Am 12.07.2022 hat das BMF den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der als "DAC 7"-Richtlinie bezeichneten Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.03.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (Amtshilferichtlinie) und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts veröffentlicht. Der Schwerpunkt in verfahrensrechtlicher Sicht liegt auf Änderungen zur Modernisierung der Außenprüfung, die insbesondere auch aus Verrechnungspreissicht von Bedeutung sind. Bei den Änderungen der Vorschriften zur Betriebsprüfung wurde auf den vor etwa drei Jahren angekündigten "großen Wurf" verzichtet. Statt von einer Revolution kann hier wohl eher nur von einer evolutiven Modernisierung gesprochen werden. Darüber hinaus erscheinen aus Sicht der Steuerpflichtigen die mit den Änderungen verbundenen Verschärfungen bzw. Nachteile einerseits, und die daraus resultierenden Vorteile andererseits nicht in einem ausgewogenen Verhältnis zu stehen.
Umsetzung der "DAC 7"-Richtlinie
Ziel dieses Gesetzentwurfs ist zum einen die Umsetzung der "DAC 7"-Richtlinie. Mit der sechsten Änderung der Amtshilferichtlinie wurden die rechtlichen Grundlagen, die der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit der Steuerbehörden der EU-Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern zugrunde liegen, weiterentwickelt. Die Anpassungen verfolgen den Zweck, die Kooperation der Behörden zu intensiveren und ihre Effizienz zu steigern.
Insoweit, als die Richtlinie das Ziel verfolgt, steuerliche Transparenz in der digitalen Plattformökonomie zu schaffen, wird mit dem Gesetzentwurf eine Verpflichtung für Betreiber digitaler Plattformen geschaffen, an das BZSt in systematischer Weise jährlich spezifische Informationen zu melden, die eine Identifizierung der auf den Plattformen aktiven Anbieter und die steuerliche Bewertung der von diesen durchgeführten Transaktionen ermöglichen. Um sicherzustellen, dass die zu meldenden Informationen verfügbar und von hinreichender Qualität sind, werden die Plattformbetreiber verpflichtet, sie unter Beachtung bestimmter Sorgfaltspflichten bei den Anbietern zu erheben. Zu den meldepflichtigen Anbietern zählen Personen und Unternehmen, die im Inland ansässig beziehungsweise steuerpflichtig sind, wie auch solche, die in anderen Mitgliedstaaten der Besteuerung unterliegen. Damit die anderen Mitgliedstaaten die für sie relevanten Informationen erhalten, sieht der Gesetzentwurf einen automatischen Informationsaustausch vor, den das BZSt mit den zuständigen Behörden des Auslands auf Grundlage der Amtshilferichtlinie durchführen soll. Der automatische Informationsaustausch stellt auch sicher, dass das BZSt im Gegenzug Informationen zu Anbietern erhält, die im Inland steuerpflichtig sind und von Plattformbetreibern an ausländische Steuerbehörden gemeldet worden sind. Damit die zuständigen Finanzbehörden der Länder das Besteuerungsverfahren durchführen können, regelt der Gesetzentwurf, dass das BZSt die aus dem In- und Ausland gemeldeten Angaben zu inländischen Anbietern an die Finanzbehörden weiterleitet.
Der Gesetzentwurf beinhaltet daneben Regelungen zur Verbesserung des automatischen Informationsaustauschs zu bestimmten Kategorien von Einkünften und Vermögen und zu steuerlichen Vorbescheiden (Art. 2 Nr. 6 Buchst. a und b des Entwurfs); zur Präzisierung der Voraussetzungen, unter denen sich die Mitgliedstaaten einander Amtshilfe leisten (Art. 2 Nr. 5 und 7 des Entwurfs); zur Beschleunigung von Verfahren der Amtshilfe (Art. 2 Nr. 4 und 8 des Entwurfs); zur effizienteren Nutzung ausgetauschter Informationen (Art. 2 Nr. 9 des Entwurfs) und zur Stärkung des Schutzes der von dem Informationsaustausch betroffenen Personen und ihrer Daten (Art. 2 Nr. 10 des Entwurfs).
