Wissensmanagement: Stiefkind vieler Unternehmen
In der Unternehmenspraxis lässt sich häufig beobachten, dass Prozess- oder Firmenwissen nicht stringent, häufig sogar überhaupt nicht dokumentiert ist. Dies liegt oft darin begründet, dass es Unternehmen und Führungskräften an klar definierten, ganzheitlichen Konzepten und koordinierten Vorgaben fehlt, wie Inhalte (z.B. Accounting- oder Steuer-Vorgaben), Kernprozesse und wiederkehrende Aufgaben aufzuzeichnen sind und in welchem Medium Wissen für andere Stakeholder oder künftige Mitarbeitende verfügbar gemacht werden soll. Der langfristige Vorteil einer strukturierten und vollständigen Dokumentation von unternehmensweiten Vorgaben oder Kernprozessen (wie beispielsweise die Sicherung der Prozessqualität, die Nachvollziehbarkeit sowie Replizierbarkeit) wird dabei häufig niedriger eingeschätzt als der Aufwand, der durch die erstmalige Erstellung und nachfolgende Pflege einer Dokumentation entstehen würde. Neben dem initialen Aufwand behindert meist auch das Medium, das zur Erfassung von Dokumentationen herangezogen wird (in den meisten Fällen eine Kombination von Produkten aus dem MS Office-Paket), in Verbindung mit einer nicht durchdachten Ablagestruktur die Ausschöpfung der Vorteile eines guten Wissensmanagements.
Vorteile eines guten Wissensmanagements
Dabei lässt sich durch die Einführung einer Software, häufig sogar ohne aufwändige und teure Implementierung, ein gutes Wissensmanagement in Unternehmen aufbauen und viele Vorteile realisieren (siehe nachfolgende Grafik).
Anforderungsanalyse
Vor Einführung einer Wissensmanagement-Software sollten sich Unternehmen darüber klar werden, welche Anforderungen sie an eine solche Software stellen, insbesondere welche Wissensquellen und Arten von Dokumentationen in das Wissensmanagement-Tool übertragen werden sollen.
Gängige Software-Lösungen für ein Enterprise-Wiki
Auf diese Anforderungsanalyse sollte die Auswahl eines möglichen Software-Tools folgen. Für das Wissensmanagement gibt es eine Vielzahl von Software-Lösungen, mit welchen eine Wiki-Lösung realisiert werden kann. An dieser Stelle soll auf zwei Lösungsmöglichkeiten eingegangen werden:
- Die Software „Confluence“ (Anbieter: Atlassian) ist eine etablierte Standard-Lösung, die in Verbindung mit der Projektmanagement-Software „Jira“ desselben Herstellers angeboten und im Rahmen von Softwareeinführungsprojekten bei vielen Unternehmen genutzt wird. Der Aufbau von Confluence orientiert sich stark an Wikipedia. Kernfunktionen der Software sind die Sammlung und Verlinkung von Wissen, die Vereinheitlichung von Dokumenten und die Kooperation und Teamarbeit bei der Anwendung.
- Innerhalb der Microsoft 365-Umgebung können Wiki-Projekte in der bekannten SharePoint-Struktur umgesetzt werden. Dabei gilt es vor allem, die Anpassungsfähigkeit von SharePoint-Seiten auszunutzen: Geeignete Templates zu kreieren, Strukturen vorzugeben und letztlich auch die Möglichkeiten zu nutzen, andere Tools und Plug-Ins aus der Microsoft-Welt zu integrieren. Daneben arbeitet Microsoft aktuell an der Weiterentwicklung von Microsoft Loop, das beispielsweise für den Use Case eines Accounting-Wikis genutzt werden kann.
Häufig sind in Unternehmen bereits diese oder andere Software-Lösungen im Rahmen von anderen Anwendungsfällen vorhanden. Im Idealfall kann eine Umsetzung somit ohne Zukauf von Lizenzen oder Software – oder zumindest mit minimierten Kosten – erfolgen. Neben dem Kostenaspekt für Lizenzen sollte auch die im jeweiligen Haus vorhandene technische Expertise für den Aufbau der Lösung sowie die bereits vorhandene digitale Bildung künftiger Nutzer berücksichtigt werden.
Pilotprojekt geht vor „Big Bang“
Für die Einführung des Wissensmanagements lohnt es sich, ein Pilotprojekt von überschaubarer Größe auszuwählen, in dem messbare Ziele abgesteckt werden können. Gemessen wird der Erfolg des Pilotprojekts daran, ob alle Wissensquellen sauber überführt werden konnten, vorhandene multiple Quellen vereinheitlicht und strukturiert wurden und alle Stakeholder die neue Lösung nutzen können und wollen.
Erfolgskriterien für die Einführung eines Enterprise-Wikis
Herrscht – nach einer erfolgreichen Pilotierung – sowohl Klarheit über den Umfang des Projekts als auch über die technische Lösung, sollte frühzeitig ein Gesamtkonzept erstellt werden. An folgende Punkte ist vor Projektstart bereits zu denken:
- Aufwandsschätzung: Geschwindigkeit des Aufbaus eines funktionierenden Wiki-Spaces, Anzahl zu überführender Dokumente und Quellen sowie deren Ordnungsgrad, Anzahl unterschiedlicher Formate, Grad der Unterstützung durch Wissensträger des Unternehmens.
- Hierarchie/Struktur des Wikis: Ordnung der Wissensquellen nach Abteilungen, End-to-End-Prozessen, nach Stakeholder- oder Kundensicht.
- Layout-Vorlagen (Templates) zur Harmonisierung von Dokumentstrukturen: Frühzeitige Analyse, Strukturierung und Verständigung auf unternehmensweit statische Templates.
- Anschluss- und Ausbaufähigkeit für nachfolgende Projekte anderer Abteilungen/Wissenspools, z.B. den Aufbau eines unternehmensinternen ChatGPT.
- Berechtigungskonzept: Zuweisung von Lese- bzw. Schreibzugriffsrechten zu Personengruppen, Notwendigkeit der Einschränkung von Arbeitsbereichen, Verantwortlichkeit für die Administration des Wikis.
- Verantwortlichkeit: Einbeziehung relevanter Stakeholder (z.B. im Rahmen eines Botschafter-Konzepts) sowie regelmäßige Feedback-Runden und Jour fixes, Sicherung von Erfolg und Annahme des Tools durch gezielte Schaffung von Verantwortlichkeiten und Mitarbeit innerhalb involvierter Abteilungen.
- Schulungen: Erhöhung der Akzeptanz, Klärung von Fragen, Feedback.
WTS Advisory begleitet Kunden bei der Implementierung von Enterprise-Wikis.
Autoren: Tim Seifert, Berlin, und Christiane Linder, Stuttgart