Der Bundesrat folgte am 24.11.2023 der Empfehlung seines federführenden Finanzausschusses und verlangte die Einberufung des Vermittlungsausschusses (vgl. TAX WEEKLY # 41/2023). In der Debatte wurde vor allem kritisiert, dass der Großteil der finanziellen Lasten von Ländern und Kommunen zu tragen wäre. Zur Begründung führt der Bundesrat weiter an, dass die in seiner Stellungnahme vom 20.10.2023 geäußerten Änderungsvorschläge allenfalls punktuell übernommen worden seien. Nicht zuletzt sei die Vorlage durch eine Vielzahl von Umdrucken kurzfristig ergänzt worden. Vor diesem Hintergrund sehe der Bundesrat grundlegenden Überarbeitungsbedarf.
Zur Vorbereitung des Vermittlungsausschusses wurde eine politische Arbeitsgruppe einberufen, bestehend aus Vertretern des Bundestags und der Bundesländer. Ein erster Versuch, hier schnell einen Kompromiss zu finden, ist gescheitert, obwohl der Bund ein von über € 6 Mrd. auf knapp € 3 Mrd. (Jahreswirkung) deutlich reduziertes Steuerausfallvolumen angeboten hatte. Die Kritik von Seiten der Länder bezog sich u.a. auf die Mitteilungspflicht hinsichtlich innerstaatlicher Steuergestaltungen, die Verrechnungspreisregelungen für Finanzierungsbeziehungen und die Verwaltung der Klimaschutz-Investitionsprämie durch die Finanzämter. Teilweise wurde auch die Verlängerung der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes in der Gastronomie gefordert. Zur Diskussion standen zudem die Abschreibungsregelungen (einschließlich der Regelungen zu geringwertigen Wirtschaftsgütern und zum Sammelposten) und die geplanten Verbesserungen bei der Verlustberücksichtigung. Im Ergebnis ist in diesem Jahr mit einem Abschluss dieses Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr zu rechnen. Sollte der Vermittlungsausschuss am Ende noch zu einer Einigung finden, ist zu erwarten, dass für Regelungen, die ab dem 01.01.2024 angewendet werden sollten, eine entsprechende Rückwirkung vorgesehen wird. Eine im Vermittlungsausschuss verhandelte Beschlussempfehlung müsste noch von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.
Fünf konsensfähige Maßnahmen wurden aber aus dem Wachstumschancengesetz herausgelöst, um sie im Gesetzgebungsverfahren zum Kreditzweitmarktförderungsgesetz noch in 2023 umzusetzen. U.a. mit diesen Änderungen wurde das Kreditzweitmarktförderungsgesetz nun bereits in der Fassung „Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Finanzausschusses“ vom Bundestag (14.12.2023) beschlossen. Auch der Bundesrat (15.12.2023) hat schon seine Zustimmung erteilt. Das Gesetz kann somit nach Unterzeichnung des Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.
Bei den nun im Kreditzweitmarktförderungsgesetz umgesetzten steuerlichen Änderungen aus dem vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf zum Wachstumschancengesetz handelt es sich um die folgenden fünf Maßnahmen:
- Steuerliche Anpassungen der Abgabenordnung (AO) und anderer Gesetze an das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) einschließlich der befristeten Fortschreibung des Status Quo in der Grunderwerbsteuer: Durch das MoPeG wird ab dem 01.01.2024 (Inkrafttreten) u.a. das Gesamthandsprinzip im Zivilrecht aufgehoben. Die erforderlichen steuerlichen Anpassungsmaßnahmen werden entsprechend dem Bundestagsbeschluss zum Wachstumschancengesetz umgesetzt und gewährleisten insbesondere die Weitergeltung des Gesamthandsprinzips im Ertragsteuerrecht (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO-E) sowie im ErbStG und im BewG. Eine Änderung hat sich aber doch noch ergeben. So wird die befristete Fortschreibung des Status Quo in der Grunderwerbsteuer (§ 24 GrEStG-E) von einem auf drei Jahre – bis einschließlich 2026 – erweitert. Dadurch ist die befristete Nutzung der Steuervergünstigungen (§§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG) weiterhin möglich und ein Verstoß gegen bestehende Nachbehaltensfristen vorerst ausgeschlossen.
- Reform und Anpassung der Zinsschranke im Zuge der ATAD-Umsetzung (§ 4h EStG-E, § 8a KStG-E): Die Änderungen an der Zinsschranke entsprechen dem Bundestagsbeschluss vom 17.11.2023 zum Wachstumschancengesetz. U.a. folgende Änderungen sind zu erwähnen:
- Der Zinsaufwandsbegriff wird auf wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital erweitert und ein ausdrücklicher Verweis auf Art. 2 ATAD aufgenommen.
