Zufluss nicht ausgezahlter Tantiemen bei beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer

In seinem Urteil vom 05.06.2024 hatte der BFH zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer Einnahmen aus Tantiemeforderungen gegen seine Kapitalgesellschaft zufließen.

Der Kläger und Revisionsbeklagte ist (alleiniger) beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Laut seinem Geschäftsführervertrag erhält er für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt. Zusätzlich erhält er laut Vertrag eine Tantieme in Höhe von 20 % des Jahresgewinns. Diese ist innerhalb eines Monats nach Feststellung des Jahresabschlusses zu zahlen. Für die Streitjahre 2015 bis 2017 wurden die vereinbarten Tantiemen weder ausgezahlt noch hat die GmbH in den Jahresabschlüssen entsprechende Passivposten gebildet. Der Kläger gab für die Streitjahre in den Einkommensteuererklärungen die Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit ohne die Tantiemen an. Das Finanzamt veranlagte ihn zunächst erklärungsgemäß.

Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH ging das Finanzamt davon aus, dass auch die nicht ausgezahlten Tantiemen vom Kläger als Arbeitslohn zu versteuern seien, da bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer Tantiemen zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung als zugeflossen gelten. Die tatsächliche Auszahlung sei unerheblich, da es ihm selbst obliege, sich die Tantiemen auszahlen zu lassen. Mithin änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzungen des Klägers für die Streitjahre entsprechend.

Das FG Baden-Württemberg gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegten Klage statt und entschied, dass vereinbarte, aber nicht ausgezahlte Tantiemen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zufließen, wenn bei der Gesellschaft keine entsprechende Verbindlichkeit passiviert worden sei und die Tantiemen sich folglich weder in den Streitjahren noch später auf das Einkommen der Gesellschaft ausgewirkt hätten.

Nunmehr hat der BFH die Vorentscheidung in der vom Finanzamt eingelegten Revision mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. In seiner Urteilsbegründung führt der BFH aber zunächst aus, dass das Finanzgericht zutreffend davon ausgegangen sei, dass dem Kläger die Tantiemen in den Streitjahren nicht aufgrund Fälligkeit zugeflossen sind. Der Entscheidung sind hierzu folgende Grundsätze hinsichtlich des Zuflusses nicht ausgezahlter Tantiemen bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern zu entnehmen:

• Dem alleinigen bzw. zumindest beherrschenden Gesellschafter fließt eine eindeutige Tantiemeforderung gegen „seine“ Kapitalgesellschaft bereits mit Fälligkeit zu. Fällig wird der Anspruch auf die Tantieme mit Feststellung des Jahresabschlusses, sofern im Anstellungsvertrag kein abweichender Fälligkeitszeitpunkt zivilrechtlich wirksam und fremdüblich vereinbart wurde.
• Tantiemeforderungen, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht passiviert sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer allerdings nicht zu. Dies gilt - entgegen BMF-Schreiben vom 12.05.2014 - auch, sofern eine Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in den Jahresabschlüssen hätte gebildet werden müssen.

Im Streitfall habe die GmbH die Tantiemeforderungen des Klägers nach den Feststellungen des Finanzgerichts in ihren von der Gesellschafterversammlung festgestellten Jahresabschlüssen nicht als Verbindlichkeit abgebildet, weshalb die streitigen Tantiemeansprüche nicht fällig gewesen seien.

Die Feststellungen der Vorinstanz reichten allerdings nicht aus, um entscheiden zu können, ob dem Kläger die Forderungswerte der Tantiemeansprüche zugeflossen seien, weil er durch einen Verzicht auf seine Tantiemeansprüche eine verdeckte Einlage in die GmbH erbracht hat. Das Finanzgericht müsse ermitteln, ob der Kläger einvernehmlich mit der GmbH die Tantiemezusage vor der Entstehung der Tantiemeansprüche zum jeweiligen Jahresende aufgehoben, oder ob der Kläger auf die bereits entstandenen Tantiemeansprüche verzichtet habe. Nur in letzterem Fall wäre eine verdeckte Einlage der Forderungswerte der Tantiemeansprüche in die GmbH mit der Folge eines Zuflusses zu bejahen. Das Finanzgericht hat deshalb nun im zweiten Rechtsgang festzustellen, ob und falls ja, wann auf vereinbarte Tantiemeansprüche gegenüber der GmbH verzichtet wurde.

Der BFH bestätigt mit der Entscheidung seine ständige Rechtsprechung, wonach die Anwendung der sog. Zuflussfiktion bei Tantiemen voraussetzt, dass sie sich auch auf die Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt hat, also gewinnmindernd im Abschluss der GmbH erfasst wird. Unerheblich ist dabei die Frage, ob eine Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung hätte gebildet werden müssen. Insofern bleibt abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung dieser Sichtweise anschließt.

Bildquelle: Pexels, Mart Production