Anwendungen im Bereich International Tax

Der Bereich Internationale Projektberatung beschäftigt sich u. a. mit der steuerlichen Betreuung von Mandanten im Fall von grenzüberschreitenden operativen Projekten. Mandanten, die an Ausschreibungen im internationalen Projektgeschäft teilnehmen wie z. B. bei Bau- und Montageprojekten, benötigen vor Abgabe eines Angebots eine vorläufige Abschätzung der steuerlichen Konsequenzen. Denn diese müssen in der Ausschreibung entsprechend berücksichtigt werden.

Die steuerlichen Rahmenbedingungen im Projektstaat und die zunehmende Komplexität im internationalen Umfeld stellen in grenzüberschreitenden Projekten besondere Herausforderungen an die steuerliche Betreuung in den jeweiligen Projektphasen. Die steuerliche Betrachtung und Risikobewertung reicht hierbei über verschiedene Steuerarten hinweg und betrifft sowohl Fragen der Ertragssteuern wie z. B. Betriebsstätten oder Quellensteuern und die Umsatzsteuer. Darüber hinaus schließt es die Besteuerung der Einkommen der eingesetzten Mitarbeiter und deren Sozialversicherung mit ein.

Bereits in der Angebotsphase eines Projekts und den vertraglichen Verhandlungen müssen die speziellen steuerlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, die wiederum Einfluss auf die Projektgestaltung und -realisierung haben. Im Falle eines Zuschlags bei einer Ausschreibung müssen anschließend die steuerlichen Konsequenzen des Projektes vor Ort nachvollzogen und geprüft werden.

Typische anfallende Tätigkeiten im Rahmen der Projektdurchführung sind die Unterstützung bei der Registrierung von ausländischen Betriebsstätten, die Erstellung von Steuererklärungen und die Unterstützung bei Betriebsprüfungen. Besondere Herausforderungen im Rahmen dieser Tätigkeiten sind lokale Gesetzesbestimmungen sowie sprachliche und kulturelle Barrieren.

Experteninterview

Was konkret seht ihr, wenn ihr euch die Steuerfunktion der Zukunft im Unternehmen vorstellt? Wie kann diese künftig einen Mehrwert im Unternehmen generieren und wie werden die technologischen Innovationen deren Arbeit im Unternehmen in den nächsten Jahren verändern?

Die Beantwortung der Frage ist aus unserer Sicht abhängig von Philosophie und Größe der Steuerabteilung. Wieviel möchte ich selber machen, wieviel möchte ich auslagern, z. B. über ein Business Partnering, und welche Personen brauche ich für diese Aufteilung? Letzteres ist ein Mix aus Steuerspezialisten mit fachspezifischem Detailwissen und steuerlichen Generalisten mit zusätzlichem Wissen über die Unternehmensprozesse.

Bezogen auf die Wahrnehmung des Berufsbildes kommt schnell die Frage auf: Braucht es die Steuerabteilung in Zukunft überhaupt noch? Oder macht am Ende alles die KI? Hier muss man aus meiner Sicht darauf achten, dass die Steuerabteilungen nicht abgewertet werden. Denn eine KI ist immer nur so schlau, wie die Daten, mit der sie gefüttert wird. Für die Interpretation der Daten und den Review der Ergebnisse ist der Mensch nach wie vor notwendig.

Doch was die Entwicklung in der Zukunft angeht, denken wir noch immer zu klein. Diese wird noch viel rasanter voranschreiten. Trotzdem bleibt die Befürchtung, dass wir uns heute über tolle Ideen unterhalten und dann aber wieder 5 Jahre ins Land gehen, ohne dass überhaupt etwas passiert. Umso wichtiger ist es daher, die Anwendungsfälle jetzt schnell in ein nutzbares Produkt zu überführen, das in die Arbeit integriert werden kann. Denn daraus können wieder neue Ideen entstehen und es lassen sich die Leute mitnehmen, die aktuell mit KI noch eher weniger zu tun haben.

