Anwendungen im Bereich Tax Allgemein - Of Counsel Brigitte Fischer

Seit 2023 unterstützt Brigitte Fischer die WTS als Of Counsel am Standort in München. Die langjährige Steuerchefin der Freudenberg Gruppe ist für ihre umfangreiche Erfahrung bekannt, insbesondere bei der nationalen und internationalen Besteuerung von Personengesellschaften.

Ihre Karriere begann Brigitte Fischer in der Beratungsgesellschaft Deloitte in Düsseldorf. Im Jahre 1992 wechselte sie als Steuerreferentin zur Freudenberg Group nach Weinheim, wo sie ab 1998 die Position des Head of Corporate Tax and Customs einnahm und für 25 Jahre bekleidete. Dadurch ist sie bestens vertraut mit den steuerlichen Prozessen multinationaler Konzernen und den damit verbundenen Herausforderungen.

Experteninterview

Was konkret siehst du, wenn du dir die Steuerfunktion der Zukunft im Unternehmen vorstellst? Wie kann diese künftig einen Mehrwert im Unternehmen generieren und wie werden die technologischen Innovationen deren Arbeit im Unternehmen in den nächsten Jahren verändern?

Auch in der Zukunft werden gewisse Aufgaben der Steuerabteilung gleichbleiben: hierzu zählen u. a. Deklarationsaufgaben, Betriebsprüfungen, steuerliche Begleitung von M&A-Prozessen oder die Erfüllung von Compliance-Vorschriften. Doch bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben wird es mehr technische Unterstützung geben. Und damit viele Aufgabenbereiche ersetzen, die bislang zumeist vom Mitarbeiter in der Steuerabteilung bearbeitet wurden. Dafür ist es natürlich notwendig, dass die Mitarbeiter mehr digitale Expertise aufbauen. Was in der Vergangenheit nicht immer Priorität in den Steuerabteilungen hatte. Durch die neuen Technologien wird steuerliches Detailwissen weniger wichtig, da es leicht und schnell mittels KI generiert werden kann. Dafür steigt die Bedeutung, die steuerliche Systematik (national wie international) zu verstehen, um von der KU bereitgestellten Ergebnisse verifizieren zu können.

Im Unternehmen werden die Steuerabteilungen oft als Bremser und Bedenkenträger wahrgenommen. Dies hat zur Folge, dass die Steuerabteilungen häufig relativ spät oder manchmal gar nicht in relevante Businessentscheidungen einbezogen werden. Hier muss sich auch die Haltung der Steuerabteilungen dringend ändern. Indem man mehr auf die Bedürfnisse des operativen Geschäfts des Unternehmens eingeht. Analog zur Maßgabe: „Steuern sind wichtig, aber sie sind nicht das Wichtigste im Unternehmen“.

Inwiefern KI hierauf einen Einfluss nehmen wird, bleibt abzuwarten. Allerdings besteht durch generative Sprachmodelle die Möglichkeit, für die operativ Verantwortlichen in den Geschäftsgruppen steuerliche Informationen zu beschaffen, bevor die Steuerabteilung direkt kontaktiert wird.

Und auch im Bereich der Lehre wird sich in Zukunft einiges ändern müssen. Aufgrund des Fachkräftemangels im Recruiting ist es heutzutage ohnehin schon überaus schwer, IT-affine Mitarbeiter mit Steuerexpertise zu finden. Allein dadurch ist die intensive Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen umso wichtiger, wenn diese künftig einen gewissen Einfluss auf die Lehre nehmen wollen.

Wie schätzt du den Mehrwert von KI mit Blick auf die vergangenen Jahre in deinem Bereich ein – also die Zeit vor der Ära der generativen KI?