- Entsprechend den Vorgaben der ATAD wird auch der Begriff der Zinserträge erweitert und erfasst nunmehr ausdrücklich auch wirtschaftlich gleichwertige Erträge im Zusammenhang mit Kapitalforderungen.
- Unter grundsätzlicher Beibehaltung der Konzernklausel und des EK-Escapes werden diese durch vereinzelte Änderungen, u.a. des Stand-alone-Merkmals, an die Vorgaben der ATAD angepasst. Die Stand-alone-Klausel greift danach nur dann, wenn der Steuerpflichtige keiner Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG nahesteht und über keine Betriebsstätte außerhalb des Staats des Wohnsitzes, gewöhnlichen Aufenthalts, Sitzes oder der Geschäftsleitung des Steuerpflichtigen verfügt.
- Es wird klargestellt, dass ein EBITDA-Vortrag nicht in Wirtschaftsjahren entsteht, in denen die Zinsaufwendungen die Zinserträge nicht übersteigen.
- Es wird sichergestellt, dass Zinsvorträge nicht allein deshalb uneingeschränkt verrechnet werden können, weil in einem späteren Wirtschaftsjahr eine der drei Ausnahmen (Freigrenze/De-minimis, Stand-alone und EK-Escape) erfüllt ist, sondern ein Abzug von Zinsvorträgen nur möglich ist, soweit ausreichend verrechenbares EBITDA (§ 4h Abs. 1 Satz 2 EStG) vorhanden ist.
- § 8a Abs. 2 KStG ist wegen der Modifikation der Stand-alone-Klausel entbehrlich geworden und wird gestrichen.
- § 8a Abs. 3 KStG wird in Reaktion auf BFH-Rechtsprechung angepasst. Mit Urteil vom 11.11.2015 hat der BFH entschieden, dass die Vergütungen für Fremdkapital der einzelnen qualifiziert beteiligten Gesellschafter bei Prüfung der 10%-Grenze zur schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung nach § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG nicht zusammenzurechnen sind. Dies sei nicht sachgerecht und eröffne Gestaltungsspielräume. Mit der Änderung wird nun die bisherige Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben vom 04.07.2008, BStBl I S. 718, Tz. 82) normiert, wonach die Vergütungen für Fremdkapital der einzelnen qualifiziert beteiligten Gesellschafter bei Prüfung der 10%-Grenze zur schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung zusammenzurechnen sind. Zudem wird die maßgebliche Beteiligungsgrenze an die des § 1 Abs. 2 AStG sowie des Art. 2 Abs. 4 der ATAD („mindestens“ statt „mehr als“ 25 %) angeglichen.
Die im Regierungsentwurf zum Wachstumschancengesetz enthaltene sog. Anti-Fragmentierungsregelung, wonach die Freigrenze i.H.v. € 3 Mio. im Falle von gleichartigen Betrieben unter einheitlicher Leitung oder beherrschendem Einfluss nur einmal genutzt werden können sollte, wurde aufgrund der vorgetragenen Kritik aus dem Gesetzentwurf genommen.
Die Neuregelung der Zinsschranke ist erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem Gesetzesbeschluss im Bundestag (14.12.2023) beginnen und nicht vor dem 01.01.2024 enden.
- Verzicht auf die Besteuerung der Soforthilfe Dezember 2022 (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz – EWSG): Angesichts der Vollzugsaufwände der Finanzverwaltung und der zu erwartenden Steuermehreinnahmen werden die §§ 123 bis 126 EStG rückwirkend ersatzlos gestrichen.
- Anpassung der Vorsorgepauschale (§ 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. c EStG-E): Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) vom 19.06.2023 wurde § 55 Abs. 3 SGB XI dahingehend ergänzt, dass sich der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung für jedes zu berücksichtigende Kind ab dem zweiten Kind bis zum fünften Kind um jeweils einen Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten reduziert. Dies wird nun auch bei der Lohnsteuerberechnung berücksichtigt. Die Änderungen treten am dem 01.01.2024 in Kraft und sind über § 52 Abs. 1 EStG erstmals anzuwenden auf laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 31.12.2023 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und auf sonstige Bezüge, die nach dem 31.12.2023 zufließen. Der Beitragsabschlag für zu berücksichtigende Kinder kann damit bei der Aufstellung des geänderten Programmablaufplans für die maschinelle Lohnsteuerberechnung für 2024 berücksichtigt werden.
- Datenaustausch der Kranken- und Pflegeversicherung: Die Einführung des neuen Verfahrens wird um zwei Jahre verschoben. Neuer Starttermin ist der 01.01.2026 (§ 52 Abs. 36 Satz 3 und 4 EStG-E).