Auch wenn die Zielsetzung eines Tax Compliance Management Systems (Tax CMS) nach wie vor die Sicherstellung der Tax Compliance, also die Erfüllung der steuerlichen Pflichten bzw. die Verhinderung von Regelverstößen des Unternehmens als entlastende Indizwirkung i.S.d. § 153 AEAO ist, bietet ein Tax CMS weitere Vorteile. Gerade durch die gewonnene (Prozess-)Transparenz im Unternehmen lassen sich steuerrelevante Abläufe nicht nur optimieren, sondern oftmals auch automatisieren. Diese Synergie-Effekte bringen Effizienzsteigerungen mit sich und betreffen sowohl die steuerlichen Kernprozesse als auch die Vorprozesse, sowie die laufende Pflege des Tax CMS und somit sein wirksames "am Leben halten".
Digitales Tax CMS zur Minimierung des Aufwands
Tax CMS Implementierungsprojekte sind bei vielen Unternehmen bereits abgeschlossen bzw. befinden sich aktuell in der Umsetzung. Mit erfolgreichem Abschluss eines solchen Implementierungsprojekts und der Operationalisierung des Tax CMS (Implementierung von erforderlichen risikomitigierenden Maßnahmen und Kontrollen) ist jedoch auch der Beginn der Überführung des Tax CMS in den Regelbetrieb markiert. Dieser beinhaltet die stetige Überwachung und Verbesserung des Tax CMS, also die laufende Pflege und regelmäßige Aktualisierung aller relevanten Inhalte. Um das Tax CMS nachhaltig und somit wirksam am Leben zu halten, ist u.a. Folgendes notwendig:
- Sicherstellung und Nachhalten der Durchführung implementierter Maßnahmen und Kontrollen;
- regelmäßige Überprüfung der Risiken, einschließlich ihrer Bewertung, sowie der steuerlichen Prozessdokumentation auf deren Aktualität und
- ggfs. Definition weiterer notwendiger risikomitigierender Maßnahmen und deren Etablierung in der Organisation.
Häufig sind die Dokumentationen im Rahmen der Implementierung eines Tax CMS (wie Prozessdokumentation, Risiko-Kontroll-Matrizen, Tax CMS Beschreibung) ausschließlich analog in Excel, Word oder Power-Point erstellt worden. Notwendige Abfragen (bspw. für die Aktualisierung von Prozessen, Risiko-Assessments oder die Einholung der Durchführungsnachweise von Kontrollen) werden von der Steuerfunktion aufwändig manuell durchgeführt. Bereits hier zeigt sich, dass der Regelbetrieb eines analog dokumentierten Tax CMS mit enormem manuellen Dokumentations- und Aktualisierungsaufwand verbunden ist, wertvolle Kapazitäten in den Steuerabteilungen bindet und sich daher teilweise nur schwer neben den laufenden operativen Tätigkeiten aufrechterhalten lässt. Nicht selten läuft das Tax CMS Gefahr, als "Papiertiger" in der Schublade zu verschwinden und somit auch seine entlastende Indizwirkung zu verlieren – von den angefallenen Implementierungskosten mal ganz abgesehen.
Ein digitales Tax CMS kann dem entgegenwirken und bietet die Möglichkeit, den im Rahmen des Regelbetriebs entstehenden Aufwand deutlich zu minimieren und notwendige Aktualisierungen automatisch und revisionssicher nachzuhalten.
Prozessmanagement als Basis eines digitalen Tax CMS
Eine durchgehend digitale Dokumentation der steuerlichen Kern- und Vorprozesse einschließlich ihrer Schnittstellen auf einer integrierten Prozessmanagementplattform (bspw. SAP Signavio) bildet dabei die Grundlage des digitalen Tax CMS. Alle wesentlichen Arbeitsabläufe sowie die zugehörigen Verantwortlichkeiten werden als Prozessmodelle im Standard BPMN 2.0 dokumentiert. Durch die Verknüpfung mit den jeweiligen unternehmensspezifischen steuerlichen Risiken sowie risikomitigierenden Maßnahmen und Kontrollen können diese gezielt, wirksam und mit fester Verantwortung eingesetzt werden.