Wie schätzt ihr den Mehrwert von KI mit Blick auf die vergangenen Jahre in eurem Bereich ein – also die Zeit vor der Ära der generativen KI?

Aus meiner Sicht hat sich in den vergangenen Jahren noch nicht viel im Bereich International Tax getan. Zwar hat KI an sich Einzug in unser Leben erhalten wie z. B. mit Apps für Navigation. Teilweise sogar ohne unser Wissen. Allerdings ist hier mehr passiert als im Steuerbereich. Das Thema KI war in der Vergangenheit nicht jedem zugänglich. Auch wenn bereits vielen klar war, wohin die Reise in Zukunft einmal gehen könnte. So hatte man beim Blick auf die WTS Studie 2017 schon das Gefühl, dass eine Menge möglich ist. Doch die eigentliche Realisation hat sich dann als recht zäh herausgestellt.

Wie schätzt ihr aktuell das Potenzial für KI in eurem Bereich ein und welchen Impact haben eurer Ansicht nach generative Sprachmodelle?

Blickt man im Vergleich zur Vergangenheit nun auf die Gegenwart, dann herrscht eine gewisse Aufbruchsstimmung. Jetzt sind die KI-Lösungen auf einmal viel besser zugänglich und es kommen gewisse AHA-Momente auf, weil sich mit Hilfe der KI schon recht zügig ein tatsächlicher Mehrwert erzielen lässt. Ein Treiber dieser Entwicklung ist sicher die spielerische Herangehensweise. KI wird nicht mehr nur von Top-Experten beherrscht, sondern kann von jedem Einzelnen per App auf dem Smartphone genutzt werden.

Beim Potential der generativen Sprachmodelle muss man darüber hinaus zwischen der Steuerberatung und der Steuer-Compliance unterscheiden. Bei der Steuerberatung geht es weniger darum, mit Zahlen zu rechnen und diese in Formulare zu übertragen. Vielmehr geht es viel um Sprache, besonders bei der steuerlichen Würdigung von Sachverhalten. Genau deshalb wird sich in diesem Bereich noch vieles tun, da die Sprachmodelle vor allem im Umgang mit Texten ihre Stärken haben.

Bei welchen konkreten Prozessen in eurem Bereich seht ihr aktuell das größte Potenzial zur Nutzung von KI, besonders im Hinblick auf aktuelle technologische Neuerungen wie bspw. generative Sprachmodelle?

Im Rahmen der steuerlichen Beratung haben wir in unserem Bereich etwa 5.000 Fälle im Jahr, die wir bearbeiten und dabei eine Menge Daten produzieren. Darunter sind viele repetitive Fälle bzw. Fälle mit einer großen Ähnlichkeit. Hier besteht ein perfekter Anwendungsfall für KI. Sofern man es schafft, das vorhandene Projekt-Know-how mit dem strukturierten Wissen aus steuerlichen Datenbanken zu kombinieren, um Antworten vorzubereiten. Denn aktuell findet gerade der Abgleich mit vergangenen Projekten häufig auf manueller Basis statt. Oder mit Hilfe einer simplen Stichwortsuche.

Ein anderer Anwendungsfall ist das Thema „Work from anywhere“, was aktuell alle Unternehmen aus allen Branchen betrifft. Ähnlich dem Beratungsgeschäft, hat man auch hier eine große Masse von Fällen mit ähnlichen Hintergründen, für die vordefinierte Steuerbereiche wie Körperschaftsteuer, Lohnsteuer und Sozialversicherung abgefragt werden müssen. Hinzu kommt, dass bei diesem Thema das Interesse eher bei den Mitarbeitenden liegt und die Budgets auf Unternehmensseite geringer ausfallen. Eine effektive Beantwortung dieser Fälle mit Unterstützung einer KI wird damit umso wichtiger.

