OECD-Vorschlag zu Pillar 2
Am 08.11.2019 veröffentlichte die OECD das Konsultationspapier zum „Global Anti-Base Erosion Proposal“ (GloBE) als zweite Säule („Pillar 2“) der BEPS 2.0-Initiative „Addressing the Tax Challenges of the Digitalisation of the Economy“. Die Konsultationsphase der Reformvorschläge zur ersten Säule („Pillar 1“) der Initiative endete bereits am 12.11.2019. Die erste Säule behandelt die Aufteilung von Besteuerungsrechten, die Gestaltung von Gewinnallokationsregeln und die Definition neuer Anknüpfungspunkte für die Besteuerung (sog. Nexus Rules). Gegenstand von Pillar 2 ist hingegen die Einführung bzw. Sicherstellung einer globalen Mindestbesteuerung.
Konzeption: Vier Komponenten für das Regelwerk von Pillar 2
Die globale Mindestbesteuerung nach Pillar 2 soll nach dem Reformvorschlag auf einem koordinierten Regelwerk basieren, welches sich in vier Komponenten gliedert. Die dazugehörigen Regeln sollen im nationalen Steuerrecht bzw. bilateral in den entsprechenden Steuerabkommen implementiert werden:
- Durch die „income inclusion rule“ werden Einkünfte ausländischer Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften im Inland erfasst, wenn sie im Ausland nicht einer Mindestbesteuerung unterlegen haben.
- Durch die „undertaxed payments rule“ wird im Quellenstaat einer Zahlung ein vorgesehener Betriebsausgabenabzug eingeschränkt oder eine Besteuerung mit Quellensteuer gestattet, wenn die Zahlung im Empfängerstaat nicht einer Mindestbesteuerung unterliegt.
- Eine entsprechende „switch-over rule“ soll in Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen werden, um den Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode im Inland zu ermöglichen, wenn Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte oder aus im Ausland belegenen Immobilien nicht einer Mindestbesteuerung unterlegen haben.
- Schließlich soll in Ergänzung zur „undertaxed payments rule” noch eine „subject to tax rule“ implementiert werden, damit bei Unterschreiten einer Mindestbesteuerung Abkommensvorteile (etwa Quellensteuerreduktionen) versagt werden können.
Greifen mehrere Regeln in unterschiedlichen Staaten, besteht die Gefahr, dass es zu einer ungewollten Doppelbesteuerung kommt. Um zu verhindern, dass mehrere Regeln auf denselben Sachverhalt Anwendung finden, müssen zusätzliche Koordinierungsregelungen implementiert werden, die z.B. den Vorrang einer Regel vor der anderen festlegen.
Konsultationsfragen
Das Konsultationspapier zu Pillar 2 adressiert bestehende Problemfelder, um eine Mindestbesteuerung von Einkünften international agierender Unternehmen sicherzustellen. Die zahlreichen offenen Fragen, die primär Gegenstand der Konsultation sind, verdeutlichen die Komplexität, mit der die Implementierung des erforderlichen Regelwerks verbunden ist. Der primäre Fokus liegt hierbei auf bestimmten technischen Aspekten der Ausgestaltung. Hier stechen drei Problemfelder hervor:
- Die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage: Damit das Regelwerk durchführbar ist und der entstehende Verwaltungsaufwand beschränkt bleibt, sind gewisse Maßnahmen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit unterschiedlicher steuerlicher Bemessungsgrundlagen nötig. Fraglich ist insbesondere, inwiefern die Berechnung des effektiven Steuersatzes - zur Bestimmung, ob eine zu niedrige Besteuerung vorliegt - auf Basis lokaler Rechnungslegungsvorschriften erfolgen kann. Handelsbilanzielle bzw. nach den IFRS-Grundsätzen aufgestellte Abschlüsse müssten grundsätzlich um steuerliche Korrekturen modifiziert werden. Nur so kann eine Berechnung anhand bilanziell überbewerteter bzw. unterbewerteter Bemessungsgrundlagen vermieden werden. Ein Korrekturbedarf besteht bei permanenten und temporären Unterschieden zwischen Handels- und Steuerbilanz. Mögliche Lösungen können hier die Bildung von latenten Steuern, Steuerguthaben oder steuerlichen Attributen mit Vortragsmöglichkeit bieten. Ebenso wird die Berechnung des effektiven Steuersatzes als Durchschnittswert über mehrere Jahre hinweg diskutiert.
- „Blending“ steuerlicher Einkünfte im Konzern: Bei der Ermittlung des effektiven Steuersatzes in einem Konzern gehen in die Berechnung sowohl hochbesteuerte als auch niedrigbesteuerte Einkünfte ein. Hier stellt sich die grundsätzliche Frage, ob diese „Vermischung“ (Blending) verschieden besteuerter Einkünfte im Konzern beschränkt werden soll. Neben dem konzernweiten Ansatz ist es denkbar, die Ermittlung des effektiven Steuersatzes auf einzelne Länder oder auch auf einzelne Gesellschaften zu beschränken.
- Ausnahmen und Schwellenwerte: Ferner steht zur Debatte, ob vom Regelwerk des Pillar 2 bestimmte Unternehmensgruppen oder Industrien ausgenommen werden sollen. Während für Pillar 1 bereits konkrete Ansätze bestehen, lässt die OECD diese Thematik bzgl. Pillar 2 völlig offen.
Offene Fragen
Die tatsächliche Höhe des Steuersatzes der Pillar 2 Mindestbesteuerung soll erst Gegenstand der Diskussion werden, wenn die Ausgestaltung der Systematik und der Kernelemente des Regelwerks feststeht. Allerdings dürften Länder wie Deutschland, die eine Mindestbesteuerung eher befürworten, hier schnell für Klarheit sorgen wollen, um die Umsetzung von Pillar 2 zu beschleunigen. Durch den Reformvorschlag ist bisher lediglich die Implementierung einer Mindestbesteuerung als sog. „top up“ zu einem definierten Steuersatz vorgesehen. Aufgrund der umfangreichen und offenen Ausgestaltung der Lösungsvorschläge, ist das Ergebnis der Konsultation mit Spannung zu erwarten.
Zeitplan / Update in 2020
Eine öffentliche Anhörung zur Konsultation wird am 09.12.2019 bei Paris stattfinden und live übertragen. Eine Überarbeitung der OECD-Entwürfe zu Pillar 1 und Pillar 2 wird bereits ab etwa Januar 2020 erwartet.