Ein mittelständisches Produktionsunternehmen mit rund 30 Tochtergesellschaften bereitete sich frühzeitig auf die Einführung des neuen Rechnungslegungsstandards IFRS 18 – Darstellung und Angaben in der Finanzberichterstattung vor.
Ziel war es, die neue Struktur der Gewinn- und Verlustrechnung in den Abschlussprozessen zu verankern und die Finanz- und Management-Kommunikation auf die veränderten Offenlegungspflichten vorzubereiten.
(1) Analyse-Phase
Zu Beginn wurden die bestehenden Abschluss-Layouts, das konzernweite Reporting-Package und die zugrunde liegenden Kontenstrukturen analysiert. Im Fokus stand die Abgrenzung der neuen IFRS-18-Kategorien (Operativ, Investiv, Finanzierung). In Zusammenarbeit mit Finance, Controlling, Tax, Investor Relations und IT wurde ein detailliertes Mapping zwischen alter und neuer Struktur erarbeitet.
Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Überprüfung und Definition der Management Performance Measures (MPMs). Gemäß IFRS 18.117 sind MPMs ergebnisbezogene Kennzahlen, die
- nicht durch IFRS selbst definiert sind,
- vom Management genutzt werden, um die finanzielle Performance des gesamten Unternehmens zu beurteilen, und
- außerhalb des Abschlusses (z. B. in Analysten- oder Investorenkommunikation) berichtet werden.
Für das Unternehmen bedeutete dies:
- eine Inventarisierung sämtlicher interner und externer Kennzahlen,
- eine Kategorisierung, welche davon die MPM-Definition erfüllen, und
- die Entwicklung eines Dokumentations- und Governance-Prozesses, um sicherzustellen, dass alle künftig veröffentlichten MPMs
- klar definiert,
- konsistent berechnet und
- mit Überleitungen zu IFRS-Summen (z. B. Ergebnis vor Steuern) versehen sind.
(2) Designphase
Auf Grundlage der Analyse-Phase wurde ein neues GuV-Schema nach IFRS 18 entwickelt, das sowohl regulatorische Anforderungen als auch die interne Steuerungslogik abbildete.
Die Designphase umfasste zwei zentrale Schwerpunkte:
- die Entwicklung einer einheitlichen Konzernstruktur und Governance, sowie
- die Erstellung standardisierter Musterangaben für die Notes.
(2.1) Einheitliche Struktur und Governance
Ziel war es, die Grundlage für eine konsistente und prüfbare Anwendung von IFRS 18 im gesamten Konzern zu schaffen. Die wesentlichen Maßnahmen umfassten:
- Entwicklung eines konzernweiten Mappings.
- Anpassung und Vereinheitlichung der Reporting-Packages und Kontenrahmen, um eine einheitliche Zuordnung und Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
- Integration der Kategorie-Logiken in ERP- und Konsolidierungssysteme.
(2.2) Musterangaben für die Notes
Auf Basis der abgestimmten Struktur wurden Musterangaben für die erweiterten Notes entwickelt. Diese Musterangaben umfassten (auszugsweise):
a) Angaben zu den neuen Ergebnis-Kategorien
- Beschreibung der Abgrenzungskriterien für Operativ, Investiv und Finanzierung sowie Begründung einzelner Zuordnungen (z. B. Zinsaufwendungen aus Leasingverhältnissen).
- Überleitungstabellen zwischen alten und neuen Zwischensummen zur Sicherung der Vergleichbarkeit.
- Vergleichsinformationen mindestens für das Vorjahr nach neuer Struktur.
b) Angaben zu den Management Performance Measures (MPMs)
- Definition und Berechnungsmethode jeder MPM.
- Überleitung jeder MPM zu einer unmittelbar vergleichbaren IFRS-Zwischensumme.
- Offenlegung der Bereinigungseffekte („Reconciling Items“) und Begründung.
(3) System- und Prozessanpassung
Im Zuge der IFRS-18-Einführung musste das Unternehmen sein Konsolidierungs- sowie ERP-System überarbeiten. Das Mapping auf die neuen Ergebnis-Kategorien wurde integriert, und die Schnittstellen zwischen ERP, Konsolidierung, Steuer- und Management-Reporting neu definiert.
Auswirkungen auf Kennzahlen, Covenants und interne Steuerungsgrößen konnten auf Basis historischer Daten frühzeitig simuliert werden.
(4) Kommunikation, interne Abstimmungen
Regelmäßige Abstimmungsrunden auf Konzern- und Tochterebene stellten sicher, dass fachliche, systemische und prozessuale Fragen koordiniert gelöst wurden. Investor Relations entwickelte parallel eine Kommunikationsstrategie für Analysten, Banken und Rating-Agenturen, um den Übergang transparent zu gestalten.
(5) Go-Live
Mit der Hilfe von Finance, Controlling, Tax, Investor Relations und IT konnte das Projekt erfolgreich in den Pilotabschluss überführt werden. Durch die bereichsübergreifende Zusammenarbeit und klare Verantwortlichkeiten ist das Unternehmen optimal auf die verbindliche Anwendung ab 2027 vorbereitet.
Zentrale Erfolgsfaktoren und Learnings
- Systemintegration: ERP- und Konsolidierungssysteme mussten IFRS-18-fähig gemacht werden.
- Definition und Offenlegung der MPMs: Abstimmung zwischen Controlling, Finance, Tax und Investor Relations notwendig, um konsistente Kennzahlen sicherzustellen.
- Testläufe und Pilotabschlüsse: Historische Datenprobeläufe waren entscheidend, um die Auswirkungen auf Kennzahlen und Covenants zu verstehen. Über einen Pilotabschluss wurde die zeitgerechte Fertigstellung des Abschlusses simuliert.
Herausforderungen im Überblick
- Klassifizierung von Erträgen und Aufwendungen: Abgrenzung zwischen Operativ, Investiv und Finanzierung erforderte umfangreiche Analysen.
- Bereichsübergreifende Koordination: Unterschiedliche Datenquellen machten klare Governance-Strukturen erforderlich.
- Zeitlicher Dimension: Trotz Anwendungspflicht für Geschäftsjahre ab 2027 sind mehrere Abschlusszyklen für Test und Stabilisierung nötig. Insbesondere zu beachten ist die IFRS 18 Anwendung bereits zum 30.06.2027 bei verpflichtenden Zwischenabschlüssen gemäß IAS 34, mit der Vergleichsperiode 30.06.2026.
Fazit
Die Einführung von IFRS 18 ist weit mehr als eine formale Umstellung – sie ist ein interdisziplinäres Transformationsprojekt, das Corporate Governance, Finanzprozesse, Systeme und Kommunikation gleichermaßen betrifft.
Das Praxisbeispiel zeigt: Mit einer integrierten Analyse- und Designphase, klarer Governance, frühzeitigen Tests und regelmäßiger Kommunikation können Unternehmen nicht nur die regulatorischen Anforderungen erfüllen, sondern auch Transparenz, Vergleichbarkeit und Effizienz in ihrer Finanzberichterstattung nachhaltig verbessern.