Hintergrund
Das Thema Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung für Zwecke des Vorsteuerabzugs hat sich zu einem Dauerbrenner im Umsatzsteuerrecht entwickelt (vgl. USt Info # 01/2017, Beitrag C.4.). Hintergrund ist, dass der BFH mit Urteil vom 20.10.2016 unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil in der Rs. Senatex entschieden hat, dass eine Rechnungsberichtigung nach § 31 Abs. 5 UStDV beim Rechnungsempfänger hinsichtlich seines Rechts auf Ausübung des Vorsteuerabzugs Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung (der fehlerhaften bzw. unvollständigen Rechnung) entfalten könne.
BMF-Entwurf vom 15.10.2018
Nachdem die deutsche Finanzverwaltung die Vorgaben des BFH bislang uneinheitlich umgesetzt hat, ist nun folgende einheitliche Rechtsanwendung in allen noch offenen Fällen beabsichtigt. Es soll aber nicht beanstandet werden, wenn bei bis zum 31.12.2018 übermittelten Rechnungsberichtigungen der Vorsteuerabzug gleichwohl erst in dem Besteuerungszeitraum geltend gemacht wird, in dem die berichtigte Rechnung ausgestellt wird. Ein entsprechender Entwurf eines BMF-Schreibens wurde an die zuständigen Stellen mit der Bitte um Stellungnahme zirkuliert.
Ordnungsgemäße Rechnung als materielle Voraussetzung für Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug
Eine Rechnung, die den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht, könne nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt werden. Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG könne grundsätzlich erst in dem Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem der Rechnungsaussteller die Rechnung berichtigt und die fehlenden oder berichtigten Angaben bzw. die korrigierte Rechnung an den Rechnungsempfänger übermittelt hat. Auf eine Rechnungsberichtigung kann für Zwecke des Vorsteuerabzugs jedenfalls alleine aus Vereinfachungsgesichtspunkten nicht verzichtet werden.
Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung für Zwecke des Vorsteuerabzugs
Wird zunächst eine Rechnung ausgestellt, die den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG nicht entspricht und wird diese später nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt, könne das Recht auf Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG aufgrund der berichtigten Rechnung für den Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde. Wird die bisherige Rechnung jedoch gegenüber dem Leistungsempfänger ausdrücklich storniert, aufgehoben oder ersetzt, so dass sie die Wirkung als Rechnung verliert, liege keine Rechnungsberichtigung vor, sondern das erstmalige Ausstellen einer neuen Rechnung, was keine Rückwirkung zur Folge habe.
Voraussetzung: Berichtigungsfähige Rechnung
Eine Rechnung sei nach der o. g. Rechtsprechung des BFH jedoch ausschließlich dann rückwirkend berichtigungsfähig, wenn sie Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Sind diese Mindestpflichtangaben nicht enthalten, entfalte die Rechnungsberichtigung keine Rückwirkung.
Anforderungen an Leistungsbeschreibung in ursprünglicher Rechnung
Der BMF-Entwurf geht auch ausführlich auf die Bestimmtheit der einzelnen Mindestpflichtangaben ein. Die in der Praxis häufig besonders problematische Leistungsbeschreibung müsse, um rückwirkend berichtigungsfähig zu sein, nach Auffassung des BMF jedenfalls so konkret sein, dass die erbrachte Leistung und ein Bezug zum Unternehmen des Leistungsempfängers erkennbar sind, vgl. Abschnitt 15.2a Abs. 4 UStAE. Eine unrichtige Leistungsbezeichnung, für die der leistende Unternehmer die gesondert ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet (vgl. Abschnitt 14c.2 Abs. 2 Nr. 3 UStAE), soll nicht mit Rückwirkung berichtigungsfähig sein. Dagegen könne eine nur ungenaue Angabe der Leistungsbezeichnung die Voraussetzungen für eine rückwirkend berichtigungsfähige Mindestpflichtangabe erfüllen. Eine bloße Angabe wie z. B. „Beratung“ in der Rechnung eines Rechtsanwalts oder „Bauarbeiten“ in der Rechnung eines Bauunternehmens, die nicht weiter individualisiert ist, lasse lt. BMF-Entwurf jedoch die konkret erbrachte Leistung in keiner Weise erkennen, weil solche Leistungen allgemein dem jeweiligen Berufsbild bzw. Gewerbe entsprächen; eine solche Angabe sei daher in so hohem Maße unbestimmt und unvollständig, dass sie einer fehlenden Angabe gleichstehe.
