Umsetzung der OECD-Empfehlungen innerhalb der EU
Um eine zeitnahe und konsistente Umsetzung der OECD-Empfehlungen in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sicherzustellen, wurde am 12.06.2016 vom Rat der Europäischen Union die sog. Anti-Tax Avoidance Directive (Richtlinie 2016/1164, kurz ATAD) verabschiedet. Die ATAD enthält Regelungen zu den Themen
- Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Zinsen (Zinsschranke)
- Wegzugsbesteuerung
- Allgemeine Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch
- Hinzurechnungsbesteuerung
- Hybride Gestaltungen
Die ATAD-Richtlinie legt ein Mindestschutzniveau gegen schädliche Steuervermeidungspraktiken fest. Den Mitgliedstaaten wird bei der Ausgestaltung der nationalen Regelung ein gewisser Spielraum eingeräumt, der eine weitergehende Erhöhung der inländischen Bemessungsgrundlage ermöglicht.

Bis zum 10. September 2018 haben bereits 11 der 28 Mitgliedstaaten zur Anwendung der Bestandsschutzregelung optiert
Die Mitgliedstaaten haben die Regelung zur Zinsschranke bis zum 31.12.2018 in nationales Recht umzusetzen, die Neuregelungen sind dann ab dem 01.01.2019 anzuwenden. Falls allerdings ein Mitgliedsstaat bereits „über nationale gezielte Vorschriften zur Verhütung von BEPS [verfügt], die gleichermaßen wirksam sind wie die Zinsschranke nach dieser Richtlinie“ (vgl. Art. 11 Abs. 6 ATAD), dürfen diese bis spätestens zum 01.01.2024 angewendet werden (sog. Bestandsschutzregelung).
Im Rahmen einer Studie zum Stand der Implementierung der Zinsschrankenregelungen in den EU-Mitgliedstaaten haben wir unsere Kollegen aus der WTS Global zur Umsetzung der EU-Vorgaben in ihren jeweiligen Staaten befragt (Stand Juni 2018 und Aktualisierung zum 10. September 2018).
Unsere Studie
Zu diesem Zeitpunkt hatten noch nicht alle Mitgliedstaaten entsprechende Regelungen zur Umsetzung der ATAD ins nationale Recht erlassen. Vor diesem Hintergrund werden wir die Studie laufend aktualisieren, um die Entwicklung in sämtlichen Mitgliedstaaten entsprechend vollständig abzubilden. Aktuell haben bereits 11 der 28 Mitgliedstaaten zur Anwendung der Bestandsschutzregelung optiert.
Zinsschrankenregelung der EU im Detail
Zur Bestimmung, ob die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen eines Unternehmens durch die Zinsschranke beschränkt wird, sind zunächst die „Fremdkapitalkosten“ zu ermitteln.
Art. 2 Abs. 1 ATAD definiert den Begriff der Fremdkapitalkosten sehr weit und bezieht u.a. Zahlungen im Rahmen von Beteiligungsdarlehen, Finanzierungskosten im Rahmen von Finanzleasing sowie bestimmte kalkulatorische Zinsen und Wechselkursgewinne und -verluste ein.
Die Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalkosten wird auf den Betrag der „steuerbaren Zinserträge und sonstigen wirtschaftlich gleichwertigen steuerbaren Erträge“ (vgl. Art. 2 Abs. 2 ATAD) zuzüglich eines Betrags in Höhe von 30 % des für diese Zwecke modifizierten EBITDA des Steuerpflichtigen beschränkt (vgl. Art. 4 Abs. 1 ATAD). Eine Unterscheidung zwischen Zinszahlungen an verbundene Unternehmen und Zinszahlungen an fremde Dritte findet nicht statt.
Da die ATAD als Mindestschutzregelung konzipiert ist, stellt die 30%-Grenze das absolute Maximum dar, das die EU-Mitgliedstaaten bei der Definition der Bemessungsgrundlage anwenden dürfen. Wohl erlaubt ist die Definition einer strengeren Regelung, also z.B. die Anwendung eines geringeren Prozentsatzes.
Die einzelnen Mitgliedstaaten verwenden z.T. unterschiedliche Definitionen des für Steuerzwecke modifizierten EBITDA und in einigen Staaten dient der Berechnung der abzugsfähigen Fremdkapitalkosten nicht das EBITDA, sondern das EBITD (z.B. Finnland) oder die Summe der Zinsaufwendungen (Frankreich) als Bemessungsgrundlage. In einigen Staaten ist es außerdem möglich (ungenutzte) EBITDA-Kapazitäten innerhalb einer Gruppe zu übertragen.
"Safe Harbour-Regel“
Um den administrativen Aufwand für Steuerpflichtige ohne signifikant hohe überschüssige Fremdkapitalkosten zu verringern, enthält die ATAD eine sog. "Safe HarbourRegel“. Entsprechend dieser Regel sollen überschüssige Fremdkapitalkosten bis zu einem bestimmten Umfang stets abzugsfähig sein. Art. 4 Abs. 3 Buchstabe a ATAD sieht einen Freibetrag von bis zu € 3 Millionen vor.

Bandbreite "Safe Harbour-Regel“
Im Rahmen der Studie haben wir eine weite Bandbreite bezüglich der Anwendung der "Safe Harbour-Regel“ in den einzelnen Staaten festgestellt. Die Unterschiede beziehen sich insoweit nicht nur auf den dieser Regelung unterworfenen absoluten Betrag, sondern auch auf dessen konkrete Ausgestaltung: Teilweise ist der Betrag – wie in der derzeitigen deutschen Zinsschrankenregelung – als Freigrenze ausgestaltet. Die Mehrheit der Staaten entschied sich allerdings für eine echte Freibetragsregelung (z.B. Tschechien und Estland). Manche Staaten hingegen haben auf die Implementierung einer "Safe HarbourRegel“ gänzlich verzichtet (z.B. Italien).
Befreiungsklausel
Für Steuerpflichtige, die zu Rechnungslegungszwecken Mitglied einer konsolidierten Gruppe sind, enthält Art. 4 Abs. 5 ATAD eine Befreiungsklausel. Demnach wird dem Steuerpflichtigen – ähnlich dem Eigenkapitalvergleich in der derzeitigen deutschen Zinsschrankenregelung – erlaubt, die überschüssigen Fremdkapitalkosten in voller Höhe abzuziehen, wenn die eigene Eigenkapitalquote mindestens so hoch ist wie die der gesamten Gruppe