Das BMF hat mit Schreiben vom 10.10.2017 eine Überarbeitung der Abschnitte 1a.2 und 3.12 UStAE vorgenommen. Darin wurde die Rechtsprechung des BFH aus 2016 zum Ort der Lieferung im Falle von Konsignationslagern berücksichtigt (vgl. USt Info #1/2017, Beitrag C.3.).
Einem Urteil zufolge könne eine Versendungslieferung i. S. v. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG auch dann angenommen werden, wenn der Liefergegenstand, der aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet an einen inländischen Abnehmer gelangt, nach dem Beginn der Versendung für einen kurzen Zeitraum in einem Auslieferungslager zwischengelagert werde. Die Klassifizierung als Versendungslieferung und somit nicht als innergemeinschaftliches Verbringen mit anschließender lokaler Lieferung erfolge unter der Voraussetzung, dass der Abnehmer bereits bei Beginn der Versendung feststehe. Hiervon könne u. a. ausgegangen werden, wenn bei Beginn der Lieferung die verbindliche Bestellung oder Zahlung durch den Abnehmer bereits erfolgt sei.
In einem weiteren Urteil wurde die vorgenannte Rechtsprechung zwar inhaltlich bestätigt. Dennoch konnte aufgrund der Umstände des Urteilsfalls eine Versendungs-lieferung i. S. v. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG nicht angenommen werden, da der inländische Abnehmer im Zeitpunkt der Lieferung noch nicht feststand. Mithin sei nach Ansicht des BFH zunächst ein innergemeinschaftliches Verbringen in das inländische Konsignationslager gegeben, dem sich eine lokale Lieferung im Zeitpunkt der Entnahme der Ware aus dem Konsignationslager anschließe.
Der BFH führt in seinen Urteilen aus, dass die Annahme einer Versendungslieferung nicht zu beanstanden sei, wenn dem Abnehmer durch vertragliche Regelungen ein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die kurzzeitig eingelagerte Ware in einem Auslieferungs- oder Konsignationslager zustehe. Ein nur wahrscheinliches Feststehen des Abnehmers ohne tatsächliche Abnahmeverpflichtung sei hingegen nicht ausreichend.
Das BMF hat diese Rechtsprechung aufgegriffen und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass geändert. Die Finanzverwaltung folgt dabei dem BFH insoweit sie auch eine (umsatzsteuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferung des Lieferanten aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet an den i. d. R. deutschen Abnehmer annimmt, sofern der Abnehmer bei Beginn des Warentransports im EU-Ausland bereits feststeht. Hiervon könne ausgegangen werden, wenn dieser zu diesem Zeitpunkt die Ware bereits verbindlich bestellt oder bezahlt habe. Eine kurzzeitige Lagerung in einem Auslieferungs- oder Konsignationslager im Inland stehe dem nicht entgegen. Voraussetzung sei allerdings, dass das Lager auf Initiative des Abnehmers eingerichtet sei und dieser ein vertraglich uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Ware hat.
Insoweit scheidet sodann eine umsatzsteuerliche Registrierung des Lieferanten in Deutschland aus. Den innergemeinschaftlichen Erwerb hat der (deutsche) Abnehmer zu versteuern. Der Lieferant darf in diesen Fällen auch keine Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer mehr ausstellen; der Abnehmer wäre jedenfalls nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Die Grundsätze dieses BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für vor dem 01.01.2019 (Übergangsfrist um ein Jahr verlängert durch BMF-Schreiben vom 14.12.2017) ausgeführte Lieferungen und innergemeinschaftliche Erwerbe wird es auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers nicht beanstandet, wenn weiterhin nach der bisherigen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung (innergemeinschaftliches Verbringen mit anschließender lokaler Lieferung) verfahren wird.
Sofern der Abnehmer nach den o. g. Grundsätzen noch nicht feststeht, wird bei der Zwischenlagerung der Ware in einem Konsignationslager ein innergemeinschaftliches Verbringen durch den Lieferanten aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgelöst. Im Inland hat dieser einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach § 1a Abs. 2 UStG zu deklarieren. Bei der nachfolgenden Lieferung an den (deutschen) Abnehmer ist eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung am Ort des Konsignationslagers im Zeitpunkt der Entnahme der Ware gegeben. Dementsprechend muss sich der Lieferant aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in Deutschland für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen.
Sämtliche Auslieferungs-/Konsignationslager gehören auf den Prüfstand. Für deutsche Unternehmen sind insbesondere solche Lager ausländischer Lieferanten relevant, da die Frage geklärt werden muss, ob weiterhin ein Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Lieferanten mit Ausweis deutscher Umsatzsteuer zulässig ist. Dabei ist zu beachten, dass Waren, die im Namen des Lieferanten aus dem Drittland nach Deutschland eingeführt werden, vor dem Hintergrund von § 3 Abs. 8 UStG, sowie Waren, die vor der Einlagerung im Inland im Auftrag des Lieferanten be- oder verarbeitet werden, von den neuen Grundsätzen nicht betroffen sind. Auch Zulieferungen von Sublieferanten können weiterhin eine Registrierungspflicht begründen.
Noch sind nicht alle Fragen abschließend geklärt. Das BMF hat das Tatbestandsmerkmal der Kurzzeitigkeit nur grob mit „einigen Tagen oder Wochen“ definiert. Auch wird es sich erst noch zeigen müssen, wie die Finanzverwaltung die weiteren Voraussetzungen, dass das Lager auf Initiative des Abnehmers eingerichtet sein und dieser ein vertraglich uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Ware haben müsse, auslegt. Auch ist noch nicht klar, ob die Rechtsprechung generelle Auswirkungen auf den Lieferzeitpunkt (Beginn des Warenversand vs. Entnahmezeitpunkt) auch bei Konsignationslagern deutscher Unternehmer hat. Ein weiteres BMF-Schreiben wurde in Aussicht gestellt.
Bitte beachten Sie auch den Beitrag 1.1. in der aktuellen Ausgabe der USt Info zu der geplanten Harmonisierung der Regelungen für Konsignationslager auf EU-Ebene.
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