In den vergangenen Jahren hat die KI im Steuerbereich noch kaum eine Rolle gespielt. Lediglich in Rahmen von Übersetzungen wurden hier bereits Tools eingesetzt, die dabei schon einen Vorgeschmack auf die Möglichkeiten und die Qualität von KI gegeben haben. Die Zurückhaltung bei dem Thema mag auch damit zusammenhängen, dass viele gedacht haben, dass die KI-Entwicklung nicht in der jüngst zu beobachtenden Geschwindigkeit kommen wird. Die Affinität für KI muss in ein Unternehmen reingebracht werden, damit diese sich in diesen Punkten überhaupt weiterentwickeln kann. Dabei sollte immer auch auf andere Abteilungen wie bspw. den Business-Services-Bereich geschaut werden, in denen der KI-Einsatz mit der Nutzung von Chatbots bereits weiter fortgeschritten ist.

Wie schätzt du aktuell das Potenzial für KI in deinem Bereich ein und welchen Impact haben deiner Ansicht nach generative Sprachmodelle?

Ich schätze das Potential in vielen Bereichen als hoch ein, z. B. im Bereich von Recherchetätigkeiten oder beim Abfassen einfacherer steuerlicher Stellungnahmen. Das gilt aber auch für die Bearbeitung von steuerlichen Massenprozessen (USt, Zoll, Quellensteuern) und im Bereich von TP. Ohne Frage, die Nutzung von generativen Sprachmodellen wie ChatGPT erfordert auch in Steuerabteilungen ein ziemliches Umdenken. Ich denke daher, dass die KI-Nutzung von höchster Ebene in den Unternehmen eingefordert und vorangetrieben werden muss.

Hierfür müssen allerdings die Bereitschaft und der Wille zur Nutzung von KI vorhanden sein und die entsprechenden finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Denn von den Mitarbeitern alleine wird die Entwicklung nicht vorangetrieben werden können. Für die Steuerfunktion in einem Unternehmen ist es dabei wichtig, Mitarbeiter in der Steuerabteilung zu beauftragen, sich intensiv mit den Potenzialen von KI auseinanderzusetzen. Denn diese sind zweifelsfrei vorhanden.

Worin bestehen aktuell die größten Herausforderungen, um das Potenzial von KI in deinem Bereich voll ausschöpfen zu können?

Ich glaube, es ist die Unkenntnis. In vielen Bereichen wird nicht gesehen, was durch den Einsatz von KI möglich ist und welche Arbeitserleichterungen damit erreicht werden können. Aber natürlich spielt auch das liebe Geld eine Rolle. Denn nicht jeder ist auch dazu bereit, in das Thema zu investieren. Und zuletzt braucht man auch die entsprechenden Leute in den Steuerabteilungen, die sich dem Thema annehmen, die die Prozesse im Unternehmen kennen und entsprechende Einsatzmöglichkeiten identifizieren können. Das müssen nicht alle Mitarbeiter einer Steuerabteilung sein. Aber zwei bis drei braucht es einfach, um das Thema voranzutreiben.

Angesichts der schnell voranschreitenden technologischen Innovation, wie müssen sich Steuerabteilungen aktuell aufstellen und welche unterstützende Rolle können Berater hier übernehmen?

Die Steuerabteilungen müssen Leute bekommen, die sich neuen Technologien gegenüber öffnen wollen und auch können. Dabei besteht auch die Möglichkeit, in der IT-Abteilung Leute zu finden, die eine Affinität für Steuern haben. Denn generell wird das Thema des Fachkräftemangels die Zukunft prägen. Wenn intern keine Kapazitäten vorhanden sind, bleibt den Unternehmen nichts Anderes übrig, als sich weitere Unterstützung von den Beratern zu holen.

Als Fritz Esterer vor 5 Jahren mit dem Thema KI zu Freudenberg kam, war er seiner Zeit weit voraus. Doch heutzutage kommt eigentlich kein Unternehmen mehr drum herum, sich von Beratern die Möglichkeiten von KI aufzeigen zu lassen. Das gilt gerade auch für kleinere und mittelgroße Unternehmen, die im Vergleich zu den großen Unternehmen nicht die nötigen Ressourcen in den Steuerabteilungen haben. Doch auch die großen Unternehmen werden Probleme im Recruiting bekommen und dadurch gezwungen sein, fehlende Personalkapazitäten durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz abzufedern. Ein komplettes Abfangen des Personalmangels dürfte mit Unterstützung durch die KI aber wohl kaum gelingen.