Viele Unternehmen liefern Strom an Konzernunternehmen oder an Dritte weiter, die ihren Standort auf demselben Betriebsgelände haben. Zu einer solchen Abgabe an Dritte zählen auch Stromweiterleitungen an Bauhandwerker, unterbeauftragte Servicedienstleister, Betreiber von Kantinen und von Funkmasten, oder sogar an Betreiber von Getränkeautomaten. Dabei kann das Unternehmen den Strom entweder von einem Lieferanten beziehen - etwa von einem Stadtwerk oder einem Energiehändler - oder den Strom als „Eigenversorger“ selbst erzeugen, z.B. durch ein Blockheizkraftwerk (BHKW) auf dem Betriebsgelände, oder eine Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) auf dem Dach eines Gebäudes.
In solchen Konstellationen stellen sich Abgrenzungsfragen mit Blick auf die Erfassung und Abrechnung der Strommengen. Auch lauern aus regulatorischer Sicht Fallen: Nimmt das Unternehmen Vergünstigungen bei der EEG-Umlage oder bei anderen energierechtlichen Umlagen in Anspruch, können bei Missachtung der Compliance-Pflichten solche Privilegien (teilweise) verloren gehen.
Welche energierechtlichen Compliance-Pflichten gibt es? Zunächst eine ganze Reihe von Anzeige- und Meldepflichten. Empfänger dieser Meldungen sind die Bundesnetzagentur (BNetzA), z.B. für die Registrierung beim Marktstammdatenregister, oder die Netzbetreiber für jährliche Meldungen. Sodann gibt es Pflichten gegenüber den belieferten Dritten mit Blick auf die Rechnungsstellung (Rechnungsinhalt, Abrechnungsintervalle, Fristen). Weitere Pflichten gegenüber den Kunden ergeben sich aus dem Energieeffizienzrecht, insbesondere aus dem Energiedienstleistungsgesetz (EDLG).
Eine äußerst wichtige Gruppe von Compliance-Pflichten betrifft die korrekte Nutzung von Privilegien bei der EEG-Umlage: Meldepflichten, aber auch Abwicklungspflichten im Verhältnis zum Netzbetreiber. Bei Nichteinhaltung droht der Verlust von Vergünstigungen. Bei einer EEG-Umlage von derzeit 6,756 Cent/kWh kann dies schnell bedeutende sechsstellige Beträge ausmachen.
Welche Vergünstigungen gibt es mit Blick auf die EEG-Umlage? Hier ist für energieintensive Unternehmen (mit einem Jahresstromverbrauch von über 1 GWh) die sogenannte „Besondere Ausgleichsregelung“ nach dem EEG zu nennen. Für Eigenversorger, die ihren grünen Strom mit
einer PV-Anlage produzieren, aber auch für Betreiber von hocheffizienten industriellen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen („KWK“) wird die EEG-Umlage auf 40% reduziert. Hieraus folgen Pflichten des weiterleitenden Unternehmens mit Blick auf das Messkonzept zur „zeitgleichen“ (viertelstündlichen) Abgrenzung von Strommengen. Hier sind die Vorgaben zum 01.01.2021 verschärft worden (§ 62b EEG 2017). Da die Fallgestaltungen überaus zahlreich sind, hat die BNetzA zu diesen Regelungen einen über 80seitigen Leitfaden veröffentlicht. Dieser enthält für Fallgestaltungen der Stromabgabe an Dritte eine „Blacklist“ und eine „Whitelist“. Darüber hinaus gewährt die BNetzA Vereinfachungen bei der Mengenerfassung in 21 Beispielsfällen mit teilweise mehreren Varianten. Zum Beispiel: Wir werden Strommengen, die an Dritte zur Ladung von E-Fahrzeugen abgegeben, erfasst?
Aber zurück zur Ausgangsfrage: Welche Stromweiterleitungen an Dritte lösen die vorgenannten Compliance-Pflichten aus? Welche dieser Pflichten gelten nur für „echte“ Energieversorger, welche auch für Industrieunternehmen, die Strom weiterleiten? Man sollte meinen, dass das Energierecht dies klar regelt. Weit gefehlt…
Hier ist jeweils eine Prüfung des individuellen Sachverhalts erforderlich. Denn zur Beurteilung, ob diese Pflichten im konkreten Fall bestehen, kommt es nicht nur auf die Tatsache des Weiterleitens von Strom an. Vielmehr ist der Kontext entscheidend, in dem eine solche Stromlieferung stattfindet: Befinden sich die Abnahmestellen in einer - energierechtlich definierten und durch umfangreiche Rechtsprechung ausgeformten - sogenannten „Kundenanlage“? Welchen Inhalt hat ein ggf. bestehender „interner“ Stromliefervertrag bzw. ein „Kundenanlagennutzungsvertrag“? Um welche Strommengen geht es, sind sie signifikant oder sind es „Bagatellmengen“ (Schwellenwert: 3.500 kWh/a)? Wer ist Betreiber der stromverbrauchenden Einrichtungen? Und zur Beurteilung der möglichen finanziellen Sanktionen: Welche Vergünstigungen nimmt das Unternehmen bei energieregulatorische Abgaben in Anspruch?
Die Definition der Marktrolle des Unternehmens steht am Anfang - ist das Unternehmen Stromlieferant oder Energieversorger im Sinne der rechtlichen Vorgaben, so ist der Anwendungsbereich der oben genannten Compliance-Pflichten grundsätzlich eröffnet. Die einschlägigen Gesetze und Verordnungen (insbes. Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Marktstammdatenregisterverordnung (MaStRV)) und Energiedienstleistungsgesetz (EDLG) verwenden (leider) unterschiedliche Begrifflichkeiten und knüpfen unterschiedliche Pflichten an die jeweilige Marktrolle - im Übrigen unabhängig von der stromsteuerlichen Einordnung als Versorger.
Was genau zu tun ist und wie im Einzelfall die Risiken sind, lässt sich nicht abstrakt beurteilen. Hier hilft nur ein Compliance-Check. Unterm Strich: Ein Unternehmen, das Strom an Dritte abgibt, tut gut daran, sich dieser Rolle bewusst zu werden und die vielfältigen damit verbundenen Compliance-Pflichten einzuhalten.
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