Die Aufrechterhaltung einer gleichmäßigen Temperatur im Fernwärmenetz erfordert insgesamt mehr thermische Energie als die Kunden tatsächlich abnehmen. Wärmeverluste, sogenannte Netzverluste, sind abhängig von der Isolation und der Länge des Rohrleitungssystems. Energieversorgungsunternehmen können Wärmeverluste als eigenbetrieblichen Verbrauch nach §§ 54/55 Energiesteuergesetz (EnergieStG) ansetzen mit der Voraussetzung, dass der Betreiber der Heizungsanlage und der Betreiber des Fernwärmenetzes personenidentisch sind.
Das Finanzgericht Thüringen entschied mit Urteil vom 15.12.2015 - 2 K 394/14 über den Anspruch auf Entlastung von der Energiesteuer für das zum Ausgleich der Netzverluste verheizte Erdgas. Im Urteilsfall waren der Betreiber des Fernwärmenetzes und der Betreiber der Wärmeerzeugungsanlage personenidentisch. Die Revision des Hauptzollamts gegen das Urteil des Finanzgerichts Thüringen wurde mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 08.11.2016 - VII R 6/16 als unbegründet zurückgewiesen. Der Einsatz des Erdgases zum Ausgleich der Netzverluste dient der ordnungsgemäßen Erfüllung der mit den Kunden abgeschlossenen Verträge. Das verheizte Erdgas wird nicht den Kunden zur Verfügung gestellt, sondern in der Person der Wärmegesellschaft als Produktionsmittel für eigene betriebliche Zwecke genutzt. Darüber hinaus vertritt der Bundesfinanzhof die Auffassung, dass der Betreiber des Fernwärmenetzes keinen Nutzen der im Netz verloren gegangen Wärme hat, dieser Verlust unfreiwillig auftritt und der Wärmegesellschaft auch kein Vorteil dadurch entsteht.
Das Urteil ermöglicht Unternehmen des Produzierenden Gewerbes Wärmeverluste von der Energiesteuer zu entlasten. Energieerzeugnisse, die zum Ausgleich der auftretenden Netzverluste im eigenen Fernwärmenetz eingesetzt werden, sind als eigenbetrieblicher Verbrauch nach §§ 54/55 EnergieStG entlastungsfähig. Die Netzverluste sind, soweit mehrere Anlagen in das Netz einspeisen, im Verhältnis zur eingespeisten Wärmemenge je Anlage aufzuteilen. Eine Zuordnung der gesamten Netzverluste zu einzelnen Kesseln ist nicht zulässig und kann nur entsprechend dem proportional ermittelten Anteil vorgenommen werden. Nicht entlastungsfähig sind Wärmelieferungen an nicht begünstigte Abnehmer (zum Beispiel Privathaushalte).
Sind der Betreiber der Heizungsanlage und der Betreiber des Fernwärmenetzes unterschiedliche Personen, so besteht unter folgender Fallkonstellation die Möglichkeit, Netzverluste nach §§ 54/55 EnergieStG geltend zu machen. Eine Steuerentlastung in der Person des Betreibers der Heizungsanlage ist möglich, wenn der Betreiber des Fernwärmenetzes die Wärme zum Ausgleich der Netzverluste vom Betreiber des Heizkessels abnimmt. In diesem Zusammenhang verweisen wir auf § 100a Abs. 1 EnergieStV.
Des Weiteren besteht nach Absatz 165 der DV Energieerzeugung E-VSF V 82 45-3 die Möglichkeit, Wärme vorrangig Unternehmen des Produzierenden Gewerbes zuzuordnen. Wird Wärme in verschiedenen Anlagen produziert und in ein gemeinsames Rohrleitungsnetz eingespeist, können die jeweils mit einer dieser Anlagen erzeugten Wärmemengen innerhalb eines Entlastungsabschnitts nach freier Wahl des Antragstellers den verschiedenen Abnehmern der Wärme zugeordnet werden. Abnehmer können in diesem Fall Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder nicht Begünstigte sein. Die zugeordnete Menge darf die tatsächlich entnommene Menge nicht übersteigen. Die Wahlfreiheit gilt jedoch nur für die Entlastungstatbestände der §§ 54 und 55 EnergieStG.
Unsere Experten informieren über aktuelle steuerliche Entwicklungen und gesetzliche Regelungen im Bereich der Energie- und Stromsteuer.
Sie haben Fragen zu unseren Services oder der WTS? Lassen Sie es uns wissen. Schreiben Sie uns einfach eine E-Mail oder rufen Sie uns direkt an.