Im Februar 2025 beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Frage, ob Arbeitnehmer, die während der Kündigungsfrist (unwiderruflich) freigestellt werden, verpflichtet sind, sich um eine neue Anstellung zu bemühen, um den bisherigen Arbeitgeber von der Lohnzahlung zu entlasten.
Der Ausgangsfall
Im konkreten Fall, wurde ein Arbeitnehmer, der seit November 2019 in einem Unternehmen als Berater tätig war, von seinem Arbeitgeber im März 2023 ordentlich zum 30. Juni 2023 gekündigt und wurde zugleich unter Anrechnung des bestehenden Resturlaubs unwiderruflich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt. Der Arbeitnehmer erhob gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage und meldete sich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend. Der bisherige Arbeitgeber schickte dem Arbeitnehmer im Mai und Juni 2023, mithin während der unwiderruflichen Freistellung, zahlreiche Stellenangebote. Die Agentur für Arbeit genauso, allerdings ab Juli 2023. Der Arbeitnehmer bewarb sich erst Ende Juni auf sieben der vom bisherigen Arbeitgeber vorgeschlagenen Stellenangebote. Daraufhin stellte der Arbeitgeber die Zahlung der Vergütung an den freigestellten Arbeitnehmer für Juni 2023 ein.
Der Arbeitnehmer machte klageweise unter Berufung auf das zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Arbeitsverhältnis die Vergütung für Juni 2023 geltend. Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Sie verwies darauf, dass der Arbeitnehmer sich nach § 615 S.2 BGB den fiktiven anderweitigen Verdienst in Höhe des bisherigen Gehalts anrechnen lassen müsse. Er hätte sich auch während der Freistellung zeitnah bewerben müssen.
Arbeitsrechtlicher Hintergrund
Grundsätzlich steht einem Arbeitnehmer ein Beschäftigungsanspruch zu. Ein solcher besteht bspw. auch dann, wenn sich das Arbeitsverhältnis in einem durch den Arbeitgeber gekündigten Zustand befindet. Sofern der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse (u.a. Schutz von Geschäftsgeheimnissen, Schäden oder Störungen) hat, gestattet die Rechtsprechung eine Freistellung. Der Arbeitgeber befindet sich während der Zeit der Freistellung des Arbeitnehmers in Annahmeverzug und schuldet für diese Zeit die Zahlung der vereinbarten Vergütung gemäß §615 S.1 BGB i.V.m §611 a Abs.2 BGB. Gleichzeitig ist der Arbeitnehmer gemäß §615 S.2 BGB verpflichtet, sich anderweitige Einkünfte oder mögliche Verdienste anrechnen zu lassen, wenn er böswillig darauf verzichtet, eine neue Tätigkeit zu beginnen. Ein Arbeitnehmer handelt nach der Rechtsprechung des BAG dann böswillig, wenn er vorsätzlich untätig bleibt und bspw. die Aufnahme einer neuen Tätigkeit bewusst verhindert oder eine ihm nach Treu und Glauben zumutbare Tätigkeit nicht aufnimmt. Es bedarf entsprechend der Rechtsprechung stets einer Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls.
Entscheidung des BAG
Das BAG stellte mit Urteil vom 12. Februar 2025 klar: Der gekündigte und unwiderruflich freigestellte Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, sich noch während der Freistellung um eine neue Anstellung zu bemühen, um den Arbeitgeber finanziell zu entlasten.
Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers bleibt bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bestehen. Nicht erzielten anderweitigen verdienst muss sich der Arbeitnehmer nicht nach § 615 S.2 BGB anrechnen lassen. Der eintretende Nachteil durch die fiktive Anrechnung nicht erworbenen Verdienstes beim Arbeitnehmer sei nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer wider Treu und Glauben untätig geblieben ist. Allerdings ist eine Billigkeitsregelung in §615 S.2 BGB enthalten, so dass der Umfang der Pflichten des Arbeitnehmers denen des Arbeitgebers gegenübergestellt werden müssen. Im konkreten Fall hat der Arbeitgeber jedoch nicht dargelegt, dass ihm die Erfüllung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen ist. Dies berücksichtigend, kommt die Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass es keine Pflicht des Arbeitnehmers gibt, zu versuchen, den Arbeitgeber während der Kündigungsfrist finanziell zu entlasten. Dem Arbeitnehmer kann weder „Böswilligkeit“ noch ein Verstoß gegen „Treu und Glauben“ zur Last gelegt werden.
Praxisempfehlung
Die Rechtsprechung berücksichtigend sei angemerkt, dass Arbeitgeber künftig damit rechnen müssen, dass die Anrechnung böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs während einer Kündigungsfrist nur noch in Selten möglich sein wird. Dies muss bereits bei der Abwägung, ob ein Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist freigestellt werden soll, berücksichtigt werden. Es lohnt sich eine saubere und umfassende Prüfung.
Es wird darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags lediglich die Pressemitteilung vorliegt.
