Mit einem Urteil vom 10.05.2023 (V R 16/21) hat der BFH erneut zur Frage des Vorsteuerabzugs eines Unternehmers anlässlich von Betriebsveranstaltungen Stellung genommen.
Der Kläger veranstaltete im Jahr 2015 eine betriebliche Weihnachtsfeier für seine Arbeitnehmer. Zur Durchführung der Weihnachtsfeier mietete der Kläger für ein "Kochevent" bei einem Veranstalter ein entsprechendes Kochstudio. Dort bereiteten die Teilnehmer unter Anleitung von zwei Köchen gemeinsam das Abendessen zu, das sie anschließend gemeinsam verzehrten. Den aus den damit verbundenen Kosten geltend gemachten Vorsteuerabzug verwehrte das Finanzamt. Es begründete dies damit, dass die Zuwendungen im Rahmen einer Betriebsveranstaltung überwiegend durch den privaten Bedarf der Arbeitnehmer veranlasst waren, da die Aufwendungen pro Arbeitnehmer die umsatzsteuerlich fortgeltende "Freigrenze" von 110 € (inklusive Umsatzsteuer) überstiegen. Folglich sei der Vorsteuerabzug aufgrund der beabsichtigten Nutzung der Eingangsleistungen für eine unentgeltliche Wertabgabe ausgeschlossen. Die Klage vor dem Finanzgericht blieb erfolglos.
Auch der BFH bestätigte die Vorinstanz und entschied, dass der Vorsteuerabzug aus dem Bezug der Eingangsleistungen für die Weihnachtsfeier zu Recht versagt worden ist, da diese ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme im Sinne von § 3 Abs. 9a UStG verwendet wurden. Es handelte sich auch nicht um "Aufmerksamkeiten" im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG, bei denen die Entnahmebesteuerung unterblieben und über den Vorsteuerabzug nach der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers zu entscheiden gewesen wäre. Stehe daher bereits bei Leistungsbezug fest, dass die bezogene Leistung nicht für die wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme verwendet werden soll, so ist dem Unternehmer bereits der Vorsteuerabzug zu versagen und auf die nachgelagerte Besteuerung im Zeitpunkt der Entnahme zu verzichten.
Im Hinblick auf sog. Betriebsveranstaltungen sei für den Vorsteuerabzug zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die hierfür bezogenen Leistungen ausschließlich dem privaten Bedarf der Betriebsangehörigen dienten oder durch besondere Umstände der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt sind.
Nach Auffassung des BFH erfolgten die Zuwendungen anlässlich der Weihnachtsfeier aber gerade nicht im Rahmen eines vorrangigen Unternehmensinteresses. Zwar erkennt der BFH an, dass die streitgegenständliche Weihnachtsfeier nicht auf den Verzehr von Speisen und Getränken beschränkt gewesen war, sondern es sich vielmehr um ein sog. Teambuilding-Event handelte. Solche Events könnten grundsätzlich geeignet sein, die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter sowie das Betriebsklima zu verbessern. Diene eine Betriebsveranstaltung aber lediglich dazu, das Betriebsklima durch gemeinsame Freizeitgestaltung zu verbessern, gehe der BFH nach seiner bisherigen Rechtsprechung von einem ausschließlichen Zusammenhang der hierfür bezogenen Leistungen und dem privaten Bedarf des Personals aus.
Auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-371/07, Danfoss und AstraZeneca) zur unentgeltlichen Abgabe von Mahlzeiten an das Personal anlässlich von Arbeitssitzungen, sieht der BFH kein vorrangiges Unternehmensinteresse bzgl. des Kochevents und der Mahlzeitenabgabe.
Der EuGH hatte das Recht auf den Vorsteuerabzug grundsätzlich als möglich erachtet, sofern das unternehmerische Motiv der ungestörten Fortsetzung der Sitzung ohne große Zeitverluste im Vordergrund stehe. Der Streitfall unterscheide sich nach Auffassung des BFH aber maßgeblich von dem Urteilsfall des EuGH, denn die Abgabe von Speisen und Getränken erfolgte im außerunternehmerischen Bereich und nicht während der Dienstzeit. Zudem spreche bereits die besondere Qualität der Speisen und Getränke und auch die Ausrichtung eines „Kochevents“ per se gegen ein überwiegendes betriebliches Eigeninteresse an einer bloßen Zuwendung von Mahlzeiten an das Personal.
Da die Kosten des Klägers die Freigrenze von 110 € je Arbeitnehmer überschritten haben, stellen die Zuwendungen anlässlich der Weihnachtsfeier auch keine Aufmerksamkeiten im Sinne des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG dar, bei denen die Entnahmebesteuerung unterblieben und über den Vorsteuerabzug nach der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers zu entscheiden gewesen wäre. Damit orientiert sich der BFH an dieser Stelle weiter an der bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2014 angewandten einkommensteuerlichen Freigrenze von 110 € für Zuwendungen im Rahmen von Betriebsveranstaltungen. Die ab dem Veranlagungszeitraum 2015 geltenden einkommensteuerrechtlichen Änderungen (insbesondere die Umwandlung der Freigrenze in einen Freibetrag) hätten für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von "Aufmerksamkeiten" nicht übernommen werden können. Bereits der Wortlaut des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG lege mit der Formulierung „sofern“ (und nicht „soweit“) eine Freigrenze nahe. Dies entspreche auch dem Sinn und
Zweck der Entnahmeregelung, wonach lediglich geringfügige Zuwendungen von der Besteue[1]rung ausgenommen werden sollten. Der BFH bewegt sich mit den Aussagen zum Vorsteuerabzug angesichts von Betriebsveranstaltungen entlang seiner bereits bekannten Rechtsprechungslinie. Angesichts der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des EuGH (Rs. C-528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie, vgl. TAX WEEKLY # 34/2020) und dem Folgeurteil des XI. Senats vom 16.12.2020 (XI R 26/20, XI R 28/17, vgl. TAX WEEKLY # 19/2021) zum Vorsteuerabzug bei unentgeltlichen Wertabgaben, stellt der V. Senat klar, dass sich diese Entscheidungen lediglich mit Kriterium des "unversteuerten Endverbrauchs" auseinandersetzen. Für die hier maßgebliche Frage, in welchem überwiegenden Interesse – dem wirtschaftlichen Interesse des Unternehmers oder dem privaten Bedarf des Personals – die Leistungen erbracht wurden, soll diesen Urteilen aber gerade keine weitergehende Bedeutung zukommen.