Anwendungen im Bereich Tax Allgemein - Of Counsel Hans Maier

Seit 2021 unterstützt Dr. Hans Maier die WTS als Of Counsel am Standort Stuttgart. Der Rechtsanwalt und ehemalige Global Head of Tax der Robert Bosch GmbH verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung im Management von Steuerfunktionen multinationaler Unternehmen. Als einer der bekanntesten Steuerchefs in Deutschland hat er bei Bosch eine leistungsstarke globale Steuerfunktion mit einem weltweit agierenden Team und umfassenden digitalisierten steuerlichen Prozessen aufgebaut.

Seine Karriere startete Dr. Hans Maier im Jahr 1989 als Referent für internationales Steuerrecht bei Bosch. Nach verschiedenen weiteren Positionen im In- und Ausland zeichnete er sich dort ab 2005 weltweit für die Bereiche Steuern, Zölle und Exportkontrolle verantwortlich. Bestens vertraut mit steuerlichen Aufbau- und Ablauforganisationen, weiß er als Konzernpraktiker, wie Steuer- und Zollprozesse in großen Organisationen effizient, Compliance-sicher und digitalisiert aufgesetzt werden.

Experteninterview

Was konkret siehst du, wenn du dir die Steuerfunktion der Zukunft im Unternehmen vorstellst? Wie kann diese künftig einen Mehrwert im Unternehmen generieren und wie werden die technologischen Innovationen deren Arbeit im Unternehmen in den nächsten Jahren verändern?

Die Steuerfunktion befindet sich aktuell in einer Transformation, wobei das Thema Digitalisierung nur eines der immens wichtigen Felder ist. Hier glaube ich, dass sich das Anforderungsprofil an die Mitarbeiter in Zukunft dramatisch ändern wird. Ich bin überzeugt davon, dass vermehrt „mixed Teams“ zum Einsatz kommen werden, bestehend aus Steuerberatern und Leuten mit IT und Prozessfokus. Doch da sich das Berufsbild insgesamt ändert, müssen Steuerberater sich zwangsläufig auch digitale Kompetenzen aneignen. Durch den Einsatz von KI wird sich die Rolle des klassischen Steuerberaters hin zu einem steuerlichen Qualitätsmanager weiterentwickeln.

Viele Unternehmen stellen sich organisatorisch entsprechend der End-to-end Prozesse auf. Hier muss sich die Steuerabteilung fragen, wie sie einen Wertbeitrag leisten kann. Dies erfordert eine stärkere Zuwendung zu den ERP-Systemen, die in Abstimmung mit der gesamten IT-Strategie eines Unternehmens erfolgen muss. Hier befinden sich viele Steuerabteilung aufgrund fehlender Kompetenzen noch im „Dornröschenschlaf“, wodurch sie im Unternehmen zum Bremser wird und ihr Stellenwert entsprechend sinkt.

Was den Bewerbermarkt angeht, sucht man häufig vergebens nach einer eierlegenden Wollmilchsau mit IT-, Prozess- und Steuerfachkenntnissen. Doch ein guter IT’ler kann sich auch anderes Wissen aneignen. Dafür braucht es dann allerdings das nötige Vertrauen, jemanden einzustellen, der von Steuern keine Ahnung hat und intern weiterentwickeln werden kann. Hier liegt auch ein großes Potenzial für die Beratung, denn der Mittelstand kann dem nicht gerecht werden.

Und nicht zuletzt wird der seit Jahren zu beobachtende Trend der Digitalisierung auch die Finanzverwaltung erreichen. Das lässt sich unweigerlich am Thema Real Time Reporting erkennen. Einige Finanzverwaltungen wie Mexiko, Brasilien oder Osteuropa sind hier sogar schon einen Schritt weiter und mittlerweile bereits in der Lage, viele Daten auszuwerten.

Wie schätzt du den Mehrwert von KI mit Blick auf die vergangenen Jahre in eurem Bereich ein – also die Zeit vor der Ära der generativen KI?

