Aufgrund des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche restriktive Maßnahmen gegen die Russische Föderation und Belarus erlassen, zuletzt das elfte Sanktionspaket. Die aktuellsten Entwicklungen haben wir Ihnen im Folgenden aus exportkontrollrechtlicher Sicht zusammengefasst.
1. Was ist jetzt zu beachten und zu tun?
2. Übersicht: Relevante Embargoverordnungen
3. Zusammenfassung - elftes Sanktionspaket - Auswahl relevanter Sanktionen gegen Russland
4. Restriktive Maßnahmen gegen Russland
5. Restriktive Maßnahmen gegen Belarus
Die Maßnahmen und Sanktionslisten können sich in der aktuellen Situation jederzeit - auch kurzfristig - ändern. Daher empfehlen wir in jedem Fall bereits bei Geschäfts-anbahnung und letztmalig vor unmittelbarem Versand der Ware eine sorgfältige Prüfung des Sachverhalts, insbesondere der Sanktionslisten in Bezug auf beteiligte Endkunden und Banken sowie der einschlägigen Embargoverordnungen.
Die Risiken von Geschäften mit oder Lieferungen an russische/belarussische Personen oder Unternehmen sind vielfältig.
Neben der juristisch anspruchsvollen Prüfung der einzelnen exportkontrollrechtlichen Embargoverordnungen und Sanktionsvorschriften besteht zusätzlich ein hohes strafrechtliches und wirtschaftliches Risiko bei Geschäften mit Russland und Belarus. Das gilt z.B. in folgenden Fällen:
- Der Kunde oder beteiligte Banken werden auf Sanktionslisten geführt.
- Ein militärischer Endverwendungszweck kann nicht ausgeschlossen bzw. dessen Fehlen nicht dokumentiert werden (wann benötige ich eine Endverbleibserklärung und reicht diese?).
- Wie gehe ich mit Kunden um, die dem russischen/belarussischen Staat direkt zugeordnet werden können oder an denen der Staat mehrheitlich beteiligt ist?
- Zahlungen vom Kunden sind bereits erfolgt, die Ware darf aber aus rechtlichen Gründen nicht geliefert werden (Rückzahlungsproblematik).
- Es bestehen Probleme bei der juristischen Auslegung der Rechtstexte.
Daneben gibt es rein praktische Hürden, z.B. werden an der Grenze zu Russland/Belarus die Waren nicht von den EU-Zollbehörden freigegeben, weil exportkontrollrechtliche Dokumente fehlen oder es findet sich kein Spediteur, der die Ware in die beiden Länder (weiter-) transportiert, weil sich während des Transportes die Sanktionsvorschriften geändert haben.
Eine für alle Fälle gültige und konkrete Handlungsempfehlung ist daher an dieser Stelle, auch aufgrund der ständigen Rechtsänderungen, nicht möglich. Jeder Sachverhalt muss individuell gewürdigt werden.
Folgende generelle Anregungen für eine geschäftliche Tätigkeit und den Umgang mit der gegenwärtigen Lage können wir Ihnen geben:
- Aufgrund der Unsicherheit und der sich stets und jeden Tag ändernden Lage im Bereich der Sanktionen raten wir zu äußerster Vorsicht und Zurückhaltung bei Geschäften mit Bezug zu Russland, Belarus und den von Russland besetzten Gebieten auf dem Territorium der Ukraine.
- Zunächst gilt unsere Empfehlung, keine Geschäfte oder Arbeitsschritte zu unter-nehmen, welche vorher nicht anhand der entsprechenden Verordnungen und Sanktionslisten auf ihre rechtliche Zulässigkeit geprüft und als unkritisch erkannt wurden. Beispielsweise sollten spätestens vor der endgültigen Versendung von Waren zwingend die Sanktionslisten und Embargoverordnungen noch einmal geprüft werden.
- Im Moment besteht ein hohes finanzielles Risiko für Geschäfte mit Russland und Belarus. Aufgrund der Sanktionierung russischer Banken und dem Bereitstellungsverbot von finanziellen Mitteln verstößt es möglicherweise auch gegen geltendes Recht, Zahlungen für bereits gelieferte Waren zu tätigen. Daher sollten Sie den Finanzbereich Ihres Unternehmens in die Entscheidung mit einbeziehen.
