- Reform-Neustart: Nach dem Scheitern 2024 liegt seit September 2025 ein neuer Regierungsentwurf vor
- Kundenanlage gestrichen: Abgrenzung künftig nur nach „Netz der allgemeinen Versorgung“ und „Ort der Erzeugung“
- Entfristung der Stromsteuerbegünstigung für das Produzierende Gewerbe
- Neuordnung der Steuerentlastungen für die Stromerzeugung
- Wegfall der virtuellen Anlagenverklammerung
- Alternative Kraftstoffe: Erweiterung der Steuerbefreiung für die Schifffahrt u. a. für Wasserstoff, Ammoniak, Methanol und Biodiesel-Mischungen
- E-Mobilität & Speicher: Klare Regeln für Ladepunkte, bidirektionales Laden und ortsfeste Speicher
Im Herbst 2024 war die Reform des Energie- und Stromsteuerrechts bereits greifbar nahe. Der Bundestag hätte am 18. Oktober 2024 in 2./3. Lesung über den Entwurf eines „Gesetzes zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht“ abstimmen sollen. Doch wegen der festgestellten Beschlussunfähigkeit kam es nicht mehr zu einer Abstimmung. Wenige Wochen später, am 7. November 2024, verhinderte der Bruch der Regierungskoalition einen neuen Beschluss. Mit den darauffolgenden Neuwahlen verfiel der gesamte Entwurf der Diskontinuität.
Nun geht es jedoch weiter: Die Bundesregierung brachte im Juli 2025 einen neuen Referentenentwurf für ein „Drittes Gesetz zur Änderung des Energie- und des Stromsteuergesetzes“ auf den Weg. Am 3. September 2025 folgte der Regierungsentwurf, der inzwischen als Bundesratsdrucksache 427/25 vorliegt. Damit ist der Gesetzgebungsprozess neu gestartet – und umfasst eine Mischung aus vertrauten Inhalten der gescheiterten Novelle und neuen Elementen, die auf aktuelle Entwicklungen reagieren.
Zentrale Änderungen im Regierungsentwurf 2025
Abschied vom Begriff „Kundenanlage“
Eine der bedeutendsten Änderungen betrifft die Definition der Stromlieferungen außerhalb des öffentlichen Netzes. Bislang galt: Lieferungen innerhalb einer sogenannten „Kundenanlage“ führten nicht automatisch zum Versorgerstatus. Der Begriff war jedoch aus dem Energiewirtschaftsgesetz (§ 3 Nr. 24a/b EnWG) entlehnt und in der Praxis äußerst streitanfällig. Insbesondere die jüngere Rechtsprechung von EuGH und BGH hat gezeigt, dass die Anwendung des Begriffs erhebliche Rechtsunsicherheiten mit sich brachte. Der EuGH hatte Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit der Sonderregelung geäußert, während der BGH die Anforderungen an die Einordnung als Kundenanlage deutlich enger fasste.
Der neue Regierungsentwurf verzichtet nun vollständig auf den Begriff „Kundenanlage“. Stattdessen knüpft er an die bereits etablierten stromsteuerrechtlichen Begriffe „Netz der allgemeinen Versorgung“ und „Ort der Erzeugung“ an. Stromlieferungen gelten künftig nicht als Versorgungsleistungen, wenn sie ohne Nutzung des allgemeinen Netzes direkt am Erzeugungsort an Letztverbraucher abgegeben werden. Damit soll Rechtsklarheit geschaffen und die Vielzahl von Abgrenzungsfragen reduziert werden, die zuletzt auch die Gerichte beschäftigt haben. Besonders für Betreiber dezentraler Versorgungskonzepte – etwa Quartierslösungen oder industrielle Eigenstrommodelle – bringt diese Änderung Planungssicherheit.
Neue Steuerbefreiungen für alternative Kraftstoffe
Die Reform sieht außerdem die Einführung von Steuerbefreiungen für bestimmte alternative Kraftstoffe im Bereich der Schifffahrt vor. Dazu zählen insbesondere Wasserstoff, Ammoniak, Methanol und bestimmte Biodiesel-Mischungen. Ziel ist es, klimafreundlichere Kraftstoffe steuerlich zu begünstigen und so die Dekarbonisierung des Schiffsverkehrs zu fördern. Für andere Einsatzbereiche sind aktuell keine vergleichbaren Steuerbefreiungen vorgesehen.