Modernisierung des Steuerverfahrensrechts einschließlich der Außenprüfung
Zum anderen sollen mit dem Gesetzentwurf die steuerverfahrensrechtlichen Bestimmungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Durchführung von Außenprüfungen, punktuell modernisiert werden. Obwohl mit der Einführung von § 4a BpO bereits im Jahr 2011 erste Schritte zur Verfahrensbeschleunigung erfolgten, sei hierdurch noch keine wesentliche und bundeseinheitliche Beschleunigung erreicht worden.
Vor diesem Hintergrund sollen die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen der Außenprüfung reformiert werden. Letztlich sollen Außenprüfungen künftig früher begonnen und abgeschlossen werden. Im Vordergrund stehe dabei die Kooperation zwischen Finanzverwaltung und Unternehmen. Außenprüfer und Steuerpflichtige werden gleichermaßen in die Pflicht genommen. Während für die Steuerpflichtigen insbesondere erweiterte Mitwirkungspflichten vorgesehen sind, sollen die Außenprüfer beispielsweise Prüfungsschwerpunkte benennen (§ 197 Abs. 4 AO-E) sowie Zwischengespräche (§ 199 Abs. 2 Satz 2 AO-E) führen. Die Nennung von Prüfungsschwerpunkten stellt dabei allerdings keine Einschränkung der Außenprüfung auf bestimmte Sachverhalte im Sinne des § 194 AO dar. Auch können im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen Rahmenbedingungen für die Mitwirkung nach § 200 AO festgelegt werden, bei deren Einhaltung das neu eingeführte qualifizierte Mitwirkungsverlangen nach § 200a AO-E (siehe dazu unten) unterbleibt (§ 199 Abs. 2 Satz 3 AO-E). Durch die neuen Mitwirkungspflichten soll zudem gewährleistet werden, dass dem verfassungsrechtlichen Verifikationsgebot weiter Rechnung getragen werden kann.
Daraus ergeben sich einige (zum Teil verschärfende) Aspekte, die insbesondere auch aus Verrechnungspreissicht von Bedeutung sind: Eine relevante Reformbestrebung widmet sich den Regelungen zur Verrechnungspreisdokumentation. § 90 AO-E soll in Abs. 3 verschärft werden und durch die Ergänzung der Absätze 4 und 5 eine neue Struktur erhalten und übersichtlicher werden.
Aktuell soll die Finanzbehörde gem. § 90 Abs. 3 Satz 5 AO die Vorlage von Aufzeichnungen im Regelfall nur für die Durchführung der Außenprüfung verlangen. In begründeten Einzelfällen ist dies derzeit auch außerhalb von Außenprüfungen möglich. Nach § 90 Abs. 4 AO-E soll die Finanzbehörde nunmehr jederzeit eine Vorlage der Aufzeichnungen nach Abs. 3, und damit sowohl von Local File als auch Master File, verlangen können. Im Fall einer Außenprüfung sollen Aufzeichnungen zukünftig ohne eine gesonderte Anforderung innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorgelegt werden, wobei die Vorlagefrist in begründeten Einzelfällen verlängert werden kann. Das ist insofern eine Verschärfung des Regelwerks, als eine solche Vorlage aktuell erst nach Anforderung geboten ist. Ferner gilt für Aufzeichnungen über gewöhnliche Geschäftsvorfälle derzeit eine Vorlagefrist von 60 Tagen sowie über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle eine Vorlagefrist von 30 Tagen.
Aktuell soll die Anforderung von Aufzeichnungen gem. § 2 Abs. 6 GAufzV die Geschäftsbereiche und die Geschäftsbeziehungen bezeichnen. In der Anforderung sollen auch die Art und der Umfang der angeforderten Aufzeichnungen inhaltlich hinreichend bestimmt werden. Es soll also nicht "die Verrechnungspreisdokumentation" angefordert werden, sondern nur die für die konkrete Außenprüfung relevanten Aufzeichnungen. Da sich § 90 Abs. 4 AO-E auf Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 AO-E bezieht, wäre es gemäß Wortlaut des Referentenentwurfs nötig, im Fall einer Außenprüfung ohne gesondertes Verlangen vollumfänglich sowohl Local File als auch Master File vorzulegen. Laut Gesetzesbegründung sollen die Reformen der Beschleunigung der Außenprüfung dienen. So spreche für die Verkürzung der Vorlagefrist, dass die Steuerpflichtigen diese nun sicher im Rahmen jeder Außenprüfung vorlegen müssen, weshalb davon auszugehen sei, dass sie regelmäßig bereits laufend entsprechende Dokumentationen vorbereiten und entsprechend auch weniger Zeit zur Fertigstellung der Aufzeichnungen benötigen.