Betrachtet man die Steuerabteilung im Unternehmen, lässt sich eines festhalten: Andere Bereiche kommen oft nur ungern mit Fragen auf die Steuerkollegen zu. Auch hier besteht eine ideale Möglichkeit für einen Anwendungsfall nach dem Motto: „Ask your tax department“. Dahinter steckt ein generatives Sprachmodell, über das sich Mitarbeiter aus anderen Unternehmensteilen entsprechende Infos zur steuerlichen Beurteilung eines Sachverhalts einholen können. Auch hier kann das angesammelte Wissen aus vergleichbaren Fällen in das Training des Modells mit einfließen.

Worin bestehen aktuell die größten Herausforderungen, um das Potenzial von KI in eurem Bereich voll ausschöpfen zu können?

Ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit KI ist die Erklärbarkeit. Also die Antwort auf die Frage: Woher kommen die Informationen und wie ist das Ergebnis entstanden? Damit einher geht auch das Thema der Haftung. Denn wer haftet für ein Ergebnis, welches ausschließlich durch eine KI geliefert wurde? Wenn ein Verlag ein generatives Sprachmodell mit dem entsprechenden Verlagswissen anbietet, wird er für die Antworten bestimmt keine Haftung übernehmen. Da muss sich eine Steuerabteilung dann selbst fragen, ob das für sie ausreichend ist oder ob beim Thema Haftung wieder die Berater ins Spiel kommen sollen, die das vorgefertigte Ergebnis noch einmal fachlich überprüfen.

Daneben spielt natürlich auch das Thema Datenschutz eine entscheidende Rolle. Hiermit verbunden ist die Notwendigkeit zur Anonymisierung der Informationen, mit denen ein generatives Sprachmodell angelernt wird. Zwar sollen im Rahmen des Knowledge Sharings möglichst alle Projekte in eine KI einfließen. Dennoch muss eine bereits aus berufsrechtlichen Gründen erforderliche Trennung der mandantenbezogenen Informationen stets gewährleistet sein.

Als weiteren Punkt sind hier auch die Skills der Mitarbeiter zu nennen. Wir mögen eine Menge Ideen haben. Dennoch mangelt es teilweise schon allein an der Kapazität für die Umsetzung eben jener Ideen. Bedenkt man den demografischen Wandel, wird es in Zukunft noch schwieriger, entsprechende Mitarbeiter zu finden. Hier konnte der Steuerbereich im Vergleich zu anderen Branchen auch in der Vergangenheit nicht immer das Interesse von New Hires wecken. Daran muss unbedingt gearbeitet werden!

Angesichts der schnell voranschreitenden technologischen Innovation, wie müssen sich Steuerabteilungen aktuell aufstellen und welche unterstützende Rolle können Berater hier übernehmen?

Besonders große Steuerabteilungen werden sich mehr mit dem Skillset ihrer Mitarbeiter beschäftigen müssen. Dazu wird es enorm wichtig sein für die Steuerabteilung Process-Know-how zu bündeln. Ich glaube, dass es hier in Zukunft zwei Richtungen geben wird: die klassischen Tax Advisor und die Tax Prompter. Tax Prompter werden die Fähigkeit haben, der KI die richtigen Fragen zu stellen, um die richtigen Antworten zu bekommen. Dazu müssen sie in enger Zusammenarbeit mit den klassischen Steuerberatern stehen.

Aber auch die Ausbildung muss sich mit Blick auf die Zukunft verändern. Hier werden nicht mehr nur Steuerberater gefragt sein. Genauso sind Tax Prompter dafür geeignet, Schulungen zu geben und ihr Wissen weiterzugeben. Natürlich ist das auch immer abhängig von der Größe der jeweiligen Steuerabteilung. Wenn man in einer Steuerabteilung nicht für jedes Thema oder – wie in unserem Fall – für jedes Projektland einen Spezialisten in den eigenen Reihen weiß, können hier vor allem externe Berater unterstützen.