Dauerhafte Stromsteuerbegünstigung für das produzierende Gewerbe (§ 9b StromStG)
Der Entlastungssatz in § 9b Abs. 2 Satz 1 StromStG wird künftig unbefristet auf 20,00 €/MWh festgelegt. Zugleich wird der bisherige Absatz 2a, der eine zeitliche Befristung der erhöhten Entlastung vorsah, aufgehoben. Bei einer derzeitigen steuerlichen Belastung von Strom mit 20,50 €/MWh reduziert sich die effektive Steuerbelastung damit dauerhaft auf den europarechtlich zulässigen Mindeststeuersatz von 0,50 €/MWh nach der Energiesteuerrichtlinie (RL 2003/96/EG).
Hintergrund dieser Änderung ist die bereits im Jahr 2023 beschlossene befristete Anhebung der Steuerentlastung nach § 9b StromStG von ursprünglich 15,00 €/MWh auf 20,00 €/MWh, um die Wettbewerbsfähigkeit stromintensiver Unternehmen zu stärken und kurzfristig für Entlastung bei den Energiekosten zu sorgen. Angesichts der weiterhin hohen Energiepreise und der energiepolitischen Zielsetzung, die industrielle Wertschöpfung in Deutschland zu sichern, wird diese Maßnahme nun entfristet. Damit erhalten Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe sowie der Land- und Forstwirtschaft langfristige Planungs- und Investitionssicherheit.
Wegfall der virtuellen Anlagenverklammerung
Auch die Definition von Stromerzeugungsanlagen wird neu gefasst. Künftig gelten nur noch Stromerzeugungseinheiten desselben Betreibers an einem Standort als eine Anlage. Die bisherige virtuelle Anlagenverklammerung über mehrere Standorte aufgrund gemeinsamer Fernsteuerbarkeit entfällt. Damit wird verhindert, dass Steuerbefreiungen durch eine fiktive Zusammenfassung ausgeschlossen werden. Der räumliche Zusammenhang wird klar auf einen Radius von bis zu 4,5 km um die Erzeugungseinheit begrenzt. Diese Präzisierung stärkt die Rechtssicherheit und erleichtert die Nutzung steuerlicher Privilegien insbesondere für Betreiber dezentraler Anlagen.
Neuordnung der Steuerentlastungen für die Stromerzeugung
Die Steuerentlastung für Energieerzeugnisse zur Stromerzeugung nach § 53 EnergieStG wird neu gefasst. Künftig ist ausdrücklich vorgesehen, dass insbesondere der Einsatz von Erdgas steuerlich entlastet werden kann, auch wenn der aus diesem Erdgas erzeugte Strom zugleich steuerfrei nach § 9 Abs. 1 Nr. 1–3 StromStG gestellt wird. Damit wird klargestellt, dass die Steuerbefreiungen für Strom zur Stromerzeugung sowie für Strom aus erneuerbaren Energieträgern sowie aus hocheffizienten KWK-Anlagen parallel zur Entlastung des eingesetzten Erdgases in Anspruch genommen werden können. Die bisherige Unsicherheit über eine unzulässige „Doppelförderung“ entfällt somit.
Der § 53a EnergieStG ist künftig nur noch subsidiär anzuwenden und erfasst Konstellationen, in denen KWK-Anlagen betrieben werden, die keinen Strom erzeugen. Damit wird das Zusammenspiel der Entlastungstatbestände systematisch klarer strukturiert.
Aus beihilferechtlicher Sicht ist diese Neuregelung bedeutsam: Die parallele Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen und -entlastungen war bislang mit Blick auf die unionsrechtlichen Beihilfevorschriften umstritten. Durch die gesetzliche Klarstellung wird nun eine eindeutige Rechtsgrundlage geschaffen, die auch gegenüber der EU-Kommission Bestand haben soll und den Unternehmen größere Planungssicherheit gibt.
Antragstellung als Unternehmen in Schwierigkeiten
Ergänzend wird festgelegt, dass Entlastungsanträge auch dann gestellt werden können, wenn beihilferechtliche Ausschlussgründe wie eine offene Rückforderungsanordnung oder die Einstufung als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ vorliegen. Die endgültige Gewährung erfolgt aber erst nach deren Klärung. Zudem wird der Nachweis neu geregelt:
Vereinfachungen für eingeschränkte Versorger
Für eingeschränkte Versorger sieht der Entwurf spürbare Entlastungen vor. Steuerfreie Strommengen müssen künftig nur noch auf Verlangen angemeldet werden. Zudem sind begünstigte Mengen nach § 9 StromStG in den Rechnungen getrennt auszuweisen, wenn die Abgabe 10 MWh pro Jahr übersteigt. Damit wird der bürokratische Aufwand reduziert.
