Neue Gesetzgebung zum Ausbau der Ladepunkt-Infrastruktur
Der Hochlauf der Elektromobilität ist im vollen Gange. Das Angebot an Hybriden und Elektrofahrzeugen steigt rasant. Auch die Ladeinfrastruktur wird flächendeckend ausgebaut. Der Gesetzgeber flankiert dies durch Regelungen über die Mindestausstattung von Gebäuden und Parkplätzen mit Ladepunkten (Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität, Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz, GEIG). Darüber hinaus soll es auf der Grundlage eines neuen Schnellladegesetzes Ausschreibungen geben, damit Investoren auf rechtssicherer Grundlage regional und überregional Schnellladenetze errichten können (Gesetz über die Bereitstellung flächendeckender Schnellladeinfrastruktur für reine Batterieelektrofahrzeuge, Schnelladegesetz, SchnellLG). Ergänzend soll die bereits seit 17.03.2016 geltende Ladesäulenverordnung novelliert werden. Diese regelt insbesondere die technischen Vorgaben an die Interoperabilität von öffentlich zugänglichen Ladepunkten.
Aus Sicht des Unternehmens, das an diesem Ausbau mitwirken und für seine Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner Ladepunkte zur Verfügung stellen möchte, sind im Vorfeld eines Ladeparkprojekts zahlreiche Fragen zu beantworten.
Marktrolle des "Charge Point Operators“
Zunächst ist die grundlegende Entscheidung darüber zu treffen, welche „Marktrolle“ das Unternehmen einnehmen möchte. Die Bereitstellung von Strom an Ladepunkten findet in Rahmen des regulierten energiewirtschaftlichen Ordnungsrahmens statt, in dem jeder Beteiligter - der Stromlieferant, der Betreiber von Ladepunkten (auch „Charge Point Operator“) und der Letztverbraucher - mehr oder weniger umfassend gesetzlich geregelte Rechte und Pflichten hat. Aus Sicht eines Unternehmens steht daher die „Make-or-buy“-Entscheidung an erster Stelle: Sollen die Ladepunkte selbst oder durch einen Dienstleister betrieben werden?
Der Betreiber der Ladepunkte hat im Energiewirtschaftsgesetz, im EEG sowie im Stromsteuerrecht einen unterschiedlichen Status: Nach dem EnWG wird der Ladepunktbetreiber als Letztverbraucher fingiert und muss daher z.B. keine energierechtlichen Anforderungen an die Rechnungsstellung einhalten. Nach dem EEG ist er hingegen Elektrizitätsversorgungsunternehmen - womit grundsätzlich Abwicklungs- und Meldepflichten in Bezug auf die EEG-Umlage verbunden sind. Nach dem Stromsteuergesetz wiederum kommt es auf die Gegebenheiten im Einzelfall an, ob der Ladepunktbetreiber zum Versorger wird oder eine der zahlreichen Ausnahmen
greift. Hier ist das Konzept so aufzusetzen, dass eine Doppelbesteuerung vermieden wird; dieses Thema sollte ggf. auch in der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden. Fraglich ist, ob in allen Fallkonstellationen die Doppelbesteuerung vermieden werden kann. Die WTS steht hierzu, zusammen mit dem Verband der Automobilindustrie und dem Bundesverband der Deutschen Industrie, im Austausch mit dem BMF.
Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit und Nutzergruppen
Sind die Ladepunkte für die Öffentlichkeit zugänglich, so hat der Betreiber der Ladepunkte die verpflichtenden Vorgaben für die technische Ausstattung der Ladepunkt gemäß der Ladesäulenverordnung zu beachten. Hier ist insbesondere die Interoperabilität zu beachten: Um den freien Wettbewerb im Strommarkt zu gewährleisten, muss auch punktuelles, bargeldloses Laden ermöglicht werden. Dabei sind Ladepunkte auf privatem Grund dann öffentlich zugänglich, wenn der zum Ladepunkt gehörende Parkplatz von einem unbestimmten oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Personenkreis tatsächlich befahren werden kann. Hier ist keine physische Barriere erforderlich. Die definierten Nutzergruppen sind vor allem für die Abgrenzung von Stromliefermengen an Dritte sowie für die Lohnsteuer von Interesse (näher: Schulte-Beckhausen/Möhlenkamp/Baron: Ladesäulen für E-Fahrzeuge auf dem Betriebsgelände: energierechtliche und steuerrechtliche Pflichten, in: Betriebsberater Heft 32/2019, S. 1815 - 1820).
Freie Wahl der Stromlieferanten an der Ladesäule?
Ein derzeit hochaktuelles Thema ist die Sicherstellung des freien Wettbewerbs mit Blick auf den Stromlieferanten. Derzeit wird den Nutzern von Ladepunkten in der Regel ermöglicht, das Aufladen über „seinen“ E-Mobility-Provider und den mit diesem vertraglich verbundenen Stromlieferanten vorzunehmen. Im Hintergrund findet hier Wettbewerb über Roaming-Modelle statt, wie aus der Telekommunikation bekannt. Da hier die Konditionen für den Ladekunden nicht transparent sind, ist zweifelhaft, ob das Roaming hinreichend Wettbewerb schafft. Ende 2020 hat daher die Bundesnetzagentur (BK6-20-160) entschieden, dass ab Oktober 2021 für Anbieter von Ladepunkten die Möglichkeit eines „Opt-out“ besteht: Ein Ladepunktbetreiber, der z.B. überregional öffentliche Ladepunkte betreibt, kann über eine spezielle Ergänzung zum Netznutzungsvertrag die viertelstundenscharfe Bilanzierung des Ladevorgangs ermöglichen; dies führt dann dazu, dass die Nutzer der Ladepunkte ihren Stromlieferanten überall frei wählen können.
Der Ladepunktbetreiber übernimmt dann die energiewirtschaftliche Rolle des sog. Bilanzkreisverantwortlichen. Dieses System kann für größere Immobiliengesellschaften und überregional tätige Dienstleister und Handelsketten relevant werden.