- Weiterhin empfehlen wir, dass Sie für sämtliche Geschäfte (nicht nur für die Lieferung von Dual-Use-Gütern) mit russischen oder belarussischen Geschäftspartnern von diesen vor Lieferung eine Endverbleibserklärung unterzeichnen lassen.
- Verordnung (EG) Nr. 765/2006: "Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Belarus und der Beteiligung von Belarus an der Aggression Russlands gegen die Ukraine"
- Verordnung (EU) Nr. 269/2014: "Restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen"
- Verordnung (EU) Nr. 692/2014: "Beschränkungen für die Einfuhr von Waren mit Ursprung auf der Krim oder in Sewastopol in die Union als Reaktion auf die rechtswidrige Eingliederung der Krim und Sewastopols durch Annexion"
- Verordnung (EU) Nr. 833/2014: "Restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren"
- Verordnung (EU) Nr. 2022/263: "Restriktive Maßnahmen als Reaktion auf die illegale Anerkennung, Besetzung oder Annexion bestimmter nicht von der Regierung kontrollierter ukrainischer Gebiete durch die Russische Föderation"
- Erweiterung der Sanktionslisten um natürliche Personen, juristische Personen und Organisationen
- Ausweitung des Bereitstellungsverbots auf Lizenzen, Geschäftsgeheimnisse und geistiges Eigentum in Zusammenhang mit den sanktionierten Waren
- Ausweitung des Durchfuhrverbots auf Waren der Anhänge VII, XI und XX
- Ausweitung des Ausfuhrverbots für Feuerwaffen durch Ergänzung des neuen Anhangs XXXV
- Austausch und Koordination zwischen den Behörden der Mitgliedsstaaten in Bezug auf Ausnahmegenehmigungen um ein sogenanntes "Forum-Shopping" zu vermeiden
- Erweiterung des Zugangsverbots zu EU-Häfen und EU-Schleusen auf alle Schiffe,
- wenn die zuständige Behörde vernünftigen Grund zur Annahme hat, dass das Schiff Umladungen vorgenommen hat, die gegen das Ein- und Ausfuhrverbot von russischem Rohöl und russischen Erdölerzeugnissen verstoßen
- wenn die zuständige Behörde vernünftigen Grund zur Annahme hat, dass sie während der Fahrt ihr automatisches Schiffsidentifizierungssystem illegal stören, abschalten oder auf andere Weise deaktivieren, um Verbote in Bezug auf das Importverbot von russischem Rohöl und russische Erdölerzeugnisse zu umgehen
- Zusammenfassung der Ausfuhrverbote der Artikel 3i und 3j
- Gegenfalls Informationspflichten gegenüber den zuständigen Aufnahme einer Nachweispflicht für Einführer über das Ursprungsland von Eisen- und Stahlprodukten des Anhang XVII
- Bereitstellungsverbot für Waren des Anhang XXXIII für Empfänger in bestimmten Ländern (derzeit noch unklar welche Waren und Länder betroffen sind)
- Änderung der Anhänge IV, VII, VIII, XV, XVII, XVIII, XXI, XXII, XXIII und XXIX der Verordnung (EU) Nr. 833/2014
Die Namensliste des Anhangs I wird mit jedem neuen Sanktionspaket erweitert. Die Vermögen der genannten Personen und Organisationen in der Europäischen Union werden durch die Listung eingefroren und es herrscht ein Bereitstellungsverbot von finanziellen Mitteln.