In § 162 Abs. 4 AO-E wird gemäß Gesetzesbegründung eine Differenzierung hinsichtlich des Zeitpunkts eingeführt, in welchem Zuschläge festzusetzen sind: Werden keine Aufzeichnungen vorgelegt oder sind die vorgelegten Aufzeichnungen unverwertbar, ist der Zuschlag regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen ist der Zuschlag hingegen bereits nach der Fristüberschreitung festzusetzen. Zudem soll er neuerdings auch für volle Wochen und Monate in Teilbeträgen festgesetzt werden können.
Auch durch die Neufassung von § 171 Abs. 4 AO-E soll die Durchführung und der Abschluss von Außenprüfungen wesentlich beschleunigt werden. Eine neue zeitliche Grenze von grundsätzlich fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde, wird für die Ablaufhemmung geregelt. Nach § 180 Abs. 1a AO-E besteht die Möglichkeit von Teilabschlussbescheiden für abgrenzbare und abschließend geprüfte Besteuerungsgrundlagen bereits während der Außenprüfung. Diese Teilabschlussbescheide ergehen auf Antrag des Steuerpflichtigen, wenn daran ein erhebliches Interesse besteht und dies vom Steuerpflichtigen glaubhaft gemacht wird. Laut § 181 Abs. 1 AO-E ist in diesen Fällen keine Erklärung zur gesonderten Feststellung abzugeben. Vor Erlass eines Teilabschlussbescheids ergeht ein schriftlicher oder elektronischer Teilprüfungsbericht (§ 202 Abs. 3 AO-E). Bereits nach Erlass eines Teilabschlussbescheids kann eine verbindliche Zusage für die künftige Behandlung des geprüften Sachverhalts erteilt werden (§ 204 Abs. 3 AO-E).
Neu eingeführt werden soll in § 200a AO-E ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen. Es handelt sich dabei um einen vollstreckbaren Verwaltungsakt mit besonderen Rechtsfolgen für den Fall der Nichterfüllung. Im Rahmen des qualifizierten Mitwirkungsverlangens soll der Steuerpflichtige zur Mitwirkung nach § 200 Abs. 1 AO, der Mitwirkungspflicht im Rahmen von Außenprüfungen, aufgefordert werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen ist grundsätzlich innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen (§ 200a Abs. 1 AO-E). Kommt der Steuerpflichtige diesem qualifizierten Mitwirkungsverlangen nicht oder nicht vollständig fristgemäß nach, ist gemäß § 200a Abs. 2 AO-E grundsätzlich ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festzusetzen. Dieses soll für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung € 100 betragen, insgesamt jedoch für höchstens 100 Kalendertage. Wurde wegen einer Mitwirkungsverzögerung ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt, ist eine Verlängerung der in § 174 Abs. 4 Satz 2 AO-E geregelten Ablaufhemmung vorgesehen. Nach Ermessen der Finanzbehörde kann gemäß § 200a Abs. 2 AO-E ein Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt werden, welcher höchstens € 10.000 für jeden vollen Kalendertag der Mitwirkungsverzögerung beträgt und für höchstens 100 Kalendertage festzusetzen ist, sofern ein Wiederholungsfall vorliegt und zu befürchten ist, dass das Mitwirkungsverlangen ohne Zuschlag nicht erfüllt wird. Gleiches gilt, wenn ohne Wiederholungsfall zu befürchten ist, dass der Steuerpflichtige aufgrund seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ohne Zuschlag seiner Mitwirkungsverpflichtung nicht nachkommt. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn die Umsatzerlöse des Steuerpflichtigen in einem der von der Außenprüfung umfassten Kalenderjahre mindestens € 12 Mio. betragen haben oder der Steuerpflichtige einem Konzern angehört, dessen im Konzernabschluss ausgewiesene konsolidierte Umsatzerlöse in einem der von der Außenprüfung umfassten Kalenderjahre mindestens € 120 Mio. betragen haben. § 200 AO tritt im Rahmen der Außenprüfung neben § 90 AO und ergänzt und erweitert die bereits bestehenden Mitwirkungspflichten für die Außenprüfung. Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO, bestimmt sich die Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde nach § 162 AO und die Erhebung von Zuschlägen nach § 162 Abs. 3 und 4 AO. Verletzt der Steuerpflichtige weitere Pflichten nach § 200 AO und liegt ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen nach § 200a AO-E vor, bestimmt sich die Schätzungsbefugnis ebenfalls nach § 162 AO. Neu sind hingegen die Erhebung des Mitwirkungsverzögerungsgelds und des Zuschlags zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a AO.