Neue Pflichten für Strom- und Erdgaslieferanten
Auf der anderen Seite enthält die Reform neue Mitteilungspflichten für größere Versorger. Strom- und Erdgaslieferanten müssen ihr Hauptzollamt künftig bis zum 15. August informieren, wenn ihre tatsächliche Jahressteuerschuld die Vorauszahlung um mehr als 20 % und zusätzlich mehr als 100.000 Euro übersteigt. Damit wird die ursprünglich geplante monatliche Meldepflicht entschärft, gleichwohl bleiben Anpassungen der Vorauszahlungen verpflichtend.
Zusätzlich wird die Pflicht eingeführt, spezielle Steuerkonten für Strom und Erdgas im Hauptbuch zu führen. In diesen Konten müssen sämtliche steuerrelevanten Geschäftsvorfälle nachvollziehbar dokumentiert werden. Zum Jahresende ist ein Buchungsstopp erforderlich, um die Vorgänge sauber abzugrenzen. Für den Eigenverbrauch von Strom und Erdgas sind Eigenbelege zu erstellen. Damit wird die steuerliche Nachvollziehbarkeit deutlich gestärkt.
Quotale Zuordnung
Steuerfreie oder entlastete Strommengen dürfen nach dem neuen § 11a StromStV bilanziell einer Entnahmestelle zugeordnet werden, wenn eine physikalische Abgrenzung nicht möglich ist. Grundsätzlich erfolgt diese Zuordnung quotenbasiert entsprechend dem Verhältnis der entnommenen Gesamtmengen. Soweit jedoch mess- und eichrechtskonforme Messeinrichtungen vorhanden sind, können die Strommengen auch abweichend frei einer Entnahmestelle zugeordnet werden.
Weitere wichtige Neuerungen
Der Entwurf enthält eine Reihe weiterer Änderungen:
- Die Steuerentlastung nach § 60 EnergieStG bei Zahlungsunfähigkeit von Warenempfängern sollte nach dem Referentenentwurf vom 05.08.2025 unionsrechtskonform entfallen. Nach dem Regierungsentwurf vom 05.09.2025 soll die Begünstigung unverändert fortgeführt werden.
- Unternehmen können künftig freiwillig auf Steuerbefreiungen nach § 9 StromStG verzichten, indem sie zum Regelsteuersatz versteuern.
- Die Abgabe von steuerfreiem Strom nach § 9 Abs. 1 Nr. 3b StromStG an Letztverbraucher im räumlichen Zusammenhang bedarf künftig keiner zollamtlichen Erlaubnis mehr. Damit entfällt eine bislang bestehende Hürde, während die Nachweis- und Dokumentationspflichten bestehen bleiben.
- Ausweitung der Regelungen zum zertifizierten Empfänger/Versender und zur Beförderung mit vereinfachtem elektronischen Verwaltungsdokument auf Kohle und LNG.
Bereits zum 1. Januar 2025 in Kraft getretene Änderungen
Unabhängig vom aktuellen Gesetzentwurf wurden bereits Anfang 2025 durch die Vierte Änderungsverordnung zur Energiesteuer- und Stromsteuer-Durchführungsverordnung wesentliche Reformen umgesetzt. Dazu gehören die verpflichtende elektronische Antragstellung für Steuerentlastungen nach § 9b StromStG und § 54 EnergieStG, der Wegfall der Vorlagepflicht für die Beschreibung wirtschaftlicher Tätigkeiten sowie die Anpassung der Fristen für Entlastungsanträge an die allgemeine Festsetzungsfrist. Diese Maßnahmen gelten seit dem 1. Januar 2025 und sind bereits in der Praxis umzusetzen.
Handlungsempfehlung
Mit dem Regierungsentwurf vom September 2025 nimmt die Reform des Energie- und Stromsteuerrechts nach dem Scheitern im Vorjahr wieder Fahrt auf. Die Streichung des Begriffs „Kundenanlage“, die Einführung steuerlicher Vorteile für alternative Kraftstoffe und die Klarstellungen zu Ladepunkten und Speichern markieren deutliche Fortschritte. Gleichzeitig wächst der Druck auf Unternehmen, ihre Compliance-Strukturen anzupassen. Unternehmen sollten die weiteren Gesetzgebungsverhandlungen aufmerksam verfolgen und sich frühzeitig auf die zum 1. Januar 2026 geplanten Änderungen einstellen.