Anforderungen an Angabe des Entgelts in ursprünglicher Rechnung
Erstaunlich ist, dass es lt. BMF-Entwurf hinsichtlich der rückwirkend berichtigungsfähigen Mindestpflichtangabe des Entgelts ausreiche, wenn durch die Angabe des Bruttorechnungsbetrags und des gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrags das Entgelt als Bemessungsgrundlage ohne weiteres errechnet werden kann.
Weiteres BMF-Schreiben zu §§ 14, 15 UStG in Aussicht
Ein ergänzendes BMF-Schreiben zu weiteren höchstrichterlichen Entscheidungen, die den Anwendungsbereich der §§ 14, 15 UStG betreffen (insbesondere zu ordnungsgemäßen Anschriften), soll zu einem späteren Zeitpunkt gesondert veröffentlicht werden.
Praxishinweise
Einerseits ist es sicherlich höchst erfreulich, dass sich die Finanzverwaltung nun der Rechtsprechung anschließt und unter weiteren Voraussetzungen die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung für Zwecke des Vorsteuerabzugs anerkennt. Wird bspw. im Rahmen einer Betriebsprüfung ein formaler Mangel an einer berichtigungsfähigen Rechnung festgestellt und droht der Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger daher versagt zu werden, kann die Rechnung bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht vom Rechnungsaussteller berichtigt werden. Somit können Nachzahlungszinsen vermieden werden. Auch ist die Vereinfachung begrüßenswert, dass auf eine rückwirkende Korrektur von Voranmeldungen innerhalb eines Besteuerungszeitraums (Kalenderjahr) verzichtet werden kann. Ansonsten entfaltet die Rechnungsberichtigung jedoch immer Rückwirkung. Dies führt kalenderjahresübergreifend aber sicherlich auch zu einem erhöhten administrativen Aufwand, sofern bei Erhalt der fehlerhaften/unvollständigen Rechnung zunächst kein Vorsteuerabzug geltend gemacht wird. In diesem Fall muss nachverfolgt werden, wann ein Vorsteuerabzug rückwirkend geltend zu machen ist, oder es könnte in Abstimmung mit dem Rechnungsaussteller eine Stornierung und Neuausstellung der ursprünglichen Rechnung vereinbart werden. Dabei ist auch stets die Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung des betroffenen Jahres im Blick zu halten, da die Rechnungs-berichtigung nach Aussage des BMF-Entwurfs nicht zu einem rückwirkenden Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO führt. Die Unternehmen sollten sich schon jetzt Gedanken über möglicherweise einzuführende Prozesse machen.
Auswirkungen Vorsteuervergütungsverfahren
Auch dürfte sich diese neue Rechtslage auf das Vorsteuervergütungsverfahren auswirken. Wurden bislang fehlerhafte/unvollständige Rechnungen oft im Vergütungsantrag gar nicht erst berücksichtigt, wären diese vor dem Hintergrund der Ausschlussfrist nun zunächst anzusetzen, sofern Rechnungsberichtigungen und keine Neuausstellungen angestrebt werden. Die Rechnungsberichtigungen müssten sodann aber auch zeitnah nachgereicht werden, wenn der Antragsteller zeitaufwendige Korrespondenz mit dem Bundeszentralamt für Steuern bis hin zu Rechtsbehelf- und Klageverfahren vermeiden will. Auch hier gilt es daher vorab, die richtige Strategie zu entwickeln.