Erfolgte strukturelle Veränderungen werden nachweisbar direkt im digitalen Tax CMS aktualisiert. Durch die zentrale, digitale und revisionssichere Dokumentation der Prozesse, Risiken und zugehöriger Maßnahmen/Kontrollen wird zudem sichergestellt, dass zum einen die aktuellste Version des Tax CMS jederzeit und ohne zusätzlichen administrativen Aufwand etwaigen Stakeholdern zur Verfügung steht. Zum anderen sind aber durch entsprechende Versionierungen auch Versionen vergangener Zeiträume (z.B. entsprechend den Veranlagungszeiträumen) später im Rahmen einer Betriebsprüfung verfügbar.
Steuerliche Prozesse stellen nur einen Teil der Unternehmensabläufe dar, sodass die Dokumentation auch übergreifend in die bestehende Prozesslandschaft eingebettet werden sollte. Dabei können die im Rahmen des Tax CMS dokumentierten Prozessabläufe (z.B. im Bereich Purchase-to-Pay oder Order-to-Cash) eine geeignete Ausgangsbasis für ein übergreifendes Prozessmanagement sämtlicher administrativer Arbeitsabläufe darstellen.
Digitale Prozessdokumentation zur Hebung von Synergien
Eine unternehmensweite Abbildung der Geschäftsprozesse in einem zentralen System kann z.B. als Basis für die Implementierung bzw. Optimierung eines Internen Kontrollsystems (IKS), auf welches ein Tax CMS in der Regel aufbauen sollte, dienen. Daneben stellen z.B. auch die GoBD-Vorschriften1 bzw. die steuerliche Verfahrensdokumentation als entsprechender Nachweis ihrer Einhaltung einen nicht unerheblichen Erstellungs- und Pflegeaufwand dar.
Eine fundierte Prozessdokumentation kann als Basis für die Erstellung der GoBD-Verfahrensdokumentation genutzt werden. Bereits digital dokumentierte Prozesse können mit spezifischen Informationen, die für die Verfahrensdokumentation erforderlich sind (z.B. IT-System Beschreibungen, Schnittstellen oder Benutzerhandbücher), erweitert und zentral gebündelt werden. Im Anschluss werden sämtliche Anpassungen (z.B. an einem Arbeitsschritt) systemseitig erfasst und automatisch dokumentiert. So kann die revisionssichere Abbildung der Verfahrensdokumentation inklusive einer anforderungsspezifischen, einheitichen Dokumentationstiefe sichergestellt werden.
Effizienter Betrieb des Tax CMS durch Workflowkomponenten
Um den manuellen Aufwand im Rahmen des Betriebs des Tax CMS, des IKS oder der GoBD-Verfahrensdokumentation zu minimieren und deren zentrale Administration effizient zu gestalten, empfiehlt es sich, die Prozesse, Risiken und Kontrollen mit einer Workflowkomponente (bspw. SAP Signavio) zu verknüpfen. Sämtliche notwendigen Aktualisierungen können somit ohne aktives Eingreifen der Steuerfunktion automatisiert vom System angestoßen werden. So können bspw. Kontrollen in Prozesse integriert und automatisch durch zeitlich definierte Startereignisse angestoßen werden. Die Durchführung der einzelnen Kontrollen wird automatisch gesteuert, nachgehalten und systemseitig dokumentiert. Dabei werden Kontrollergebnisse, auch inklusive eventueller Auffälligkeiten, erfasst und an zentraler Stelle abgelegt. Zusätzlich kann auch die Durchführung regelmäßiger Risiko-Assessments und der mindestens jährlich durchzuführenden Prozessreviews oder auch die Überwachung wichtiger Fristen und Termine automatisiert gesteuert werden. Das Versenden von Remindern und der Einsatz von gezielten Eskalationen stellt sicher, dass die angestoßenen Aufgaben letztendlich auch durchgeführt werden. Die bespielhaft beschriebenen Automatismen entlasten die Steuerfunktion bei der operativen Administration, sichern die Aktualität und stellen einen wesentlichen Nachweis für die Wirksamkeit des Tax CMS dar.