Weiterhin ist die Ausfuhr der im Folgenden genannten Güter nach Russland oder zur Verwendung in Russland grundsätzlich verboten. Dies schließt die technische Hilfe, Vermittlungsdienste, Finanzhilfen sowie Neu1: Lizenzen, Geschäftsgeheimnisse und geistiges Eigentum im Zusammenhang mit solchen Gütern, ein:
- Dual-Use-Güter, Art. 2
- Güter aus den Bereichen Elektronik, Computer, Telekommunikation, Informationssicherheit, Sensoren und Laser, Navigation und Luftfahrtelektronik, Marine, Luft- und Raumfahrt, Antriebe, Art. 2a (Anhang VII)
- Güter der Ölraffinerie, Art. 3b (Anhang X)
- Güter der Luft- und Raumfahrt (Anhang XI) und Flugturbinenkraftstoffe (Anhang XX), Art. 3c
- Güter und Technologien der Seeschifffahrt, Art. 3f (Anhang XVI)
- Eisen- und Stahlerzeugnisse, Art 3g (Anhang XVII)
- Luxusgüter, Art 3h (Anhang XVIII)
- Güter, welche zur Stärkung der industriellen Kapazitäten Russlands beitragen, Art. 3k (Anhang XXIII)
- Feuerwaffen, Munition und Teile davon, Art. 6aa, (Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 258/2012 (Verordnung zur Ausfuhr, Einfuhr und Durchfuhr von Feuerwaffen, Munition und Teilen davon) und Neu: Anhang XXXV)
Die Durchfuhr durch Russland ist für folgende Güter verboten:
- Dual-Use Güter
- Feuerwaffen, Munition und Teile davon
- Neu: Waren der Anhänge VII, XI und XX
Die Einfuhr aus Russland ist für die folgenden Güter und damit verbundene technische Hilfen, Vermittlungsdienste oder Finanzhilfen verboten:
- Güter, welche Russland erhebliche Einnahmen bringen, Art. 3i (Anhang XXI)
- Neu: Zusammenfassung der Einfuhrverbote der Artikel 3i und 3j im Artikel 3i
- Rohöl- und Erdölerzeugnisse, Art. 3m (Anhänge XXV, XXXI und XXXII)
- Gold und andere Erzeugnisse, Art. 3o (Anhänge XXVI und XXVII)
Neu: Für alle Einfuhren von Eisen- und Stahlerzeugnissen des Anhang XVII wurde eine Nachweispflicht eingeführt, bei der das Ursprungsland der Waren belegt werden muss (siehe Verordnung (EU) 2023/1214 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014).
Folgende Verbote gelten weiterhin:
- Speicherung von russischem Flüssiggas, sofern es nicht notwendig ist, um die kritische Energieversorgung der Union sicherzustellen (Verordnung (EU) 2023/427 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014).
- Zugangsverbot und Durchfuhrverbot durch die EU für alle russischen Luftfahrtunternehmen, Schiffe, welche unter russischer Flagge registriert sind und alle Kraftverkehrsunternehmen zum europäischen Luftraum, den europäischen Flughäfen, Häfen und Schleusen (Verordnung (EU) 2022/334 und 2022/576 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014).
- Meldepflicht für Nichtlinienflüge aus der Union nach Russland (direkt oder indirekt über ein Drittland) (Verordnung (EU) 2023/427 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014).
- Neu: Es wurde festgelegt, dass allen Schiffen der Zugang zu europäischen Häfen und Schleusen untersagt ist, wenn die zuständige Behörde vernünftigen Grund zur Annahme hat,
(1) dass das Schiff Umladungen vorgenommen hat, oder,
(2) dass sie während der Fahrt das automatische Schiffsidentifizierungssystem illegal stören, abschalten oder auf andere Weise deaktivieren,
um das Importverbot von russischem Rohöl und russische Erdölerzeugnissen zu umgehen (siehe Verordnung (EU) 2023/1214 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014).
- Verbreitungsverbot von propagandistischen Inhalten in der EU durch Betreiber von russischen Medienhäusern und deren Niederlassungen in der EU (siehe Verordnung (EU) 2022/350 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014).
- Verbot der Erteilung von Übertragungsgenehmigungen und Rundfunklizenzen für russische Medienhäuser (siehe Verordnung (EU) 2022/350 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014).
- Geschäftsverbot mit Unternehmen mit einer Beteiligung von 50% oder mehr durch den russischen Staat oder der russischen Zentralbank des Anhang XIX. Dieses Verbot gilt auch für Ratingdienste für russische Unternehmen (siehe Verordnung (EU) 2022/428 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014).
- Verbot, in allen russischen und sanktionierten Unternehmen Posten in Leistungsgremien zu bekleiden (siehe Verordnungen (EU) 2022/1904 und 2022/2474 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014).
- Beschäftigungsverbot für russische Staatsbürger in Leitungsgremien von kritischen Infrastrukturen in der Union (siehe Verordnung 2023/427 (EU) zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014).
- Beteiligungsverbot und Investitionsverbot in Unternehmen des russischen Energie- und Bergbausektors (siehe Verordnung (EU) 2022/2474 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014).
- Verbot öffentliche Aufträge an russische Personen oder Organisationen zu vergeben (siehe Verordnung (EU) 2022/576 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014).