Zur Beschleunigung der Außenprüfung sollen darüber hinaus die Mitwirkungspflichten in § 153 AO dahingehend erweitert werden, dass Steuerpflichtige Korrekturen mit Auswirkungen auf andere Besteuerungsgrundlagen, die sich aus bestandskräftigen Bescheiden in Folge einer Außenprüfung ergeben, selbst vorzunehmen haben (§ 153 Abs. 4 AO-E).
Darüber hinaus soll die Möglichkeit geschaffen werden, Verhandlungen und Besprechungen auch durch Übertragung in Bild und Ton durchzuführen (§ 87a Abs. 1a AO-E). Eine Schlussbesprechung soll mit Zustimmung des Steuerpflichtigen auch fernmündlich durchgeführt werden können (§ 201 Abs. 1 Satz 3 AO-E).
Gemäß § 37 EGAO-E sollen die dargestellten verfahrensrechtlichen Änderungen im Wesentlichen erstmals für Besteuerungszeiträume anzuwenden sein, welche nach dem 31.12.2024 beginnen, bzw. die Änderungen an § 171 Abs. 4 AO-E erstmals für Steuern und Steuervergütungen gelten, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Der Finanzverwaltung soll damit eine Umstellung der Außenprüfung hin zu einer zeitnäheren Prüfung ermöglicht werden. Im Ergebnis wird es daher noch ein paar Jahre dauern, bis die neuen Regelungen in Betriebsprüfungen zur Anwendung kommen. Einzelne Änderungen, wie die Regelungen zur Festlegung von Prüfungsschwerpunkten (§ 197 Abs. 3 und 4 AO-E) oder auch die Änderungen in § 162 AO-E, sollen bereits mit dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes am 01.01.2023 Anwendung finden. Dies gilt auch für die allgemeinen Erweiterungen in Bezug auf die Übertragung in Bild und Ton sowie die fernmündliche Schlussbesprechung (§§ 87a Abs. 1a und 201 Abs. 1 Satz 3 AO-E).
Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf auch Änderungen mit Bezug zu Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten. So sollen insbesondere die Möglichkeiten zur Verlagerung der Buchführung ins Ausland erweitert werden (§ 146 Abs. 2a und 2b AO-E). Außerdem strebt die Finanzverwaltung die Einführung von Datenstandards an, um diese standardisierten Datensätze schneller in die Prüfsoftware der Finanzverwaltung einlesen zu können. Es handelt sich dabei um den erneuten Versuch des Gesetzgebers (nach dem Jahressteuergesetz 2020), mit § 147b AO-E den Weg für ein "deutsches SAF-T" freizumachen und damit den Datenzugriff im Rahmen der Außenprüfung (weiter) zu standardisieren. Verschärfungen sind bei der Richtigkeitsvermutung der Buchführung vorgesehen, wenn die Aufzeichnungen entgegen den Vorgaben der Finanzverwaltung (u.a. zu § 147b AO-E) nicht über eine digitale Schnittstelle zur Verfügung gestellt werden (§ 158 Abs. 2 Satz 2 AO-E). Auch insoweit gilt die allgemeine Regelung zur geplanten Anwendung ab dem 01.01.2023.