Erhöhung der Compliance durch intelligente, automatisierte Entscheidungsfindung
Durch die im Rahmen der digitalen Prozessdokumentation gewonnene Prozesstransparenz wird zudem oft deutlich, an welchen Stellen und vor allem durch wen im Unternehmen steuerliche Entscheidungen getroffen werden. Gerade in Bereichen außerhalb der Steuerabteilung fehlt oft steuerliches Know-how sowie die Zeit, umfangreiche Richtlinien zu lesen und vor allem richtig anzuwenden. Ebenso kann sich mangelnde Transparenz und fehlende Dokumentation von einschlägigen, steuerlichen Entscheidungsfindungsprozessen problematisch auswirken, wenn diese z.B. im Rahmen der Deklarationserstellung oder auch im Zusammenhang mit BP-Anfragen später nicht mehr oder nur mit erheblichem zeitlichen Aufwand nachvollziehbar sind.
Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, auch hier Standardisierung, Transparenz und zentrale Dokumentation mittels Workflows zu forcieren. Denkbar ist die Integration einer Anwendung für intelligente Entscheidungsfindung (z.B. der WTS DECISIONmanager) in den Workflow. Eine solche Lösung bietet mittels einfacher Fragebögen und hinterlegter steuerlicher Logiken für verschiedene risikobehaftete Bereiche (bspw. steuerliche Würdigung von Veranstaltungen oder Sachzuwendungen) Guidance sowie Transparenz und eine revisionssichere Dokumentation getroffener Entscheidungen. Einfache Sachverhalte werden automatisiert, anhand von spezifischen Eingaben analysiert und bewertet, sodass die Steuerfunktion entlastet und ggf. nur bei komplexen Sachverhalten involviert wird.
Tax CMS Dashboard als Reporting-Lösung
Ergänzend ermöglicht die Implementirung einer Dashboard-Lösung (bspw. SAP Analytics Cloud, Power BI oder Tableau) die Auswertung Tax CMS relevanter Daten (insbesondere Prozess-, Workflow- und Kontrolldaten sowie weitere Unternehmensdaten durch Anbindung und Verknüpfung verschiedenster Datenquellen) in Echtzeit. Als Teil des übergreifenden Unternehmens-Reportings lassen sich bspw. unternehmensspezifische Kennzahlen sowie die aktuelle (steuerliche) Risikosituation übersichtlich darstellen. Kritische Entwicklungen können zügig erkannt und erforderliche Gegenmaßnahmen schnell eingeleitet werden und somit auch finanzieller Schaden frühzeitig abgewendet werden. Verschiedene Filteroptionen ermöglichen zudem die flexible und nutzergerechte Anpassung der Auswertungen, wie bspw. die Beschränkung auf verschiedene Gesellschaften, Steuerarten oder auch einzelne Prozesse.
Fazit
Die Vorteile eines digitalisierten und automatisierten Tax CMS einschließlich der digitalen GoBD-Verfahrensdokumentation zeigen sich insbesondere im Rahmen des Regelbetriebs bzw. der Überwachung und Verbesserung. Im Unterschied zu einer rein analogen Dokumentation kann das Tax CMS auch nach der Implementierung nachhaltig effizient und mit deutlich reduziertem administrativen Aufwand wirksam am Leben gehalten und somit seine enthaftende Indizwirkung aufrechterhalten werden. Zusätzlich bietet es daneben die Basis für weitergehende Optimierungen und Automatisierungen – nicht nur zur Steigerung der Compliance, sondern auch hinsichtlich Standardisierungen und somit letztendlich auch der Entlastung der Steuerfunktion.
Daneben sollten auch die steigenden Aufgriffe der GoBD und die sich verändernde Sichtweise der Finanzverwaltung auf ein Tax CMS im Rahmen von Betriebsprüfungen – mit einem möglicherweise stärkeren Fokus auf System- und Prozessprüfungen, weg von der Einzelbelegprüfung – Anlass geben, seine steuerlichen Prozesse inklusive zugehöriger Risiken und Maßnahmen/Kontrollen möglichst transparent, zentral und – im Sinne eines Tax CMS 2.0 – digital verfügbar zu haben, um hierbei mehr Sicherheit zu erlangen und zukunftssicher aufgestellt zu sein.