- Verbot der Registrierung von Trusts, sofern russische Personen oder Organisationen begünstigt sind (siehe Verordnung (EU) 2022/879 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014)
- Verbot zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung einschließlich Abschlussprüfung, Buchführung und Steuerberatung, Unternehmens- und Public-Relations-Beratung, Architektur und Ingenieurwesen, Rechtsberatung, IT-Beratung, Markt- und Meinungsforschung, technische physikalische und chemische Untersuchung und Werbung für die russische Regierung und russische Unternehmen (siehe Verordnungen (EU) 2022/879, 2022/1904 und 2022/2474 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014)
- Neu: Bereitstellungsverbot für Waren des Anhang XXXIII und technische Hilfe, Vermittlungsdienste, Finanzhilfen sowie Lizenzen, Geschäftsgeheimnisse und geistiges Eigentum in Zusammenhang mit diesen Waren für Empfänger in den im selben Anhang genannten Länder festgelegt. Der Anhang enthält bisher jedoch keine Waren oder Länder (siehe Verordnung (EU) 2023/1214 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014).
Neu: Es wurde festgelegt, dass sich die zuständigen Behörden in Bezug auf Ausnahmegenehmigungen koordinieren und austauschen sollen, um sogenanntes „Forum-Shopping“ zu vermeiden (siehe Verordnung (EU) 2023/1214 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014).
Neu: Bestimmte Meldepflichten für Wirtschaftsbeteiligte an die zuständigen Behörden sind zu beachten (in Deutschland: BAFA) (siehe Verordnung (EU) 2023/1214 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014).
Hinweis:
Für viele Ein- und Ausfuhrverbote sind Ausnahmen möglich, insbesondere für bereits abgeschlossene Transaktionen (z.B. für Altverträge). Diese Ausnahmen sind jedoch genehmigungspflichtig und müssen somit vor Ausfuhr mit dem BAFA abgestimmt werden.
Als Reaktion auf die Unterstützung des Angriffskriegs auf die Ukraine durch Belarus wurden die bestehenden Embargomaßnahmen gegen Belarus massiv verschärft. In den Verordnungen (EU) 2022/355, 2022/876 und 2022/877 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 765/2006 wurden u.a. folgende Maßnahmen festgelegt:
- Erweiterung der Namensliste des Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 765/2006
- (Weitere) Beschränkungen des Handels mit den folgenden Gütern. Dies schließt die Erbringung technischer Hilfe, Vermittlungsdienste, Finanzmittel oder Finanzhilfe, einschließlich Finanzderivaten sowie Versicherungen und Rückversicherungen im Zusammenhang mit diesen Gütern mit ein:
- Dual-Use Güter des Anhang I der Verordnung (EU) 2021/821, Art. 1e
- Güter mit militärischem Verwendungszweck, Art. 1f
- Tabakerzeugnisse, Art. 1g
- Mineralölerzeugnisse, Art. 1h
- Kaliumchloriderzeugnisse, Art. 1i
- Holzerzeugnisse, Art. 1o
- Zementerzeugnisse, Art. 1p
- Eisen- und Stahlerzeugnisse, Art. 1q
- Kautschukerzeugnisse, Art. 1r
- Maschinen und Apparate, Art 1s
Durch die Verordnungen 2022/398 und 2022/577 zur Änderung der Verordnung (EG)
Nr. 765/2006 wurden weiterhin u.a. folgende Embargomaßnahmen erlassen:
- Aufnahme von Kryptowährungen, Aktien und Wertpapiere jeder Art in das Finanzsanktionspaket
- Transaktionen mit der Zentralbank von Belarus sind verboten
- Einlagebeschränkung für belarussische Bürger von maximal 100.000 € bei EU-Finanzinstituten
- Juristische Personen mit einer Beteiligung von >50% durch ein Unternehmen aus Anhang XV der Verordnung werden vom Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen
- Handelsverbot an europäischen Börsen für Wertpapiere von Unternehmen mit einer Beteiligung >50% durch den belarussischen Staat
- Verkaufs- und Bereitstellungsverbot für Wertpapiere und Banknoten an belarussische Bürger Banken und andere Organisationen
- Durchfuhrverbot durch das Gebiet der Union für belarussische Speditionen (Kraftverkehrsunternehmen)
1 Sämtliche mit "Neu" gekennzeichneten Inhalte beziehen sich auf das zuletzt veröffentlichte Sanktionspaket, hier: Verordnung (EU) 2023/1214 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014