Am 05.09.2019 veröffentlichte der BFH zwei weitere Urteile vom 27.02.2019 (I R 51/17 und I R 81/17), die im Zusammenhang mit dem schon im Mai veröffentlichten Urteil I R 73/16 vom selben Tag (vgl. hierzu TAX WEEKLY # 18/2019) stehen. Im Urteil I R 73/16 vollzog der BFH hinsichtlich seiner bisherigen Rechtsprechung eine Kehrtwende gleich in mehreren Punkten: Zum einen urteilte er, dass Art. 9 Abs. 1 OECD-MA den Korrekturbereich von § 1 Abs. 1 AStG nicht auf bloße Preisberichtigungen beschränke (sog. Sperrwirkung), sondern auch die steuerliche Korrektur der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder einer Teilwertabschreibung ermögliche. Zum anderen stehe auch der sog. Konzernrückhalt der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung nicht entgegen. Dieser beschreibe lediglich den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen der Unternehmensverflechtung und bringe die Üblichkeit zum Ausdruck, innerhalb eines Konzerns Kreditansprüche nicht wie unter Fremden abzusichern. Der Konzernrückhalt sei nicht wie eine aktive Einstandsverpflichtung mit der Folge einer fremdüblichen (werthaltigen) Besicherung des Rückzahlungsanspruchs zu werten.
Im aktuell veröffentlichten Urteil I R 81/17 hatte der BFH einen Fall zu entscheiden, in dem eine inländische GmbH an einer österreichischen GmbH zu 50 % beteiligt war. Die deutsche Gesellschaft hatte ihrer österreichischen Tochter mehrere verzinste und durch Sicherungsübereignung unterschiedlicher Maschinen besicherte Darlehen ausgereicht sowie eine Bürgschaft für ein Bankdarlehen übernommen. Wegen negativer Geschäftsentwicklung und Insolvenz der Tochter wurden die Darlehen zunächst teilweise und schließlich ein Jahr später vollständig abgeschrieben. Da die deutsche Gesellschaft auch aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wurde, bildete sie zudem eine entsprechende Rückstellung in ihrer Bilanz. Die Gewinnminderungen im Zusammenhang mit den Teilwertabschreibungen und der Rückstellungsbildung wurden vom Finanzamt durch außerbilanzielle Hinzurechnungen nach § 1 Abs. 1 AStG neutralisiert, wogegen die deutsche Gesellschaft zunächst erfolgreich klagte. Der BFH bestätigte dagegen in der Revision seine Auffassung aus dem Urteil I R 73/16, wonach Art. 9 OECD-MA (hier: Art. 9 Abs. 1 DBA Österreich 2000) auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Ausbuchung einer Darlehensforderung oder Teilwertabschreibung gem. § 1 Abs. 1 AStG erlaubt. Dies gelte auch für Gewinnminderungen infolge Inanspruchnahme aus Bürgschaften. Gleichfalls bestätigte der BFH seine geänderte Rechtsprechung zum Konzernrückhalt, auch wenn vorliegend das Vorhandensein eines Konzernverhältnisses zweifelhaft war. Der Fall war jedoch an das Finanzgericht zurückzuverweisen, da dieses keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob die vereinbarten Bedingungen (Besicherung der Rückzahlungsforderungen aus den Darlehen und fehlende Besicherung der Bürgen-Regressforderung) fremdüblich waren.
Klägerin im weiteren aktuell veröffentlichten Fall I R 51/17 war eine deutsche KG, die eine stehen gelassene Forderung aus Lieferungen gegenüber ihrer chinesischen Tochtergesellschaft inne hatte. Die Forderung war unverzinst und unbesichert. Die KG verzichtete zunächst gegen Besserungsschein auf einen Teil der Forderung und buchte diese insoweit gewinnmindernd aus. Ein halbes Jahr später schrieb die Klägerin die Forderung wegen anhaltender Wertlosigkeit weiter ab und erklärte ein weiteres halbes Jahr später schließlich einen Forderungsverzicht. Die damit im Zusammenhang stehenden Gewinnminderungen wurden schließlich durch das Finanzamt korrigiert. Auch hier urteilte der BFH entsprechend
den in I R 73/16 geänderten Grundsätzen, hier auf Basis des Art. 9 DBA China 1985. Dem stehe auch die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit nicht entgegen (Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV), da diese wegen der Standstill-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG (nun Art. 64 Abs. 1 AEUV) auf § 1 Abs. 1 AStG nicht anwendbar sei. Zu der Frage, ob die im vorliegenden Fall vereinbarten Bedingungen (fehlende Besicherung der Zahlungsforderungen aus den Lieferverhältnissen, insbesondere auch später der stehen gelassenen und zunächst noch werthaltigen Außenstände) fremdüblich waren, mangelte es an Feststellungen der Vorinstanz. Insoweit war auch dieser Fall wieder an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Im Ergebnis verfestigt der BFH mit den veröffentlichten Urteilen wie angekündigt die Änderung seiner Rechtsprechung. Danach wird die Korrektur einer Gewinnminderung, die auf eine fremdunübliche Besicherung zurückzuführen ist, nicht mehr durch Art. 9 OECD-MA gesperrt.
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