deutschland gelegenen Immobilien erzielt wurden, sofern das Grundeigentum mindestens sechs Jahre lang ununterbrochen einer Betriebsstätte in Deutschland zuzuordnen war (sog. Inlandsbezug nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG). Bei nach deutschem Recht gegründeten Unternehmen werde angenommen, dass sie am Ort ihrer Hauptverwaltung (d.h. in Deutschland) eine solche Betriebsstätte unterhalten, selbst wenn sie in Deutschland keiner gewerblichen Tätigkeit nachgehen. Bei vergleichbaren, nach dem Recht eines anderen EU- oder eines EWR-Mitgliedstaats gegründeten Unternehmen werde hingegen nicht davon ausgegangen, dass sie eine solche Betriebsstätte in Deutschland unterhalten. Diesen werde daher kein Steueraufschub für reinvestierte Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von deutschen Immobilien gewährt.

Mit Urteil vom 16.04.2015 hatte der EuGH bereits entschieden, dass der damals in § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG a.F. geregelte Inlandsbezug für die Anschaffung oder Herstellung des Ersatzwirtschaftsguts gegen Unionsrecht verstößt. Der Gesetzgeber hatte darauf mit der rückwirkenden Einführung des § 6b Abs. 2a EStG reagiert (Steueränderungsgesetz 2015 – StÄndG 2015). Nach § 6b Abs. 2a Satz 1 EStG können Steuerpflichtige bei Reinvestition in der Betriebsstätte eines anderen EU- oder EWR-Staats beantragen, dass die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer in fünf gleichen Jahresraten entrichtet wird. § 6b Abs. 2a EStG ermöglicht weder einen gewinnmindernden Abzug der § 6b-Rücklage von den Anschaffungskosten des Ersatzwirtschaftsguts noch die Bildung eines passiven Ausgleichspostens. Vielmehr wird lediglich ein Anspruch auf zinslose Stundung der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer gewährt.

Es bleibt nun abzuwarten, ob der EuGH auch den Inlandsbezug nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG für den veräußerten Immobilienbesitz kippt.

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