In den vergangenen Jahren gab es eine steile Lernkurve was das Thema KI angeht. Dabei hat der Einsatz häufig nur dann Sinn gemacht, wenn man eine große Anzahl von Daten hatte, die zunächst strukturiert werden mussten. Bei Bosch wurde im Jahr 2018 eine eigene KI-Truppe aufgebaut, die sich speziell auf die Suche nach Anwendungsfällen gemacht hat und direkt an den Head of Tax berichtete. So wurde KI unter anderem bei der SAP VAT Compliance eingesetzt, der Plausibilisierung im Rahmen der Umsatzsteuer oder aber auch im Zollbereich der der Tarifierung.

Wie schätzt du aktuell das Potenzial für KI in deinem Bereich ein und welchen Impact haben deiner Ansicht nach generative Sprachmodelle?

Aus meiner Sicht wird KI die Steuerfunktion weiterhin dramatisch verändern. Zwar hat ChatGPT seit seiner Einführung einen großen Hype ausgelöst und das Thema KI näher zu den Leuten gebracht. Doch aufgrund mangelnder Vertraulichkeit ist es keine valide Option für viele Anwendungsfälle im Steuerbereich.

Eine Eigenentwicklung von generativen Sprachmodellen ist hingegen relativ teuer. So lässt sich festhalten, dass die Digitalisierung der Steuerfunktion länger dauert als gedacht, was durchaus zu Frust führen kann. Dabei ist es enorm wichtig, ein vernünftiges Expectations Management zu betreiben, was mit der KI möglich ist und was rechtssicher umgesetzt werden kann. Aus meiner Sicht gibt es nichts Schlimmeres als einen Berater, der etwas verspricht und im Nachhinein dann nichts davon halten kann.

Worin bestehen aktuell die größten Herausforderungen, um das Potenzial von KI in deinem Bereich voll ausschöpfen zu können?

Als Herausforderung im Zusammenhang mit der KI sehe ich vor allem die Erklärbarkeit und Dokumentation der Ergebnisse aus einer KI. Daneben spielen aber auch betriebswirtschaftliche Fragestellungen eine Rolle. Soll heißen: Wie viel Geld muss ich einsetzen und was für einen Nutzen bringt es mir. Grundsätzlich muss der Kosteneinsatz überschaubar bleiben und die Vorteile müssen höher ausfallen. Das sind zwei wesentliche Punkte, an denen bereits viele Projekte in der Vergangenheit gescheitert sind.

In diesem Zusammenhang sind natürlich auch die Themen Datenschutz und Vertraulichkeit absolut zentral: Wo gehen meine unternehmensinternen Daten hin, wenn ich eine KI damit füttere? Sensible Daten dürfen die Sphäre des Unternehmens nicht ungeschützt (oder „nur maximal geschützt“) verlassen, sonst kommt eine solche Technologie niemals zum Einsatz.

Angesichts der schnell voranschreitenden technologischen Innovation, wie müssen sich Steuerabteilungen aktuell aufstellen und welche unterstützende Rolle können Berater hier übernehmen?

Als Steuerabteilung braucht man Mitarbeiter mit den entsprechenden Kompetenzen und eine Organisation, welche die Transformation unterstützt und auch einfordert. Darüber sollte immer eine klare Vision und Strategie stehen. Betrachtet man den Compliance-Bereich, so entwickelt dieser sich mehr und mehr hin zu einem non-core-Bereich, dessen Bedeutung zurückgeht. Diesen kann man zwar inhouse abbilden, muss es mit der richtigen Beraterunterstützung von außen aber nicht.

Die zentrale Steuerfunktion hat als Kernaufgabe auch immer eine weltweite Ordnungs- und Risk-Management-Funktion. Dafür ist es wichtig, auch die Kompetenzen in den anderen Ländern einer Gruppe zu nutzen und sich intensiv mit den ERP-Systemen sowie internen Prozessen auseinanderzusetzen.

Die Rolle des Beraters kann dabei sehr vielfältig ausfallen. Größere Unternehmen wie Bosch sind in der Entwicklung schon deutlich weiter als der Mittelstand und benötigen demnach andere Unterstützung seitens der Berater. Bei größeren Firmen sollte der Berater vor allem beim Projektmanagement unterstützen und Hinweise bzw. Anregungen für die Strategie geben. Beim Mittelstand hingegen sollte der Berater als Coach für den Head of Tax agieren. Dabei ist die Frage zu klären, wie man die Steuerfunktion digitalisieren kann. Lediglich ein Tool zu kaufen, ist hier nämlich nicht ausreichend und führt schnell zu Frustration.