Mit am 18.08.2021 veröffentlichtem Beschluss vom 08.07.2021 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) hatte der Erste Senat des BVerfG entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen in § 233a i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungswidrig ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird. Im Ergebnis dürfe das bisherige Recht aber für Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2018 weiter angewendet werden (sog. Fortgeltungsanordnung).
Für Verzinsungszeiträume ab 2019 sind die verfassungswidrigen Vorschriften hingegen unanwendbar. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen. Insoweit hat das BVerfG den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 31.07.2022 eine Neuregelung zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 erstreckt und alle noch nicht bestandskräftigen Hoheitsakte erfasst.
Vor diesem Hintergrund hatte das Bundeskabinett am 30.03.2022 den Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung beschlossen (vgl. TAX WEEKLY # 11/2022).
Der Bundestag hat den Regierungsentwurf nun am 23.06.2022 im Wesentlichen unverändert beschlossen. Vor dem Hintergrund der angekündigten Zinserhöhung seitens der EZB wurde lediglich die Evaluationsregelung (§ 238 Abs. 1c AO-neu) angepasst. Die Evaluierung soll nun wenigstens alle zwei (statt alle drei) Jahre und erstmalig spätestens zum 01.01.2024 (statt bisher spätestens zum 01.01.2026) erfolgen. Seine finale Zustimmung könnte der Bundesrat in seiner nächsten Sitzung am 08.07.2022 erteilen. Bereits im ersten Durchgang hatte der Bundesrat am 20.05.2022 keine Einwendungen gegen den Gesetzentwurf geäußert.
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